ob und wie gesund die kürzlich beschlossene gesundheitsreforum für deutschland ist, lässt sich momentan nur anhand der dazu lesbaren texte beurteilen. ich denke ja immer, daraus kann man außer extrem offensichtliche problemen nicht viel erkennen, weil so etwas ohne im alltäglichen leben integriert zu sein, selbst für spekulatiionsweltmeister im letztlichen effekt noch kaum nachspürbar ist.

einige ideen sind grundsätzlich gut-allerdings würden sie ohne eine entlastende ausgleichende idee für den kranken ausschließlich belastung darstellen. in manchen fällen ist diese ausgleichsidee gegeben, in anderen nicht oder zumindest nicht offensichtlich.
allerdings kann man sich bei gesetztestexten wie schon gesagt nicht allein auf die offensichtlichkeit verlassen. besonders wenn der blick auf die texte von den in den letzten monaten durch medien aufgebauschten hiobsbotschaften getrübt ist.

davon unbeeinflusst -wie seht ihr die situation jetzt, da man diese reform als beschlossen sehen kann und sich nicht mehr auf medienwillkür verlassen muss?


die änderungen in äußerst knapper form:


Eintrittsgeld

Krank sein wird teuer: Wer seinen Hausarzt konsultiert, zahlt künftig ein "Eintrittsgeld" von zehn Euro für den Besuch - allerdings nur einmal im Quartal. Wird direkt und ohne Überweisung ein Facharzt konsultiert, fallen bei jedem Arztbesuch zehn Euro an.

Zudem zahlen Patienten bei Krankenhausaufenthalten künftig zehn Euro pro Behandlungstag - maximal aber 280 Euro. Für alle Zuzahlungen gilt zusammen eine Obergrenze von zwei Prozent des Brutto-Jahreseinkommens, für chronisch Kranke ein Prozent. Kinder sind von den Gebühren befreit. Obendrein können Eltern je Kind einen Freibetrag von 3500 Euro anrechnen.

Insgesamt werden die Versicherten durch die Zuzahlungen mit 3,3 Milliarden Euro belastet.


Zahnersatz

Strittig bis zum Schluss war der Zahnersatz: Seehofer und Schmidt haben sich nun darauf geeinigt, dass Versicherte ab 2005 eine separate Zusatz-Versicherung für die "Dritten" abschließen sollen. Diese Leistung soll sowohl von gesetzlichen als auch von privaten Kassen angeboten werden. Für den Zahnersatz gilt eine Versicherungspflicht. Die Kosten für die Versicherten dürften pro Jahr bei 90 Euro oder mehr liegen.


Krücken und Brillen

Für Heilmittel wie Krücken oder Rollstühle sind künftig zehn Euro Zuzahlung fällig. Brillen werden nicht mehr bezuschusst. Sehhilfen erstattet die Kasse nur noch für Jugendliche bis 18 und schwer Sehbehinderte.

Obendrein werden Taxifahrten zum Arzt nur noch in Ausnahmefällen erstattet. Gestrichen aus dem Kassen-Katalog werden auch Sterbegeld, Sterilisation aus nicht-medizinischen Gründen und Entbindungsgeld. Künstliche Befruchtung wird nur noch eingeschränkt bezahlt. Eine Reihe von rezeptfreien Medikamenten wird nicht mehr bezahlt.


Tabaksteuer

Um einen Teil der Reform zu finanzieren soll die Tabaksteuer in den Jahren 2004 und 2005 in drei Stufen um insgesamt einen Euro je Päckchen Zigaretten angehoben werden.

Mit den Einnahmen sollen versicherungsfremde Leistungen, wie Sterbegeld oder Sterilisation, finanziert werden, die bisher von der gesetzlichen Kassen übernommen werden.


Krankengeld

Das Krankengeld soll künftig von den Arbeitnehmern allein finanziert werden. Der neue "Sonderbeitrag" entspricht 0,5 Beitragspunkten und soll ab 2007 erhoben werden.

Der Beitrag der Arbeitnehmer steigt damit um fünf Milliarden Euro - so viel kostet das Krankengeld. Bisher hatten Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge jeweils zur Hälfte getragen.


Medikamente

Die Pillenflut wird nicht gestoppt: Die geplante Positivliste für Medikamente wurde gekippt. Mit ihr wollte Schmidt die Zahl der Medikamente, die von den Kassen bezahlt werden, auf 20.000 halbieren.

Einziger Wehrmutstropfen für die Pharma-Lobby: Nicht verschreibungspflichtige Medikamente sollen künftig aus dem Leistungskatalog der Kassen gestrichen werden. Das Sparpaket sieht weiterhin vor, die Rabatte der Hersteller für verschreibungspflichtige Arzneimittel 2004 von sechs auf 16 Prozent auszuweiten. Neue, aber wenig nutzbringende patentgeschützte Arzneimittel werden zudem mit einem Festpreis belegt.


Apotheken

Relativ ungeschoren kommen auch die Apotheken davon: Der Versandhandel mit Medikamenten soll nur mit Einschränkungen zugelassen werden. Zudem sollen Apotheker künftig bis zu vier Apotheken besitzen dürfen. Ketten bleiben aber weiter verboten

Bürokratie

Von der angekündigten "Strukturreform" ist nicht mehr viel übrig geblieben: Nicht durchsetzen konnte sich Schmidt mit dem Vorschlag, direkte Honorarverträge zwischen Ärzten und Kassen zuzulassen, um so das Monopol der kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zu brechen. Im Gegenteil: Mit der Verrechnung des neuen "Eintrittsgeldes" bei Arztbesuchen bekommen die KV-Bürokraten noch eine weitere Aufgabe.

Auch das geplante "Zentrum für Qualität in der Medizin", das die Qualität und Wirksamkeit von Medikamenten und ärztlichen Leistungen unter die Lupe nehmen sollte, wird anders als angedacht nicht als unabhängige Institution eingerichtet. Der neue "Medizin-TÜV" soll nun unter das Dach der Selbstverwaltung von Krankenkassen und Ärzten kommen - also unter die Aufsicht jener, die eigentlich kontrolliert werden sollten.


Entlastungen

Mit ihrem Konsens wollen Regierung und Opposition bis 2007 stufenweise 23,1 Milliarden Euro im Gesundheitswesen einsparen. Dafür soll der durchschnittliche Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen von derzeit rund 14,4 auf 13 Prozent im Jahr 2006 sinken.

Die Faustregel: Pro 1000 Euro Verdienst fallen pro Monat 3,50 Euro weniger Krankenkassenbeitrag an. Davon profitiert aber nur, wer nicht krank wird.


Patientenrechte

Patienten sollen durch einen Patientenbeauftragten besser vertreten werden und beim Arzt auf Wunsch eine Quittung bekommen. Eine fälschungssichere Patientenkarte soll 2006 eingeführt werden. Bei nachgewiesener Vorsorge sollen die Krankenkassen einen finanziellen Bonus einräumen dürfen. Auch Tarife mit Beitragsrückerstattung oder Selbstbehalt bei niedrigerer Prämie sollen für freiwillig Versicherte möglich sein. Ambulante Behandlungen im EU-Ausland werden bezahlt. Nur für Klinikaufenthalte ist Genehmigung der Kasse nötig.

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