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Thema: Ist Amerika am Ende?

  1. #1
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    Im Moment ist hier wieder viel Amerika. Na ja, trotzdem ...

    Kennt hier jemand Emmanuel Todd? Er hat schon 1977 das Ende der Sowjetunion „vorhergesagt“. Nun ist sein neues Buch erschienen: Weltmacht USA. Ein Nachruf

    Hier mal ein paar umfangreiche Auszüge aus einem Interview mit Herrn Todd.

    Dann sind Sie also doch der Meinung, es habe ein amerikanisches Imperium einmal gegeben?
    Die amerikanische Hegemonie ab Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die späten achtziger Jahre hatte in den entscheidenden Bereichen - Militär, Wirtschaft, Ideologie - eindeutig imperiale Qualität. 1945 wurde die Hälfte aller Güter der Welt in den USA hergestellt. Es gab zwar einen kommunistischen Block in Eurasien, Ostdeutschland und Nordkorea. Aber die starken amerikanischen Streitkräfte, die Marine und die Luftwaffe, übten die strategische Kontrolle über den Rest des Planeten aus - mit der Unterstützung oder zumindest dem Einverständnis vieler Alliierter, deren Hauptziel der Kampf gegen den Kommunismus war. Dieser Kommunismus hatte zwar hier und dort Zulauf unter Intellektuellen, Arbeitern und Bauern. Aber insgesamt installierten die USA ihre Hegemonie mit dem Einverständnis eines grossen Teils der Welt. Es war ein heilvolles Imperium. Der Marshall-Plan war ein vorbildlicher politischer und wirtschaftlicher Akt. Amerika war über Jahrzehnte eine «gute» Supermacht.

    Jetzt ist es eine schlechte?
    Sie ist vor allem viel schwächer geworden. Amerika hat nicht mehr die Stärke, um die grossen strategischen Akteure - allen voran Deutschland und Japan - kontrollieren zu können. Die industrielle Basis ist deutlich kleiner als jene Europas und etwa gleich gross wie jene Japans. Bei doppelt so vielen Einwohnern ist das kein besonderer Leistungsausweis. Das Handelsdefizit beträgt inzwischen 500 Milliarden Dollar - pro Jahr. Das militärische Potenzial ist zwar immer noch das weitaus grösste der Welt, aber es ist rückläufig und wird überschätzt. Bei der Benützung von Militärbasen sind die USA auf den guten Willen der Alliierten angewiesen, und diese sind nicht mehr so wohlwollend wie auch schon. Vor diesem Hintergrund ist der theatralische militärische Aktivismus gegen unbedeutende Schurkenstaaten zu sehen. Er ist ein Zeichen der Schwäche, nicht der Stärke. Schwäche aber macht unberechenbar. Die USA sind daran, für die Welt zu einem Problem zu werden, wo wir uns daran gewöhnt hatten, in ihnen eine Lösung zu sehen.

    Angenommen, Sie hätten Recht: Wie soll das blühende Imperium so rasch in den Untergang schlittern?
    Zwischen den USA und ihren geopolitischen Interessensphären hat sich - zunächst langsam und kaum merklich, dann immer rascher - eine Schere aufgetan. Ab Beginn der siebziger Jahre öffnete sich ein Handelsdefizit. In diesem zunehmend asymmetrischen globalen Prozess spielten die USA die Rolle der Konsumenten und die übrige Welt jene der Produzenten. Von 1990 bis heute ist das Handelsdefizit von 100 auf 500 Milliarden Dollar geschnellt. Finanziert wurde dies mit Geldern und Kapitalien, die in die USA flossen. Allmählich ging es den Amerikanern wie den Spaniern im 16. und 17. Jahrhundert, als sie vom Gold aus der Neuen Welt überschwemmt und in die Unproduktivität getrieben wurden. Man schlemmte und prasste und geriet wirtschaftlich und technologisch immer mehr in Rückstand.

    Amerika ist doch immer noch der Inbegriff für wirtschaftliche und technologische Kompetenz.
    Wenn ich von Wirtschaft spreche, dann meine ich nicht die inzwischen verblasste Neue Ökonomie, sondern den industriellen Kern mit seinen Spitzentechnologien. Da fallen die USA dramatisch zurück. Europäische Anleger haben in den neunziger Jahren zwar in den USA viele Milliarden verloren, die amerikanische Wirtschaft aber ein ganzes Jahrzehnt. Das Handelsdefizit resultiert inzwischen nicht mehr aus dem Import von Gütern niedriger und mittlerer Technologie. 1990 noch hatten die USA für 35 Milliarden mehr Spitzentechnologie exportiert als importiert. Inzwischen ist ihre Handelsbilanz sogar bei diesen Topgütern negativ. Bei der Mobilkommunikation hinken die Amerikaner weit hinterher. Die finnische Nokia ist viermal so gross wie die amerikanische Motorola. Mehr als die Hälfte der Satelliten werden inzwischen mit europäischen Ariane-Raketen ins All geschossen. Airbus ist daran, Boeing zu überholen: Das wichtigste Transportmittel für den Personenverkehr in der globalisierten Welt wird also künftig in Europa hergestellt. Das sind die Dinge, auf die es wirklich ankommt. Das ist weit entscheidender als ein Krieg gegen den Irak.

    Sie wollen sagen: Die USA führen die falsche Schlacht am falschen Ort?
    Die Führung der USA weiss nicht mehr, wohin sie will. Sie weiss, dass sie auf das Geld der übrigen Welt angewiesen ist, und verspürt Angst, zu nichts mehr zu taugen. Es gibt keine Nazis und Kommunisten mehr. Während eine sich demographisch, demokratisch und bildungspolitisch stabilisierende Welt begreift, dass sie immer weniger auf Amerika angewiesen ist, entdeckt Amerika, wie sehr es auf die Welt angewiesen ist. Deshalb stürzt es sich in militärische Aktionen und Abenteuer. Das ist klassisch.

    Klassisch?
    Ja. Die letzte Überlegenheit, wel- che den USA noch bleibt, ist ihr Militär. Das ist klassisch für ein System, welches zerfällt. Den krönenden Abschluss bildet jeweils der Militarismus. Beim Zerfall des sowjetischen Imperiums war der Kontext genau derselbe. Mit der Wirtschaft ging es bachab, und in der Führung kam Angst auf. Der militärische Apparat gewann massiv an Gewicht, und die Russen zogen ins Abenteuer, um ihre wirtschaftlichen Defizite zu vergessen. Die Parallelen zur aktuellen Situation der USA sind offenkundig. Der Prozess hat sich in den letzten Monaten rasant beschleunigt.

    Inzwischen haben sich allerdings acht andere europäische Staaten verlauten lassen, nicht im Sinne der deutsch-französischen Achse.
    Das wirklich Entscheidende ist in Deutschland passiert. Amerika kann sich als alleinige Supermacht nur halten, solange es die Kontrolle über Deutschland und Japan behält, beides sind riesige Kreditoren der USA. Deshalb kann man die historische Bedeutung dessen gar nicht überschätzen, dass ein deutscher Kanzler die Wahlen mit einem Nein zum Irak-Krieg, also mit einem Nein gegen die USA, gewonnen hat.

    Geklaut von: nzz.de
    Das gesamte Interview.
    Noch was zum Terrorismus:

    Der Untergang des amerikanischen Reiches
    Der Irak-Krieg wird bei Todd zum letzten Versuch, "im Zentrum der Weltordnung zu bleiben". Doch das Böse mit Bomben bekämpfen, die Demokratie durchdrücken - dieses hegemoniale Gehabe lässt sich in einer Welt nicht mehr aufrecht erhalten, die dabei ist, wie Todd meint, sich neu zu organisieren. Und zwar an den USA vorbei. Todd sieht die Weltgemeinschaft auf Demokratisierungskurs - und selbst der Terror sei nur ein vorläufiges Phänomen. Denn anhaltender Geburtenrückgang und fortschreitende Alphabetisierung der arabischen Bevölkerung führten zwangsläufig zu demokratischeren Systemen - ganz so, wie es die europäische Geschichte lehrt. Revolutionen und blutige Auseinandersetzungen waren allerdings auch hier eine "notwendiger Teil des Wandels", glaubt Todd.

    Geklaut von: 3sat.de/kulturzeit/
    Interessante Thesen. Die ftd schrieb übrigens vor einem Monat: "US-Handelsdefizit erreicht neuen Rekord".

    Es ist mal schön was anders als immer dieses kurzsichtige Öl - Argument zu lesen.
    "Both destiny's kisses and its dope-slaps illustrate an individual person's basic personal powerlessness over the really meaningful events in his life: i.e. almost nothing important that ever happens to you happens because you engineer it. Destiny has no beeper; destiny always leans trenchcoated out of an alley with some sort of Psst that you usually can't even hear because you're in such a rush to or from something important you've tried to engineer."

  2. #2
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    wie meinen "Kontrolle über Deutschland und Japan behält" was ist dar rann so wichig
    "Da hast DU mein Klagen in Tanzen verwandelt hast mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet." Psalm 30,12

    "Die Zeit, GOTT zu suchen, ist dieses Leben, / die Zeit, GOTT zu finden, ist der Tod, / die Zeit, GOTT zu besitzen, ist die Ewigkeit." (Franz von Sales)

    "Nein, die Überforderung aus Prinzip verhindert die Banalisierung des Christentums. Was erfüllbar ist, ist banal. Der menschliche Geist erlahmt, wenn er sich nicht unerfüllbare Ziele setzt. " (Martin Mosebach)

    "Was der heutigen Welt trotz allen äußeren Glanzes, ihrer Erfindungen und Wirtschaftswunder fehlt, ist jenes Mindestmaß an Güte, Mütterlichkeit, Erbarmen, Takt und Zartgefühl, welches der Welt des Mannes durch die Frau zugeordnet ist." (Gertrud von Le Fort)

    "Ich bin katholisch, und das ist auch gut so. Ich habe mir die Sache nicht ausgesucht. Sie ist mir in mein Gemüt gelegt, von Kindheit an, so sehr, dass sie mir vorkommt wie angeboren...Tief in mir verwurzelt." (Matthias Matussek)



  3. #3
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    @Loser: Die USA werden sicher "noch" nicht untergehen und falls doch, ziehen sie die ganze Welt mit in den Abgrund.

    Wir würden es in Europa noch am ehesten spüren, wenn die USA zusammenbricht. Die BRD wird unweigerlich mit untergehen. Das Schicksal Deutschlands ist seit 1945 an das der USA gebunden und zumindest wir können nicht mehr ohne sie existieren.

    Des weiteren: Jedes Imperium das untergeht verschlingt bevor es das tut seine schwachen Nachbarn und bricht dann zusammen.

    Es ist einzig und alleine Michail Gorbatschow zu verdanken, dass die Welt nicht mit der Sowjetunion untergegangen ist. Es gab hochrangige Militärs die dafür waren kämpfend unterzugehen und die hätten sie auch zweifellos durchgesetzt, wenn ein anderer Generalsekretär als Gorbatschow an der Macht gewesen wäre.

    Ich hoffe nur das die USA in 20-30 Jahren (Länger werden sich die USA sicher nicht mehr als größte Supermacht halten können) wenn es vermutlich soweit sein wird, eben einen solch besonnenen Menschen an der Spitze haben. Falls nicht gehen wir alle drauf...

  4. #4
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    Nun, dafür basteln wir uns doch mal eben ein Szenario: Nehmen wir an, die USA würden von heute auf morgen verschwinden; wie wirkt sich das faktisch auf die BRD aus?

    1.) Unser Exportvolumen in die USA sinkt, was zu Handelseinbußen führt. Allerdings entfallen auch die Importe, wodurch die deutsche Wirtschaft genötigt ist, dies durch Eigenleistung auszugleichen.

    2.) Es würde einen Rückstrom vieler in die USA abgewanderter Fachkräfte geben. Diese überschwemmen aufgrund ihrer Spezialisierung vermutlich nicht den Arbeitsmarkt, erhöhen aber unsere Technologieleistung. Nicht zuletzt deshalb, weil sie Knowhow, welches vorher als tacit knowledge galt, nun aktiv einbringen können (bzw. müssen, um sich neu zu etablieren).

    3.) Durch den Wegfall der Weltpolizei USA sind sämtliche Bündnisse gezwungen, enger zusammenzuarbeiten. Davon profitieren sämtliche Bündnismitglieder, auch wenn es sicherlich anfängliche Koordinationsschwierigkeiten gibt.

    Fazit: Wenn sich die USA nicht entschließen, während ihres Niedergang noch alles abzuschießen, was den Geigerzähler rattern läßt, wird es die Welt verschmerzen und für sich zu nutzen wissen.
    <span style='font-family:Arial'><span style='font-size:8pt;line-height:100%'>Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
    I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
    (Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)</span></span>

  5. #5
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    Es entspricht einfach dem Lauf der Zeit, dass mächtige Nationen kommen und gehen. Vor 2000 Jahren waren es die Römer,im Mittelalter die Spanier und im 19. Jahrhundert die Briten, im 20. die USA und die UdSSR. Irgendwann werden auch die USA an Bedeutung verlieren und einer anderen Supermacht die führende Rolle in der Welt überlassen müssen. Allerdings wird dies wohl noch ein Weile dauern. Eine Macht der Zukunft isr für mich ganz klar China. Ob das allerdings rosige Zeiten für die Welt bedeutet wage ich zu bezweifeln.

  6. #6
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    Originally posted by captainjellico@19.03.2003, 23:49
    Eine Macht der Zukunft isr für mich ganz klar China. Ob das allerdings rosige Zeiten für die Welt bedeutet wage ich zu bezweifeln.
    Nun, die reformistischen Bestrebungen in China sind recht stark, und dürften sich noch verstärken, wenn die mächtigen Gegenpole entfallen. Mit anderen Worten: Wenn weniger äußere Stärke demonstrieren muß, kann die innere Strenge reduziert werden. China hat im Gegensatz zu den bisherigen Supermächten seine Ideologie eher als Hauslösung gesehen und weitaus weniger Sendungsbewußtsein an den Tag gelegt.

    Schlimmer als damals mit der UDSSR und jetzt mit den USA würde es sicherlich nicht werden.
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  7. #7
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    Es wird sich jedenfalls viel ändern und es muss ja nicht alles negativ sein.

    Nur wenn ich mir anschaue wie dieses Jahrhundert beginnt, wird mir ehrlich gesagt schlecht wenn ich weiter denke. Der Trieb der Menschen sich gegenseitig zu vernichten ist offenbar nicht zu besiegen und wird wieder zunehmend stärker. Es wird einmal zeit, dass eine Gefahr auf die Menschheit zukommt, die wir nur gemeinsam besiegen können. Dadurch würden wir endlich einmal merken das der Zusammenhalt wichtig ist. Leider merken wir das immer nur, wenn unserer Spezies deutlich dezimiert wird und es eigentlich schon zu spät ist.

    Der Anfang des letzten Jahrhunderts war im vergleich zu diesem sehr friedlich. Wenn wir das letzte weiter so Toppen wird das 21. das letzte der Menschheit werden...

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