Hallo Ihr Interressierten
kleine Leseprobe!

Mut zur Tapferkeit;

Der kleine, zierliche Kopf des Pferdes wiegte im Takt seines Schrittes auf und ab. Die weiße Mähne hing zu beiden Seiten des schön geformten Halses herab und wehte leicht im sanften Wind.
Vorsichtig setzte das Tier seine Hufe auf den weichen Waldboden, immer bedacht darauf, seinen Körper sacht abzufangen, denn es trug eine wertvolle Last auf seinem Rücken. Dort saß ein kleines Kind, nicht älter als fünf oder sechs Jahre. Seine schlanken Hände hielten einige Strähnen des seidigen Mähnenhaares fest umschlossen. Der zarte Körper des Mädchens saß ohne die Verbindung eines Sattels auf dem blanken Rücken des Pferdes und so spürte sie die Wärme, die der Körper des Tieres unter ihr ausstrahlte.
Vertrauensvoll saß sie dort oben, streichelte sanft über das glänzende Fell, froh darüber, in dieser Wildnis nicht alleine zu sein. Ihre blauen Augen lagen tief in den Höhlen, und graue Ringe zeigten sich unter ihnen. Das fein gegliederte, blasse Gesicht wirkte bleich und fahl. Ihre weiße Kleidung hing locker von den schmalen Schultern herab. Der durchgehende Rock war in der Taille mit einem Gürtel verschlossen, auf dessen Vorderseite eine goldene Gürtelschnalle saß. Geformt wie zwei edle Pferdeköpfe, die mit ihren Nasen zusammenstießen, zeigte das Schmuckstück die Herkunft des Kindes. Sie gehörte zu den Waldelfen, die in Einklang mit ihrer Natur friedlich das Land des Westens bevölkerten.
Das Pferd Saira war nicht größer als ein Pony, schneeweiß und von ungeheurer Schönheit. Ein ausgesprochen reger Verstand wohnte in dem hellen Kopf mit den spitzen kleinen Ohren, die ständig die Umgebung nach fremden Geräuschen untersuchten.
Saira wusste, welche Verantwortung sie auf ihrem Rücken trug und als wäre es ihr eigenes Kind, welches sie vorsichtig mit sich führte, wachte sie über das Wohlergehen ihres Schützlings auf ihrem Rücken.
Doch plötzlich geriet der Körper des Kindes ins Wanken, rutschte langsam vom glatten Rücken des Tieres. Die kleinen Händchen konnten das lange Mähnenhaar nicht mehr halten, ihr Kopf sank auf die Brust und Saira vermochte es nicht zu verhindern, dass das Kind langsam von ihrem Rücken auf den, mit Blättern gepolsterten Waldboden glitt. Dort blieb sie bewegungslos liegen, die Müdigkeit hatte den kleinen Körper ereilt und ihre Seele mit sich, in die weite Welt der Träume gerissen.
Saira drehte ihren Kopf dem Mädchen zu, stieß sanft mit den Nüstern gegen das zarte Gesicht und blies ihr, ihren warmen Atem entgegen. Doch das Kind rührte sich nicht, von unbändiger Mattigkeit getrieben, war sie sofort in einen tiefen Schlaf gesunken.
Die Stute schnaubte nervös. Unruhig drehte sie ihren schlanken Körper dem Kinde zu, sie wollte hier keine Rast machen, noch nicht.
Erneut stupste sie das Mädchen sanft mit den Nüstern an, versuchte es zum Aufstehen zu bewegen, vergebens. Nun gut, dann würde sie wohl hier warten müssen, bis die Kleine ein wenig ausgeruht war.
Sie trat einige Schritte von ihr fort und fing an, gelbe Farnblätter abzuzupfen, die trotz des getrübten Lichtes in diesem undurchdringlichen Wald in großer Zahl wuchsen. Doch auch dies konnte die Stute nicht beruhigen, zu gerne wäre sie heute noch einige Stunden gelaufen, nur fort aus dieser Trübseligkeit...., aber sie wusste, sie würde dem Mädchen den dringend benötigten Schlaf gewähren müssen.

In Pferdemanier trat sie wachsam neben das schlafende Kind. Einen der hinteren Füße stellte sie auf, dann entspannte sie ihren Körper und schloss halb die dunklen Augen. Obwohl sie den Anschein machte, tief eingedöst zu sein, verrieten ihre Ohren, dass sie doch stets wachsam nach den Geräuschen der Umgebung hörte. Ständig in Bewegung entging dem schlauen Tier nicht die kleinste Gefahr.
Saira träumte von ihrer Heimat, dem schönen Elfenreich, unbekannt für die Bewohner dieser Welt, gut verborgen vor den Augen der Fremden. Dort herrschte immer Frühling, dort gab es keine Gewalt, keine Angst und keinen Tod. Die Elfen lebten friedlich beisammen, hegten und pflegten die Tiere des Waldes und immer blühte es um die kleine Stadt.
Doch was war nur geschehen? Wo war der Glanz? Wo der Frieden? Alles zerstört, ausgerottet und tod.
Saira sah ihre Herrin, so eine wunderschöne Frau, schmal, mit langen blonden Haaren, die in der Sonne wie Gold zu schimmern schienen. Ihr Gesicht, weich, sanft und glatt. Das Pferd spürte die feingliedrigen Finger der Herrin, die sanft über ihr seidiges Fell strichen, es berührten und liebkosten.
Und nun? Alles fort, alles zerstört, alles tod.

Zum ersten Mal spürte die Stute ein neues, vorher unbekanntes Gefühl in sich aufsteigen. Es spannte ihren Bauch, stieg weiter auf zu ihrem Herzen, wo es sich unangenehm zu verteilen begann. Trauer. Noch nie in seinem Leben hatte das kleine Pferd so etwas gespürt, so ein unbändiges Gefühl unglaublicher Traurigkeit. Es schmerzte.
Doch es gab noch Hoffnung. Die gütige Herrin hatte ihr, dem kleinen Pferd, einen Schatz anvertraut. Als schon alles verloren schien, begab sich die Frau zu ihr, ihr Heiligstes bei sich im Arm, ihr Kind, ihr Mädchen, ihre Prinzessin.
Saira öffnete die Augen und betrachtete das Gesicht des Kindes. Entspannt lag sie dort, schlafend, als läge sie in der weißen Stadt in ihrem schönen Bett. Rein und lieblich sah sie aus, schützenswert und unschuldig.
Doch welche Bürde würde dieses Kind nun tragen müssen? Welche schwere Last wurde dem jungen Leben auferlegt?
Die Stute wusste es nicht. Doch eine unbändige Liebe stieg in ihr auf. Sie verdrängte das Gefühl der Trauer und ließ sie neue Hoffnung schöpfen. Die letzten Worte ihrer Herrin kamen ihr in den Sinn: „Mein kluges Pferd“, hatte sie gesagt, „zu dieser dunklen Stunde eile ich zu dir, um dir eine schwere Aufgabe zu erteilen. Siehe unsere aussichtslose Lage, wir können die Stadt nicht mehr halten. Ich möchte dir etwas anvertrauen, hüte es gut.“
Mit diesen Worten setzte sie ihre kleine Tochter auf den Rücken des Tieres, öffnete das Gatter und rief ihr hinterher: „Bringe sie hier fort zu ihrem Vater, dem König des Menschenvolkes. Laufe schnell und schau dich nicht um. Ich habe für ihn eine Nachricht unter der Kleidung meiner Tochter versteckt. Er wird es verstehen.“ Noch einmal glitten ihre Finger durch das seidige Mähnenhaar des Pferdes, dann küsste sie die Hand ihres Kindes und mit tränengefüllten Augen wendete sie sich ab. „Geht nun und vergesst nicht meine Worte. Vielleicht wird es ja doch noch ein gutes Ende geben!“
Schnell eilte sie von dannen und Saira stürmte in den Wald, so schnell sie ihre Beine tragen konnten.
Seit diesem trauervollen Abschied waren sie nun einige Stunden unterwegs. Mal im schnellen Trab, mal in einem langsamen Schritt hatte das kleine Pferd sicher das Kind fortgetragen. Doch nun, wo die Sonne schon so tief am roten Horizont stand, blieb Saira nichts anderes übrig, als hier zu wachen und zu hoffen, dass ihnen kein böser Geist, kein Ungeheuer in diese Finsternis gefolgt war.
Plötzlich und unerwartet schnell versank die Sonne am Ende der Welt. Leise legte sich die Dunkelheit über das Land und verhüllte bald die Schönheit der Natur. Noch immer lag das Kind im trockenen Laub und schlief, doch Saira konnte keine Ruhe finden. Die hereinbrechende Dunkelheit verstärkte das Gefühl der Nervosität noch, ließ alle Geräusche unnatürlich laut erschallen und die umherkriechenden Schatten bedrohlich groß werden.
Erneut stupste sie das Kind sanft mit ihrem weichen Maul an, doch auch dieses Mal reagierte es nicht. Nun etwas ruppiger versuchte sie es erneut und tatsächlich, diesmal gelang es ihr, das Mädchen aus ihren Träumen zu reißen.
Langsam setzte sich die zierliche Person auf, rieb sich die Augen und blinzelte in die Dunkelheit. „Mama?“ rief sie mit heller Stimme, „Mama, wo bist du?“
Dicke Tränen traten in ihre Augen und kullerten die vollen Wangen herab. Ein Gefühl der Angst und Einsamkeit ereilte das Kind, verleitete es zu tiefer Traurigkeit.
Saira trat einen Schritt auf die weinende Kleine zu, senkte ihren Kopf und blies ihr den warmen Atem ins Gesicht. Mit beiden Händen ergriff das Kind den Kopf des Tieres, zog ihn zu sich heran und suchte Trost in dem weichen, warmen Fell.
So verbrachten sie einige Momente, reglos, vergaßen die Trübseligkeit um sich herum und verschmolzen für den Bruchteil eines Augenblickes zu einem einzigen, trauerndem Körper. Doch Saira wusste um die Gefahr, in der sie sich befanden. Sie wollte nicht zu lange in der Dunkelheit bewegungslos an einem Fleck verharren.
Außerhalb des Elfenreiches war der Wald gefährlich. Es trieben sich böse Geister in ihm herum, körperlose Wesen, Gespenster und Dämonen.
Mit ihrem Kopf drängte sie das Kind zum Aufstehen. Sie wollte nicht mehr länger verweilen an diesem unheilvollen Ort.
Endlich verstand das Mädchen. Leise richtete sie ihren Körper auf, trat nahe an das weiße Pferd heran und umklammerte mit ihren Fingern das Mähnenhaar. Mit einem schnellen Sprung gelangte sie auf den Rücken des Tieres, rutschte etwas nach hinten und legte den Kopf an den warmen Hals der kleine Stute. „Bring mich hier weg!“ flüsterte sie kaum hörbar, doch das schlaue Tier verstand. Sie setzte ihren Körper in Bewegung und bald verließen sie den Ort, der ihnen an diesem Nachmittag Unterschlupf gewährt hatte.

Die Nacht wurde finster. Sie verschluckt jeden Funken Lichts und verbreitete eine Schwärze, welche nicht einmal die gut sehenden Augen des Pferdes durchdringen konnten. Doch Saira besaß noch einen weiteren, gut ausgebildeten Sinn. Vorsichtig setzte sie eine Huf vor den anderen, bahnte sich mit ihrer Nase und den daran befindlichen Tasthaaren einen Pfad durch die Dunkelheit.
Immer weiter führte sie ihr Weg. Immer undurchdringlicher wand sich das dichte Gestrüpp des Waldbodens um die zierlichen Hufe des Pferdes, doch aller Last zum Trotz suchte Saira ein Fortkommen durch die Nacht. Viele fremde Geräusche drangen an ihre Ohren, weit entfernte Schreie von unbekannten Wesen, die verloren durch die Schwärze zogen. Ein Gurgeln, ein Pfeifen, dann wieder tödliche Ruhe trieben das Pferd rastlos vorwärts.
Ihr ausgezeichneter Orientierungssinn wies dem schlauen Tier die Richtung und tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie nun bald die Grenze des schaurigen Waldes passieren musste. Sie sehnte sich nach dem Mondlicht, sehnte sich nach der Sicherheit, die ihr die Helligkeit versprach. Doch sie konnte sich diese Gefühle nicht gewähren, musste versuchen, die Angst zu unterdrücken, die ihr die undurchdringliche Dunkelheit bereitete. Lediglich ein Ziel vor Augen, den Wald endlich verlassen zu können, trieb sie vorwärts und ließ sie ihren Weg finden.
Wieder ein Ächzen.....ein Quicken und Grunzen. Saira wendete den Kopf, versuchte mit den Augen die Herkunft des unbekannten, angsteinflößenden Geräusches zu bestimmen, doch vergebens. Noch immer hüllte die Schwärze alles Sichtbare ein und die unheimlichen Laute verklangen genauso schnell, wie sie erschallt waren.
Eine Unruhe überfiel den Körper des Pferdes. Die Nacht war voll mit unbekannten Geräuschen, doch dieses, welches sie eben vernommen hatte, prägte sich in ihre Seele ein und ließ sie nichts Gutes erahnen. Sie stoppte ihren grazilen Körper, spitzte die Ohren und lauschte. Auch das Kind auf ihrem Rücken erhob um einige Fingerbreit den Kopf, verharrte dann aber in Regungslosigkeit, denn auch sie hatte das seltsame Geräusch vernommen.

Stille. Nichts als Stille. Sairas kleine, spitze Ohren bewegten sich ständig, doch konnte sie nichts mehr hören. Es war, als hätte die Dunkelheit alle Geräusche der Umgebung verschluckt. Noch immer stand das kleine Pferd still da und rührte sich nicht, ihr Verstand riet ihr zum Aufbruch, doch ihr Herz, erfüllt mit bitterer Angst, ließ ihre Glieder erschlaffen.
Und plötzlich und unerwartet war es wieder da, das Grunzen, das Quicken. Doch diesmal klang es anders, näher, angriffslustiger.
Saira reckte den Hals hoch in die Luft. Sie drehte leicht den Kopf und nun wusste sie, aus welcher Richtung das bedrohliche Geräusch auf sie zugeschlichen kam. Es knackte, Holz brach und Laub wurde im wilden Lauf auseinandergerissen. Dann wieder ein Grunzen, ein Knurren, das sich bedrohlich schnell näherte.
Saira zögerte nun nicht mehr. Von panischer Angst getrieben suchten sich ihre Beine den Weg durch das dichte Unterholz. Hier zeigte sich die Stärke ihres Körpers, die Macht ihres Instinktes. Sicher und schnell rannte sie im wildem Galopp. Sie konnte nichts mehr hören, das Getöse ihrer dahinfliegenden Hufe übertönte alle Geräusche des Waldes.
Langsam verschwand das Gefühl der unbändigen Panik und ließ das kleine Pferd in einen immer noch hastigen, jedoch gleichmäßigeren Trab fallen. Ihre Ohren lauschten, doch das laute Geräusch ihres Atems übertönte alle Laute einer herannahenden Gefahr. Endlich beherrschte sie sich soweit, dass es ihr möglich war, für einen kurzen Moment in der Bewegung inne zu halten und die Dunkelheit nach dem unsichtbaren Angreifer zu durchforsten.

Wieder Stille. Undurchdringlich, Unantastbar.
Noch einen Augenblick verharrte das Pferd in Bewegungslosigkeit, glaubte bald, sich den Angriff des unsichtbaren Gegners nur eingebildet zu haben, dann war es wieder da. Das Knurren, tief und bedrohlich, das Grunzen, angsteinflößend und gefährlich.
Erneut krachte es hinter dem Pferd, als würde ein gewaltiges Ungeheuer durch den Wald jagen und alles Holz dabei in kleine Stücke schlagen.
Saira überlegte nicht, einzig ein Gefühl beherrschte augenblicklich ihren Verstand....Angst. Wilde Panik beflügelte ihre Beine, spornte ihren kleinen Körper zu Höchstleistungen an. Sie rannte durch das Unterholz, ohne recht zu wissen, was sie wohl verfolgte. Doch eines riet ihr, ihr untrüglicher Instinkt. Gegen diesen Angreifer würde sie nicht bestehen können.
So suchte sie ihr Heil in der Flucht, rannte, bis ihr das Herz zu schmerzen begann. Doch immer weiter trieb sie die Angst, immer näher schien ihr der Angreifer in ihren Gedanken zu kommen.
Dann plötzlich durchbrach sie dichtes Gesträuch, erhob die Beine zu einem weiten Sprung und setzte über unzählige dichtbewachsene Büsche hinweg. Ihre Augen konnten wieder sehen, ihr wichtigster Sinn war zurückgekehrt. Im Lauf reckte sie den Kopf zum Himmel und sah dort die runde Scheibe des fahlen Mondes, der seine trügerische Helligkeit zur Erde hernieder sendete.
Noch niemals war das Pferd über den Anblick der hellen Scheibe so froh gewesen. Noch nie kam ihr der Schein des Himmelskörpers heller vor als in diesem Moment. Im schnellen Lauf drehte sie den Kopf nach hinten und erkannte den schwarzen Wald, dessen dichtbewachsene Grenze sie eben mit dem beherzten Sprung überwunden hatte.

Sie hatte es geschafft, mit heilem Leib war sie der Dunkelheit entkommen, war geflohen aus dem unheilvollen Schlund des Waldes. Sie stoppte ihren ausgebrannten Körper und wendete ihren Kopf dem Kinde auf ihrem Rücken zu. Mit Schrecken erkannte sie, dass sie während ihrer nervenaufreibenden Flucht keinen einzigen Gedanken an das Wohl des Kindes aufgebracht hatte. Getrieben von unsäglicher Angst vermochte sie es wohl nicht bemerkt haben, wenn das Kind von ihrem Rücken zu Boden geglitten wäre. Doch glücklicherweise saß das Kind fest dort oben. Die Finger mehrmals um das lange Mähnenhaar gewickelt, musste sie sich mit aller Kraft ihrer zierlichen Arme festgehalten haben.
Scham überkam die Stute. So wenig besaß sie die Kontrolle über ihren Geist, dass sie noch nicht einmal im Stande war, des Kindes Wohl vor ihr eigenes zu setzen. Mit einem flehenden Blick betrachtete sie sich das Mädchen, suchte mit ihren Augen nach Vergebung, doch er wurde nicht erwidert.
Saira musste zusehen, wie das blonde Wesen auf ihrem Rücken die Kraft aus ihren Armen verlor und bedrohlich ins Wanken geriet. Ihr Körper sackte in sich zusammen, verlor das Gleichgewicht und rutschte vom glatten Leib des Tieres zu Boden. Dort blieb das Kind liegen, vor Überanstrengung zitternd, müde und kraftlos. Für solch eine Tortur war ihr Körper nicht geschaffen und so verließen die letzten Kräfte die erschlafften Muskeln.
Die kleine Stute stand dicht bei dem Kind, wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Die Angst war vergessen, ebenso die Gefahr und die Nacht. Einzig das Kind schien ihr wichtig, sie musste es beschützen.

Und dann ging alles sehr schnell. Ein riesiger, schwarzer Schatten huschte über die Grenze des düsteren Waldes hinweg. Ein Knurren erfüllte augenblicklich die Luft. Bedrohend, schnell stürmte etwas auf die beiden wehrlosen Wesen zu.
Sairas Augen weiteten sich angstvoll. Sie bäumte ihren Körper auf, stellte sich auf die Hinterbeine und schlug ihre Hufe tapfer dem Angreifer entgegen. Doch der Anblick des sich nähernden Gegners ließ ihre Tapferkeit schwinden. Sie erkannte ihn nun deutlicher. Ein Biest, größer als sie selbst, mit schwarzem Rachen und spitzen, gefletschten Zähnen sprang dort auf sie zu. Todbringend warf es seine riesigen Klauen dem Pferd entgegen. Das dichte, schwarze Fell verhüllte das Augenpaar und nur ein rotglühender Schimmer unter den zotteligen Haaren am Kopf des Biestes verriet, wo die beiden Augen saßen.
Angst! Sairas Herz war erfüllt von diesem unbändigen Gefühl der Angst. Es ereilte ihren Geist, versuchte erneut die Gewalt über ihren Körper zu erlangen. Alle Sinne geschärft, jeden Muskel zur Flucht bereit, stand die Stute da, jedoch unfähig sich zu rühren. Etwas hielt sie dort, ein Gefühl, welches der alles umfassenden Angst widerstehen konnte. Sie würde das Kind nicht im Stich lassen, wollte es nicht den Fängen des Ungeheuers ausliefern. Hin und her gerissen zwischen panischer Angst und hoffnungsloser Tapferkeit stand sie über dem Körper des kraftlosen Kindes und rang mit ihren Gefühlen.
Und dann war es da. Das Monster knurrte seinen ganzen Hass herüber und eine Welle aus üblen Gestank wehte dem Pferd entgegen. Doch Saira wich nicht ab von dem Kinde. Schützend stellte sie ihren Körper vor das Mädchen, bereit, es mit der üblen Kreatur vor sich aufzunehmen. Sie hatte ihre Kraft wiedererlangt. Der Kampf in ihrem Herzen war siegreich verlaufen und so verdrängte der Mut jedes Gefühl der Angst.
Der Angreifer verlangsamte seine Sprünge und einige Fuß weit von dem Pferd entfernt kam er zum Stehen. Erneut drang ein tiefes Knurren aus seinem Schlund, doch es hörte sich nun für die kleine Stute nicht mehr so furchterregend an, sondern eher missmutig und unentschlossen.
Die dunklen Augen des Pferdes fixierten den Angreifer, und beinahe rechnete sie damit, dass diese schwarze Kreatur sich auf sie stürzen und sie niedermetzeln würde, doch es geschah ihr nichts.
Saira wusste nicht, was vor sich ging, doch plötzlich wendete das Biest angsterfüllt seinen Blick von ihr ab und stieß einen schmerzerfüllten Ruf aus, der die Erde unter seinen Füßen erzittern ließ. Dann rieb es sich den Kopf heftig an den Pranken der Vorderbeine bevor es mit einem erneuten Ausruf des Schmerzes mit großen Sprüngen in Richtung des Waldes setzte. Am Rand des dichten Gehölzes angekommen warf es noch einmal den schweren Kopf herum, doch die rot glühenden Augen des Biestes waren erloschen. Von Schmerzen gepeinigt jagte es blind in den Wald hinein.

Saira konnte sich nicht erklären, warum das Biest von ihr abgelassen hatte. Mit Leichtigkeit hätte es ihren Körper zerfetzten und mit dem Blut des Kindes seinen unbändigen Durst stillen können.....,doch stattdessen floh es unter Schmerzen.
Noch immer stand die Stute mit angespannten Muskeln und wachen Sinnen über dem Körper des Kindes und erst langsam begann sie zu begreifen, was soeben geschehen war. Sie wendete den Kopf und betrachtete ihren Körper. Als hätten sich die Strahlen des Mondes auf ihrem Fell gebündelt, strahlte es eine Helligkeit aus, die in dem Pferd gute Erinnerungen weckte. Es war das Licht ihrer Heimat, das Licht, welches alle Elfen umfangen hielt.
Und sie begriff. Mut und Tapferkeit hatten ihr das Licht ihrer Heimat gebracht. Denn nur durch diese Tugenden überlebten die Elfen in dieser sterblichen Welt. Die dunkle Kreatur konnte dem Licht nicht widerstehen, geblendet und für ewig gezeichnet musste es nun sein Leben ohne Augenlicht bestreiten.
So stand das Pferd wachsam über dem Leib des Kindes, als am nächsten Morgen die Sonne aufging. Und so fanden sie auch bald die Herrscharen des Menschenvolkes. Schützend nahmen sie das Kind an sich und Saira trottete müde hinter ihnen her.