Zitat Zitat von DerBademeister Beitrag anzeigen
Es wird Dich vielleicht wundern, aber ich kann Vieles in diesem dünnen Parteiprogramm unterschreiben.
Nein, das wundert mich nicht. Denn das Programm ist nicht "rechts".

Was an diesem Flyer-artigen Programm allerdings gegenüber den anderen Parteien, die eine Langversion ihrer Programme bieten, fehlt, ist eine detaillierte Erläuterung ihrer Pläne zur völligen Umkrempelung unseres Wirtschaftsraumes. Nicht so wichtig bei banal-selbstverständlichen Themen wie "Deutschland muss familien- und kinderfreundlicher werden", denn das steht in allen Programmen Heute drin und unterscheidet die AfD nicht vom Rest.
Das wird schon noch kommen. Die Parteigründung kam ein halbes Jahr zu spät. Dafür können sie sich bei Herrn Aiwanger bedanken.

Ja, in der FAQ[/URL] werden immerhin einige Ideen näher erläutert, was offenbar zu Beginn des Wahlkampfes noch nicht der Fall war und zurecht kritisiert wurde.
Die FAQ kam schon ziemlich früh, irgendwann Ende April/Anfang Mai. War aber schwer aufzufinden, was sicherlich zu kritisieren ist.


Für mich bleiben trotzdem viele Fragen offen - und ich bin kein studierter Volkswirt.

  • Welchen Schritt-für-Schritt Plan hat die AfD zur Abwicklung der Eurozone?
  • Wie ist der Zeitplan? In der Faq wird luftig von behutsamer Auflösung und mehrjährigen Übergangsprozessen gesprochen.
  • Welche "kleinere und stabilere Währungsverbünde" sollen an ihre Stelle treten? Warum nennt Herr Lucke nicht konkret die Staaten die er für würdig erachtet?
  • Wann, wie und wie schnell kann die deutsche Wirtschaft, exportabhängig wie keine andere Wirtschaft in der EU, transformiert werden um den erwartbaren Kollaps zu verhindern wenn unsere wichtigsten Handelspartner wie Frankreich nach dem Ende des Euros massiv unsere D-Mark aufwerten um ihre Wettbewerbsfähigkeit anzupassen? Diese Frage ist der absolute Knackpunkt der Eurozonenkrise, denn Deutschland hängt am süßen Gift seines durch zwanzig Jahre Lohnzurückhaltung verursachten riesigen Außenwirtschaftsüberschusses.
  • Welcher Startkurs der Nationalwährungen untereinander wird angestrebt? (wichtig z.B. für Personen und Unternehmen die Geld- und sonstige Anlagen im Ausland halten - insbesondere für langfristige Investments relevant)
  • Welcher Startkursder Nationalwährungen zu anderen Weltwährungen wie Dollar und Yen wird angestrebt? In der FAQ steht lediglich, der freie Markt - hier der Devisenmarkt - solle die Wechselkurse regeln, aber nicht welche Kurse zur Einführung angestrebt werden. Ist mir zu vage. Ist aber essentiell z.B. für ein Unternehmen wie VW dass einen riesen Teil seines Umsatzes in China erwirtschaftet (nur ein Beispiel).
  • Was passiert mit der EZB?
  • Wie werden Schulden und Forderungen an Länder wie Griechenland, Spanien etc. umgerechnet und abgewickelt wenn an Stelle der Euroschulden DM, Franc, Kronen und Co. treten? Z.b. bei langfristigen Staatsanleihen? Du weißt dass die Schulden beispielsweise der Griechen mittlerweile fast vollständig von den privaten Gläubigern auf die öffentlichen Gläubiger (vorrangig) Deutschland verlagert wurden und der nächste (auch von der AfD richtigerweise geforderte) Schuldenschnitt uns dementsprechend hart treffen wird im Bundeshaushalt. Ganz zu schweigen vom Übernächsten.


Mir würden hier noch einige weitere Fragen einfallen, der Punkt ist: Die AfD gibt darauf zu wenige Antworten für ihr Selbstverständnis als Ökonomenzirkel. Da stellt sich mir die Frage: Warum? Sie wissen es entweder selber nicht, oder wollen sich nicht angreifbar machen wenn sie konkreter werden.
Die Vorschläge und Antworten gibt es, sie stehen nur nicht auf der Parteiseite. Ich denke, ein Grund dafür ist, dass so etwas mit den europäischen Partnern ausgehandelt werden müsste und man nicht als Partei dastehen will, die anderen Ländern vorschreibt, wie das abzulaufen hat. Es ist auch nicht so, dass es für jeden Punkt nur einen möglichen Weg gibt. Kai Konrad, der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats im FinMin, und kein AfDler, befürwortet ja, dass Deutschland aussteigt und nicht die südeuropäischen Länder. Das kann man alles diskutieren, und es gibt in der wissenschaftlichen Literatur genügend Ausstiegsszenarien. Der Punkt ist, dass sich Regierung und Opposition weigern, dies überhaupt zu diskutieren und steif und fest behaupten, dass die Eurorettung "alternativlos" ist.

Meiner Ansicht nach leiden Ökonomen im Punkt der Zuverlässigkeit ihrer Planungen nicht nur diesbezüglich mittlerweile an Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten. Nach dem völligen Versagen gerade der dt. Ökonomie bei der Vorhersage der Finanzkrise sollte hier eigentlich etwas Demut eingekehrt sein.
Es ist auch schwierig, betrügerisches Verhalten von US-Bankern "vorherzusagen".

Wer Kerneuropa von Grund auf umkrempeln will der muss auch erklären wie er das ganz konkret anstellen will, ansonsten kommt es zu genau dem ungeordneten Kollaps den Du mit Deiner Stimme für die AfD zu verhindern suchst.
Ich frage mich nur, warum niemand an die Regierung dieselben Ansprüche stellt? Bisher ist jede, aber auch jede Maßnahme fehlgeschlagen, jede Prognose ist gescheitert. Die Regierung macht zumindest in der Öffentlichkeit aus der Krise eine Staatschuldenkrise, was sie nicht ist. Sie ist an der Wurzel eine Zahlungsbilanzkrise. Diese Außenhandelsdimension wird nicht thematisiert, und der Grund dafür ist klar: Dann muss man nämlich darüber sprechen, dass die Währungsunion eine - meiner Meinung nach nicht zu stabilsierende - Fehlkonstruktion und alles andere als "alternativlos" ist, und dann muss man zugeben, dass der Rettungskurs von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen ist.