In Berlin werden zurzeut "terrestrische Astronauten" rekrutuert, um den ersten bemannten Flug zum Mars vorzubereiten.


Zwei Monate im Bett
Für eine Studie zu den Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den Muskel- und Knochenapparat sucht das Zentrum für Muskel- und Knochenforschung (ZMK) in Kooperation mit der Europäischen Weltraumagentur ESA zwanzig körperlich stabile und willenstarke Männer zwischen 20 und 45 Jahren.

Den Bewerbern, die das Rennen schließlich machen, stehen acht Wochen strenges Dauerliegen auf der Isolierstation bevor: Durch strikte Bettruhe sollen in der "Berliner Bed Rest Studie" die Bedingungen der Schwerelosigkeit simuliert werden. Die Studie wird am Benjamin Franklin Klinikum der Freien Universität Berlin durchgeführt und läuft Mitte Februar an.

Topfit zum Mars

Unter strenger medizinscher Aufsicht
Im Rahmen ihres Erkundungsprogramms Aurora arbeitet die ESA an der Entwicklung von Technologien, die bis 2030 einen Menschheitstraum erfüllen sollen: den bemannten Flug zum Mars. Doch bevor der erste Mensch seinen Fußabdruck im Staub des Roten Planeten hinterlassen kann, sind neben technischen auch eine Fülle physiologisch- und medizinischer Probleme zu bewältigen. Der Trip zum Mars bedeutet für die Astronauten einen möglicherweise jahrelangen Aufenthalt in Schwerelosigkeit. Die Folgen dieser enormen körperlichen Belastung können die gesamte Mission zum Scheitern bringen, wenn die Astronauten bei der Ankunft nicht mehr fit genug sind, um ihre Aufgaben auf dem Roten Planeten zu erfüllen.

Hauptproblem: Muskel- und Knochenschwund

Duschen in Liegen
Zu einem besonderen Problem kann der Muskel- und Knochenschwund werden, der sich bei Langzeitaufenthalten in der Schwerelosigkeit einstellt. Durch die zu geringe Belastung des Bewegungsapparates bildet sich die Muskulatur zurück, vor allem die Muskeln der Beine, des Beckenbereichs und des unteren Rückens. Zugleich kommt es durch die Muskelatrophie und mangelnde Beanspruchung zum Abbau von Knochenmasse. Die Berliner Bettruhestudie des ZMK soll daher helfen, genauer zu verstehen, wie Muskelabbau und Knochenschwund wechselseitig wirken. Außerdem wird ein neuartiges Trainingsgerät eingesetzt, das durch Vibration den Muskel- und Knochenaufbau stimuliert.
Am Universitätsklinikum Benjamin Franklin wird das Gerät bereits erfolgreich genutzt. Nun soll geprüft werden, ob diese Methode auch bei Langzeitmissionen im All verhindern kann, dass Muskulatur und Knochen schlapp machen. Schließlich sollen die ersten Menschen ihren Fuß auf den Mars setzen können, ohne Knochenbrüche zu riskieren

Eiserne Disziplin gefordert

Leben in der Horizontale: Essen
Den Testpersonen, die schließlich für die Berliner Studie ausgewählt werden, steht ein Programm bevor, das eisernes Durchhaltevermögen erfordert. Sie müssen acht Wochen nonstop im Liegen verbringen und dabei jede größere Kraftentwicklung in den unteren Extremitäten vermeiden. Geduscht wird ebenfalls im Liegen und selbst der Abort wird in der Waagerechten aufgesucht. Die Probanden werden - von der Außenwelt isoliert - in Zweibettzimmern untergebracht und rund um die Uhr videoüberwacht. Private persönliche Kontakte müssen während des gesamten virtuellen Fluges unterbleiben.

Wer aufsteht, fliegt raus
Arbeiten im Bett
Wer sich als Studienteilnehmer qualifizieren will, muss daher einige Hürden nehmen. "Die Probanden müssen sehr ähnliche körperliche und mentale Eigenschaften aufweisen wie Astronauten, die ins All fliegen", so Professor Dieter Felsenberg, der die Bettruhestudie leitet. Neben einem guten Gesundheitszustand und psychischer Stabilität ist die Fähigkeit gefordert, Grenzsituationen durchzustehen. Das Auswahlverfahren ist streng. "Nur etwa einer von hundert Bewerbern kommt schließlich als Testperson in Frage", erklärt Professor Felsenberg.

Jedem virtuellen Astronauten werden ein Telefon, ein eigenes Fernsehrgerät und ein PC mit Internetanschluss zur Verfügung gestellt. Außerdem winkt eine Aufwandentschädigung von 5000 Euro pro Mann. Gezahlt wird allerdings nur, wenn der Proband die Studienbedingungen streng einhält. Wer schummelt, produziert falsche Ergebnisse, die dann auf andere Programme übertragen werden. Das kann schließlich für die Astronauten fatale Folgen haben. Die Einhaltung strikter Bettruhe ist daher oberstes Gebot.
Professor Felsenberg bringt es auf den Punkt:"Wer aufsteht, fliegt raus".

Langzeitfolgen haben die Testpersonen nicht zu befürchten. Etwa eine Woche nach dem Aufstehen ist die Alltagstauglichkeit aus medizinisch-physiologischer Sicht weitgehend wieder hergestellt.

Ernsthafte Interessenten können sich beim zentralen Rekrutierungsbüro des Zentrums für Muskel und Knochenforschung (ZMK) bewerben:
Telefon: 030 - 8445-4261 E-Mail:

Weitere Informationen zur Studie und zu den Teilnahmebedingungen: www.medizin.fu-berlin.de