Ergebnis 1 bis 12 von 12

Thema: Die Schatten in seinen Augen

  1. #1
    Wiederholungstäter
    Dabei seit
    21.11.2002
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    45

    Standard

    Eins nur vorweg, diese Story ist schon ein paar Jahre alt und wurde als Beitrag
    zu einem Wettbewerb geschrieben, bzw. umgeschrieben. Sollte sie dem Einen
    oder der Anderen also bekannt vorkommen, liegt das daran, dass sie sowohl
    auf meiner Homepage, als auch auf der damaligen Wettbewerbsseite zu finden
    war.



    Die Schatten in seinen Augen

    Fahrig schnippte sich der ältere Herr mit den ergrauten Schläfen ein imaginäres Stäubchen von seinem Anzug.
    Grau war er, der Anzug, wie auch sein Träger, und schien auch ebenso alt zu sein.
    Oder auch viel älter.
    Zu alt jedenfalls, zeitlos zu wirken.
    Alt genug aber, einen Hauch von Würde oder auch Nostalgie zu verbreiten.

    Wann und wo er ihn gekauft hatte, ja, ober ihn überhaupt gekauft hatte, wusste der kleine, graue Herr schon lange nicht mehr.
    Oft überkam ihn das Empfinden, als sei der Anzug ein Teil seiner selbst.
    So wie auch die abgegriffene, lederne Aktenmappe, die sich nie weiter als Armeslänge von ihm zu entfernen schien.
    Der ältere, graue Herr dachte nicht oft über diese Dinge nach. Solange der Anzug gut gereinigt und appretiert war, die Aktenmappe alles enthielt, was er für seine kleinen Tauschgeschäfte brauchte, waren sie keinen zweiten Gedanken wert.
    So wie jeder Blick in einen Spiegel unnötig war.

    Alles von Belang hatte sich bereits vor langer Zeit in Spiegeln, Teichen und Glasscherben, Strassenkreuzern oder erwartungsvollen Augen gespiegelt.
    Jeder wichtige Gedanke, war schon vor langer Zeit zuoft gedacht und verworfen worden.
    Keiner dieser Gedanken hätte das Schicksal aus seiner Bahn werfen können.

    Es gab also nicht viel neues an dem alten Anzug eines alten Mannes.
    Höchstens Regentropen oder Staub, und geregnet hatte es seit langer Zeit schon nicht mehr.
    So war es also der Staub, der die gewohnte Symmetrie störte.
    Aber all dies war für den alten, grauen Herrn keinen Gedanken wert, solange seine Geschäfte, diese kleinen Tauschhändel, die er schon seit so langer Zeit betrieb, so schlecht gingen.
    Alles immaterielle, sich auf Treu und Glauben stützende, war nicht populär in dieser neuen, schnellen Zeit.

    Ein Anflug von Sehnsucht erfasste ihn und ein kleines, kaum wahrnehmbares Lächeln spielte auf seinen schmalen, grauen Lippen, denen man ansah, dass sie nicht mehr viel übung darin hatten.
    Was sollte es auch auf Erden geben, über das er nicht schon viel zu oft gelacht hätte.
    Viel zu oft hatte er sich an kleinen Dingen erfreut, etwas seltener an den grösseren Ereignissen, aber auch derer waren es schon zu viele.
    Und es hatte nicht den Anschein, als würde es diese Dinge nicht noch bis in alle Ewigkeit geben.

    Vorsichtig stellte der kleine, alte Herr mit den ergrauten Schläfen seinen abgegriffene, ledernen Aktenkoffer neben sich auf den Gehsteig.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit, seit wann eigentlich, sah er die Spiegelung seiner Erscheinung in einer Lache aus Aufwischwasser, die sich langsam auf dem Gehsteig ausbreitete.
    Langsam, bedächtig und gerade so vorsichtig, als könne sie zerbrechen wie Glasfäden, strich er eine graue Haarsträhne fort, die sich unbotmässig über seiner Stirn bewegte.
    Grau war dieses Haar und noch immer so borstig, wie schon seit viel zu langer Zeit.
    Wie viele Schattierungen und Farben hatte sein Haar nicht schon gehabt. Wie viele Gesichter, alte und junge, hatten ihn nicht schon bei diesen seltenen, ihm fast peinlichen Gelegenheiten angeschaut.

    Mehr oder weniger fremd waren sie immer und mit aller Kraft und Routine drängte er diese Erinnerungen zurück.
    So löste er sich ohne grosses Widerstreben von seinem Spiegelbild, das sich immer noch gedankenverloren durch die Haare strich.
    Die kleine, gepflegte Hand nahm den alten, abgegriffenen Lederkoffer wieder auf und der alte, graue Herr setzte sich wieder in Bewegung, auf der Suche nach neuen, alten Geschäften.

    Er war Verkäufer und Tauscher und verkaufte Dinge, die es sonst nirgendwo auf der Welt noch zu kaufen gab.
    Doch selbst mit einem unverbrüchlichen Monopol auf seiner Seite liefen seine kleinen Geschäfte seit viel zu langer Zeit nicht gut.
    Gerade so, dass es reichte, den alten, grauen Anzug noch einmal reinigen zu können, oder hier und da in seinem kleinen Strassencafe das Schicksal bei einer Tasse Kaffee für kurze Zeit vergessen zu können.


    Vor langer Zeit schon hatte er aufgegeben zu zählen, an wie viele Türen er schon angeklopft hatte, wie viele Klingelknöpfe er schon gedrückt . Immer auf der Suche nach Kunden und Tauschpartnern.
    So lange schon war er auf dieser Reise, die in zu immer neuen Menschen brachte, die ihm ebenso fremd waren, wie er ihnen.
    Menschen, die sich auf subtile Art immer weiter von ihm zu entfernen schienen, von ihm und den kleinen Dingen, die er ihnen zum Kauf oder Tausch anbot.
    Ihn interessierten diese kleinen, bunten Dinge schon lange nicht mehr.
    So alltäglich und profan waren sie für ihn, wie sie für seine Kunden unwahrscheinlich, ja manchmal auch undenkbar waren.

    So in seinen Gedanken verloren kam der unscheinbare, graue Mann ohne es zu bemerken zu dem alten, unscheinbaren Cafe, das für ihn zum Zuhause geworden war.
    Sein einfaches, ja schlichtes Zimmer mit Blick auf einen noch schlichteren Hinterhof, ein gutes Frühstück am Morgen und die meist sehr späte Tasse Tee oder Kaffee, die er sich gönnte, wenn er von seiner endlosen Tour heimkehrte.

    Früh, war es heute, früher als irgendwann sonst, dass er nach Hause kam.
    Einfach aus einem nicht einmal bewussten Gefühl heraus, hatte er seine Schritte an einen Ort gelenkt, der ihm vertraut war. Ein Gefühl, das sich schon so lange rar gemacht hatte, das so vertraut war, dass er es erst spät ausmachen konnte.
    Eine so sanfte Unruhe, ein so federleichtes Kribbeln, dass er es noch kaum spüren konnte.

    Die Sonne, die er nur kannte, wenn sie morgens über den Dächern hinter seinem Fenster erschien und abends in der grossen, jugendstilverzierten Schaufensterscheibe des Cafes unterging, stand noch senkrecht am Himmel.
    Schäbig und abgegriffen wirkten die Häuser rings um ihn, schäbig, wie auch der alte, graue Anzug und die schon wieder staubigen Schuhe.

    Vor dem alten, grauen Mann weitete sich der Gehsteig ein wenig, um einigen weiss lackierten Tischen und Stühlen aus Bastrohr Platz zu bieten, die sich ebenso eng aneinanderdrängten, wie die Häuser in dieser Strasse.
    Mit Bedauern im alten, aber immer noch wachen Blick erkannte er, dass sein Abendbrot und Sonnenuntergangsstuhl, gleich hinter der grossen Scheibe, nicht mehr frei war.
    Ohne Murren wandte er sich einem anderen Tisch, etwas abseits in einer Nische, zu, der ihn vom Trubel des täglichen Publikums abschirmte, ohne das Leben auszusperren, das davon ausging.
    Vorsichtig, als könne es zerbrechen, breitete er sein altes, graues Jackett über den Stuhl, der dem am nächsten stand, den er sich für die nächsten Stunden auserwählt hatte.

    Weder eine Frage, eine Bestellung oder ein anderes, gesprochenes Wort waren notwendig, dass auf dem alten, abgenutzten Tisch vor ihn schon bald eine Tasse mit dampfend heissem Tee stand.
    Mit Genugtuung erkannte er, dass es eben die Tasse war, die ihn schon seit seinem Einzug hier begleitete.
    Oben, gleich am dicken Rand über dem Henkel, fehlte ein winzig kleines Stück der Glasur.
    Ein haarfeiner Riss zog sich, jeden Tag unmerklich weiter, wie es schien, an der Tasse schräg hinab.
    Wie so oft stellte er sich die Frage, wie lange dieses Verhältnis Tasse und Henkel jetzt noch währen mochte, wie es zu dieser Verletzung der Integrität gekommen war.
    Die Antworten hatte er bis heute nie gefunden, so wenig wie die Tasse auf sein stummes Fragen hätte antworten können.
    Ob es irgendjemandem ausser ihm selbst jemals auffallen würde, wenn sie zerbräche?
    Die Antworten, so schien ihm, würde er wohl niemals wissen.

    Mit einem immer stärker werdenden Gefühl, dass dieser Tag anders verlaufen musste, als so endlos viele vorher, wanderte der Blick des kleinen, grauen Mannes zu einem Fleck auf der Tischdecke, die sich allerdings dieses Rendezvous mit einer Kaffeetasse nicht zu schämen schien.

    "Darf ich mich zu Ihnen setzen?"

    Der Blick des alten, grauen Mannes löste sich nur widerwillig aus den Geschichten, die ihm die kleinen Dinge zu erzählen schienen.
    Erfassend, dass sein Tisch tatsächlich der einzige war, an dem noch Plätze frei waren, schaute er sein Gegenüber an, das ihn so unverhofft aus seinen Gedanken gerissen hatte.

    Ein alter, abgewetzter Ledermantel, über einer verblichenen Jeans, die schon an manchen Stellen fadenscheinig wurde und einem längst unmodernen, bunten Flannellhemd, das von dem Mantel fast gänzlich verdeckt wurde.
    Ein Gesicht, jung und offen, blondhaarig und -bärtig schaute erwartungsvoll zu ihm herunter.
    Ein Gesicht, wie er erkannte, voller Leben, aber auch voll von einer Ruhe, die dem alten, grauen Mann so vertraut war.

    Mit einem immer stärker werdenden Gefühl der Erwartung löste er seine kleine, gepflegte Hand von der Tasse und wies stumm, aber mit einem vorsichtig lächelnden Nicken auf den letzten noch freien Stuhl.
    Nur mit Mühe konnte er sich jetzt noch davon zurückhalten, den jungen, bärtigen Mann anzustarren, die Vertrautheit aus seinen Zügen zu lesen, die er schon so lange Zeit vergeblich gesucht hatte.

    "Sie sind Vertreter, richtig?"

    Wieder trafen sich die Blicke der beiden Männer, die scheinbar nicht verschiedener voneinander hätten sein können.
    Den Rest des Tees achtlos auf den Tisch zurückstellend nickte der kleine Mann dem grossen zu, dessen Aufmerksamkeit von der alten, abgegriffenen Tasche des kleinen Mannes wie magisch angezogen wurde.
    Fast vergessen geglaubte Empfindungen begannen, den alten, grauen Mann zu durchfluten.
    Vorfreude, fast schon wie Fieber konnte kaum zurückgehalten werden.
    Aufkeimende Ungeduld, die sich wie ein Sturzbach durch den ganzen Körper ergoss.

    Ein nahezu vergessenes Kribbeln im Bauch, wie jedesmal, wenn er eines seiner kleinen, unscheinbaren Geschäfte machte.
    Vorsichtig, und bedächtig zog er den alten,ledernen Koffer zu sich heran, und hob ihn auf den Tisch.
    Ein Vibrieren schien jetzt von ihm auszugehen.
    Gerade so, als übertrügen sich die Erwartungen und Gefühle des Besitzers auch auf das alte Leder.

    Neugier und Erwartung in Blick und Haltung des jungen Mannes waren jetzt fast körperlich spürbar und so setzte der alte Mann sein ruhiges "wenns-denn-sein-muss" Lächeln auf und liess die beiden Messing-Schlösser des Koffers aufschnappen, drehte sie aber gleichzeitig so, dass der sich öffnende Deckel den Inhalt vor den neugierigen jungen Augen abschirmen würde.
    Trotz des allgegenwärtigen Geräusches vieler Menschen in dem kleinen Cafe, schien sich am Tisch der beiden Männer Stille auszubreiten.
    Eine Stille, in die das Schnappen der Schlösser unnatürlich laut eindrang.

    Die Schwärze, die den Aktenkoffer erfüllte glich aufs Haar der, die auch in der tiefe der alten, grauen Augen wohnte.
    Splitter wie aus gefrorener Dunkelheit, sich langsam an die Oberfläche vortastend.
    Unendlich tief schienen diese Schatten. Bodenlos und unendlich weit entfernt von Gut oder Böse.

    Als die Hand des kleinen, grauen Mannes sich langsam in die Schatten hineinsenkte, begann die Dunkelheit zu lächeln.
    Scheinbar wissend, dass ein altes, fast vergessen geglaubtes Spiel von neuem zu beginnen versprach.
    Laut sichtbar protestierten die jungen, blauen Augen des jungen, blonden Mannes gegen ihre Aussperrung.

    "Mächtig spannend machen Sie es da, Mann."

    Und so begann es wirklich, dieses dunkle, alte Spiel des alten, grauen Mannes.
    Dieses Spiele mit dem Drang des Menschen, alles erfahren zu müssen, und sei es der eigene Untergang.
    Die kleine, schlanke Hand bewegte sich zielsicher durch die Schattensplitter, wohl wissend, wo sie suchen musste.
    Behutsam zugreifend, sanft umfassend förderten die sensiblen, alten Finger ein kleines Etwas aus der Schwärze.
    Und so wie die Schatten eine kleine, runde Dose freigaben, wurde aus dem schwarzen Lächeln ein leises, wissendes Lachen.

    Die Augen des jungen, bärtigen Mannes weiteten sich zu einem Starren, neugierig und erwartungsvoll, einzig noch dominierend und leuchtend in diesem jungen, unbedarften Gesicht.
    Unaufhaltsam angetrieben von einem Drang, den ergar nicht erst versuchte zu erklären, griff der junge Mann langsam nach der runden, bunten Dose.

    Ein verworrenes, scheinbar mit Sprüngen überzogenes Rädermuster bedeckte deren Deckel.
    Ein fremdartiges, lebendiges Muster,einer Mandala ähnelnd, das die Augen des jungen, neugierigen Mannes mit unwiderstehlicher Macht band.
    Die Faszination der Unwissenheit und etwas, das sich jeglicher Erklärung widersetzte hielten die Augen und den Geist des neugierigen, jungen Mannes fest während sich das fremdartige Muster scheinbar zu drehen begann.
    Eine hypnotische, besitzergreifende Bewegung, die kaum auszumachen schien.

    Eine Bewegung, die von den tiefen, wissenden Augen des jetzt gar nicht mehr so unbeteiligt wirkenden, alten Mannes mit dem Wissen aufgenommen wurde, dass sich jetzt endgültig ein neues, schon fast sicheres Geschäft entspann.
    Sanft, doch unwiderstehlich wurde der Geist des jungen, bärtigen Mannes jetzt von der pulsierenden, sich langsam drehenden Mandala gefesselt.
    Eine Fessel wie aus Seide, weich und einschmeichelnd, doch nicht zu überwinden.

    Vorsichtig übernahmen die Augen des alten, gar nicht mehr so grau wirkenden Mannes die Bewegung des Rädermusters auf und setzten sie weit im Inneren seines Geistes auf die alte, wohlbekannte Weise fort, zogen langsam aber unnachgiebig die gespannte, jetzt vollständige Konzentration des jungen, gefesselten Mannes in sich hinein.

    Mit unendlicher, uralter Behutsamkeit lenkten die Augen des alten, erwartungsvollen Mannes den Fokus der Aufmerksamkeit vom Rädermuster des bunten, rissigen Dosendeckels hin zu den tiefen Abgründen, die sich in seinem Geist aufzutun begannen.
    Schon in der nächsten Sekunde hatten sich die Blicke der beiden so unterschiedlichen Männer getroffen und ihre zwei jetzt nachgerade gleichgerichteten Bewustseine begannen, langsam ineinander hineinzufallen.

    Der Schrecken, der durch alle Windungen eines jungen, unvorsichtigen Geistes brandete, war das Erste, was in die rotierende Mandala in den Augen des älteren hineinstürzte.
    Schrecken, Furcht, namenloses Entsetzen, gepaart mit dem aufkeimenden Verstehen dessen, was jetzt begann, waren das Erste, das von dem hungrigen, alten Geist absorbiert wurde.

    Übrig blieb ein offenes, fliessendes Sein, dass langsam in den wirbelnden Sog der Mandala hineingezogen wurde.
    Und zum ersten Mal in seinem kurzen, ereignislosen Leben war der junge Mann nicht mehr allein.
    Ein anderer, freundlicher Geist, ein Leben so alt wie die Welt, strömte an ihm vorbei.
    Die endlose Brandung der Zeit hatte Gut und Böse in diesem Bewusstsein schon vor Ewigkeiten zu etwas abgeschliffen, was jenseits von beiden lag.
    Immer tiefer fiel das Wesen des jungen Mannes in die Tiefe einer Seele, die wahrhaftig schon alles gesehen hatte, was es auf der Welt zu sehen gab, alles Mögliche schon durchlebt hatte.

    Vorbei an Bildern von Leben, aufgereiht wie eine Galerie der Ewigkeit.
    Vorbei an Erfahrungen für die tausende von Leben nicht ausreichen würden, sie zu machen.
    Der Fall war scheinbar die Rückentwicklung eines auch in dieser schnellen, verkehrten Reihenfolge und Ausrichtung nicht enden wollenden Lebens.
    Nur leicht und vorsichtig gebremst durch die äonenalte Selbstsicherheit, das ruhige Wissen und die Erfahrungen eines Wesens in der scheinbar ewigen Mitte seines Daseins.
    Zu gewaltig, als dass das Staubkörnchen eines jungen, gefesselten Geistes auch nur Einzelheiten aus diesem endlosen Fluss hätte festhalten, betrachten können.

    Grelle, räderförmige Blitze waren die ständigen Begleiter dieser tiefen Reise.
    Immer schneller aufeinanderfolgend, heftiger werdenden, je weiter die scheinbar endlose Reise vorbei an den Tiefen dieses Bewusstseins andauerte.
    Begleitet von einem unstillbaren, uralten Hunger, der sich in seiner Haltlosigkeit immer mehr steigerte, je weiter das junge, überforderte Bewusstsein in den alten, abgeklärten Geist eindrang.

    Dann ganz plötzlich und unerwartet die schnelle, unfassbar kurz scheinende Erfahrung einer Jugend, angefüllt von diesem widernatürlichen Hunger und Kaskaden von Räderblitzen, jagender Ruhelosigkeit und der bohrenden Angst vor dem immer unvermeidlicher werdenden Alleinsein.
    Schliesslich blieb nur noch das Gefühl eines ruhigen Dahingleitens und der Erwartung des Unbekannten, Unwägbaren, das noch kommen sollte.

    Noch lange bevor der Geist des jetzt gar nicht mehr so jungen Mannes verstanden hatte, was mit ihm vorgegangen war, erhellte ein grelles, räderförmiges Licht die jetzt leeren, öden Tiefen eines fremden, alten Körpers und hinterliess ein wohlbekanntes Gefühl des Alleinseins.
    Nur endlos langsam fand der junge, gequälte Geist den Weg zu den müden, alten Augen, aus denen das Muster der Mandala für alle Zeit gewichen war.

    Sah auf fremde, alte Weise wie ein junger, bärtiger Mann, gekleidet in ein Paar verwaschene, fast fadenscheinige Bluejeans und einen schon rissig werdenden Ledermantel, der das bunte Flannellhend fast gänzlich verdeckte, schwach lächelnd auf eine kleine, wohlbekannte Dose hinabschaute.
    Der schwache, sich langsam regende Protest gegen das, was geschah fand nicht den weiten Weg zu den fremden, alten Lippen und verhallte ungehört in der Leere eines alten, wieder sehr grauen Körpers.

    Der junge, erfahrene Mann hob seinen Koffer auf, öffnete ihn auf eine Art und Weise, die der unwissenden Allgemeinheit den Blick in sein Inneres verwehrte und übergab eine kleine, bunte Dose den dort wartenden Schatten.
    Die Schatten brüllten ein lautloses, wissendes Lachen hinaus in die ahnungslose Welt, krümmten sich beinahe vor Freude über ein gelungenes, heute seltenes Geschäft.

    Lange nachdem der junge, bärtige Mann gegangen war, ja schon lange nachdem die Sonne über der kleinen, staubigen Strasse untergangen war, sank der Blick des alten, grauen, traurigen Mannes hinab zu dem unbekannten Riss in einer unbekannten Tasse.
    Und jetzt endlich fand das Entsetzen seinen Weg und brach sich seine Bahn als greller, nicht enden wollender Schrei.




    .....und irgendwann erklärt diesem alten Sack mal so'n Jungdynamiker, wie er so 'ne verf***te Sig pimpen kann.........

  2. #2
    Furie Avatar von Simara
    Dabei seit
    08.10.2002
    Ort
    Ba-Wü
    Beiträge
    3.579

    Standard

    Hmm... diese Geschichte ist interessant.
    Aber vom Erzählstil her nicht so mein Fall. Aber das ist Geschmackssache. Vielleicht bin ich auch "zu einfach strukturiert" für diesen Erzählstil.
    Mir kam es so vor, als wären immer wieder Wiederholungen drin. Der graue unscheinbare Mann, der graue unscheinbare Mann mit seinem alten Anzug, der alte Anzug um den grauen unscheinbaren Mann. Ich frage mich dann immer, warum sich daran aufgehangen wird. Aber wie gesagt, ist Geschmackssache. Ich mags "leichter".

    Durch diese ganze ausführliche Beschreibung des alten unscheinbaren grauen Mannes hab ich dann fast die Aussage der Geschichte überlesen.
    Kann es sein, dass durch die Dose, die Seelen der beiden Männer die Körper gewechselt haben?


    Staffel II (2) dienstags im Nachtprogramm auf Pro7MAXX (Doppelfolgen)

    Staffel XII (12) montags 21:05 Uhr auf Pro7MAXX


    Staffel XIII (13) montags 20:15 Uhr auf Pro7MAXX

    Staffel XV (15) donnerstags auf CW

  3. #3
    Wiederholungstäter
    Dabei seit
    21.11.2002
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    45

    Standard

    So ganz überlesen hast Du's ja dann wohl doch nicht
    Und richtig, der Stil ist künstlich "gebremst" und mehr als
    nur ein wenig geschraubt. Aber das ist genau so beabsich-
    tigt, weil dann genau der Effekt eintritt, der dich etwas
    irritiert hat: Man ist irgendwann am Ende, und wenn man
    nicht ganz genau aufgepasst hat, verpasst man den bösen
    Schluss.
    Und, klar, danke fürs Lesen.




    .....und irgendwann erklärt diesem alten Sack mal so'n Jungdynamiker, wie er so 'ne verf***te Sig pimpen kann.........

  4. #4
    Dauerschreiber Avatar von Mara
    Dabei seit
    10.10.2002
    Ort
    Nähe Stuttgart
    Beiträge
    940

    Standard

    Ein tolles Beispiel dafür, dass man keine Weltraumschlachten und Superhelden braucht, um eine spannende Geschichte zu schreiben. Obwohl es allerhöchstens Spuren von Action gab, hat mich "Die Schatten in seinen Augen" von der ersten bis zur letzten Zeile gefesselt. -

    mfG
    Mara (die jetzt deprimiert vor dem PC sitzt und überlegt, ihre eigenen Geschichten ins Datennirvana zu schicken, weil sie selbst sowas nie zustande bringen wird )

  5. #5
    Wiederholungstäter
    Dabei seit
    21.11.2002
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    45

    Standard

    Huh, danke *rotwerd*.
    Deprimierend ist höchstens, dass das
    Ding schon 10 Jahre alt ist, und ich damals
    schon ein alter Sack war, gemessen am
    Durchschnitt hier im Forum

    Schick mir doch mal was von Dir, dann
    werden wir sehen, was man draus machen
    kann.




    .....und irgendwann erklärt diesem alten Sack mal so'n Jungdynamiker, wie er so 'ne verf***te Sig pimpen kann.........

  6. #6
    Dauerschreiber Avatar von Mara
    Dabei seit
    10.10.2002
    Ort
    Nähe Stuttgart
    Beiträge
    940

    Standard

    Das Problem ist, dass bisher noch keine meiner Stories überhaupt einen Zustand erreicht hat, in dem ich sie auf die Menschheit loslassen könnte, ohne mich für den Rest meines Lebens vor Scham im dunkelsten Winkel meines Kellers verstecken zu müssen...
    Nee im Ernst, mir geht jedes Mal bei ca 4/5 der Geschichte irgendwie die Luft aus. Mal schaun, ob es bei meinem aktuellen Versuch besser klappt. Wenn ja, kommt das Ergebnis hier ins Storytelling

  7. #7
    Deaktiviert
    Dabei seit
    07.10.2002
    Beiträge
    73

    Standard

    N'abend,

    ich war für 'nen Moment am Überlegen, ob ich meinen Kommentar schreibe, ohne die Meinung anderer zu deinem Text zu lesen. Gut, dass ich's nicht gemacht habe. Sonst wäre ich jetzt noch davon ausgegangen, dass der für meinen Geschmack schleppende Erzählstil deiner Geschichte ein Ausrutscher ist, anstatt ein absichtlich mit 'rein gebrachtes Mittel für den richtigen Effekt.

    Mag sein, dass ich dir Unrecht tue, indem ich die Geschichte mit 'ner anderen vergleiche. Kunst ist individuell, und nicht mit anderer Kunst auf eine Ebene zu stellen, auch nicht für einen Vergleich. Ich tu's trotzdem.

    Ich hab' beim Lesen der ersten Absätze den Eindruck bekommen, ich hätte "Sansibar oder der letzte Grund" vor mir, ein Buch, in dem mir der Autor 'ne depressive Stimmung beschreibt; eines, in dem ich unter anderem Kälte, Härte und Erschöpfung erfahre. Das ist nicht mein Geschmack, von derart Negativem halte ich wenig. Im Gegensatz zu "Sansibar oder der letzte Grund" ändert sich das im letzten Drittel deiner Geschichte, die Handlung wird spannend, und du treibst sie anscheinend schneller voran als zu Anfang der Story. Der junge Mann, der "Geschäftspartner" des Alten wird, bringt mir 'ne schöne Prise Würze in das Finale.

    Das gefällt mir zwar, wird aber dadurch in den Hintergrund gegrängt, dass du's meiner Meinung nach mit Aufzählungen, Relativsätzen und den mehrmals wiederholten Satzteilen übertrieben hast. Die lassen den Text besonders während des geilen Endes schwer verdaulich erscheinen.

    Alles Weitere, was ich jetzt schreiben könnte, hat Mara schon auf den Punkt gebracht: "Ein tolles Beispiel dafür, dass man keine Weltraumschlachten und Superhelden braucht", und ich ergänze mal frei, "um Science Fiction zu produzieren."

  8. #8
    Treuer SpacePub-Besucher Avatar von Estefan
    Dabei seit
    07.10.2002
    Beiträge
    277

    Standard

    Ein Gesicht, jung und offen, blondhaarig und -bärtig schaute erwartungsvoll zu ihm herunter.
    Ein Gesicht, wie er erkannte, voller Leben (...)
    Nur mit Mühe konnte er sich jetzt noch davon zurückhalten, den jungen, bärtigen Mann anzustarren (...)
    Fast vergessen geglaubte Empfindungen begannen, den alten, grauen Mann zu durchfluten.
    Vorfreude, fast schon wie Fieber konnte kaum zurückgehalten werden.
    Aufkeimende Ungeduld, die sich wie ein Sturzbach durch den ganzen Körper ergoss.

    Ein nahezu vergessenes Kribbeln im Bauch, (...)
    Öhm... entschuldigung... eine etwas depektierliche Frage: Ist der alte graue Mann homosexuell?
    Ich persönlich fände die Erzählung irgendwie nachvollziehbarer, wenn statt eines jungen bärtigen Mannes eine hübsche junge Frau zu ihm käme...

    Rein interessehalber - ansonsten finde ich die Geschichte recht gut.
    Radiaton... too much radiation...

  9. #9
    Furie Avatar von Simara
    Dabei seit
    08.10.2002
    Ort
    Ba-Wü
    Beiträge
    3.579

    Standard

    Ich bin zwar nicht der Autor, aber der alte Mann ist meiner Meinung nach nicht homosexuell.

    Er freut sich zwar auf den Körper des jungen Mannes. Aber nicht in Bezug auf Sex mit ihm, sondern weil der junge Körper bald ihm gehört .... also weil es bald sein (alter Mann) Körper sein wird --> Seelentausch/Körpertausch.
    Und er erinnert sich an Gefühle, die er in einem jungen Körper gehabt hat und bald wieder haben wird.
    So hab ich das zumindest gesehen.

    Ich fände es nicht so gut, wenn das Gegenüber des alten Mannes eine Frau wäre. Passt schon so. Es geht ja nicht um Sex.

    Es sei denn ich hab was falsch verstanden.

    Thomas ... ?


    Staffel II (2) dienstags im Nachtprogramm auf Pro7MAXX (Doppelfolgen)

    Staffel XII (12) montags 21:05 Uhr auf Pro7MAXX


    Staffel XIII (13) montags 20:15 Uhr auf Pro7MAXX

    Staffel XV (15) donnerstags auf CW

  10. #10
    Wiederholungstäter
    Dabei seit
    21.11.2002
    Ort
    Remscheid
    Beiträge
    45

    Standard

    Jepp, korrekt Simara.

    @Estefan
    Jetzt hab ich mir das Ding noch und nöcher durchgelesen,
    aber irgendwie ist mir schleierhaft, wie Du auf diese Idee
    kommen konntest.
    Nix für ungut.




    .....und irgendwann erklärt diesem alten Sack mal so'n Jungdynamiker, wie er so 'ne verf***te Sig pimpen kann.........

  11. #11
    Treuer SpacePub-Besucher Avatar von Estefan
    Dabei seit
    07.10.2002
    Beiträge
    277

    Standard

    Hmmmh ich hatte den Eindruck, dass bei der Annäherung der beiden Männer und der Austauschszene irgendwie ein sexueller Beiklang dabei war...
    Vielleicht hab ich in bestimmte Wendungen zuviel reininterpretiert...
    Radiaton... too much radiation...

  12. #12
    Treuer SpacePub-Besucher Avatar von Estefan
    Dabei seit
    07.10.2002
    Beiträge
    277

    Standard

    Hmmh ich habe grade die Kurzgeschichte "Der Wohltäter" von H.G. Wells gelesen und die hat mich stark an die hier erinnert...

    Allerdings sterben im "Wohltäter" ein paar Tage nach vollzogenem Körpertausch beide, Alter und Junger, aufgrund anderer Gegebenheiten...

    Auch sind dort die Umstände etwas anders, so sind die Handelnden bei Wells "realistischer", der Junge ist ein junger Streber, der Alte hat direkt kriminelle Energie, und Beides trägt zum Ergebnis des gewissen Abendessens bei......

    Die Geschichte von Thomas hat eher etwas Traumhaftes, finde ich. Ist eine andere Variation des Themas, was aber nicht schlecht ist...
    Radiaton... too much radiation...

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Ähnliche Themen

  1. Die Schatten des Mars
    Von frankh im Forum Literatur, Comics, Selbstgeschriebenes & Fanfiction
    Antworten: 3
    Letzter Beitrag: 18.09.2008, 21:01
  2. Augen-Laserbehandlung
    Von DRD Pike im Forum Offtopic: Kultur, Politik, Wissenschaft und mehr
    Antworten: 8
    Letzter Beitrag: 14.04.2005, 15:25
  3. B5 | 5.19 | Augen aus Feuer (Wheel of Fire)
    Von Kaff im Forum BABYLON 5: Episoden und TV-Filme
    Antworten: 0
    Letzter Beitrag: 20.02.2005, 18:00
  4. Planetennamen der Schatten ?
    Von Fisheye im Forum BABYLON 5: Alle Serien & Filme
    Antworten: 11
    Letzter Beitrag: 08.05.2004, 16:39
  5. Spice-Augen ...
    Von MinasTirith im Forum Fandom-Geplauder, Conventions & Events
    Antworten: 8
    Letzter Beitrag: 13.11.2001, 15:05

Als Lesezeichen weiterleiten

Als Lesezeichen weiterleiten

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •