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Thema: Master Almighty

  1. #1

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    _||Dieser Thread wird aus 8 Posts bestehen, danach ist es erlaubt und wird auch innigst gewünscht Kommentare abzugeben.||_



    Ein Essay von Maike Hallmann (abgetippt aus Mephisto 26 von Sheila)

    Einleitung

    Spielleiter, erklärte mir kürzlich eine unterernährte Gestalt in kleidsamen Schwarz, Spielleiter seien eigentlich fast so etwas wie Götter. Mit ihnen stehe und falle das Rollenspiel. Die Spieler sind austauschbar. Formabers Rohmaterial, das ein begnadeter Spielleiter mit ein wenig Zeit und Spucke (ersatzweise auch Cola oder Bier) zum gewünschten Niveau zurechtmodellieren kann. Spieler kommen von der Erde, Spielleiter aus dem Himmel. Und darum, teilter er mir väterlich wohlwollend mit, ziehe er persönlich auch die Bezeichnung "Meister" vor. Denn ein wenig angemessener Respekt sei ja nicht zu viel verlangt. Wo er recht hat... Und deshalb sitze ich nun hier, im Kamin brennt zischend ein Dornbusch, und ich folge der heiligen Berufung, aufzuschreiben, wie es sich dereinst zugetragen hat, dass die Götter zu den Spielern kamen. Auf dass die Gottlosigkeit an den Tischen der Rollenspieler endllich ein Ende hat und sie begreifen, was für ein Glück sie haben, dass Inkarnationen der alten Sechsgötter sich ihnen zugesellen, statt sich pausenlos zu beschweren.

    Quelle Mephisto 26

  2. #2

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    Das aleasche Pantheon

    Wie die götter auf die Erde kamen, was sie hier wollen und warum sie nicht endlich wieder gehen.

    "Am Anfang war nur die Schwärze. Dann fingsie an, sich zu langweilen, so ganz allein in ihrer eigenen völligen Nichtexistnz, und begann, sich selbst eine Geschichte zu erzählen. Aus dieser Geschichte wurde dramaturgis geboren, der Göttervater des Rollenspiels. Der schwafelte und schwafelte, bis ihm selbst die Ohren explodierten, und aus Frust erschuf er Licht und Dunkelheit, griff in beides kräftig hinein und erschuf so die Zwillinge Sadismos und Moraleier. Sadismos wollte gleich anfangen jemanden fertig zumachen, erfand zu diesem Zweck die Menschheitu und schuf anschließend aus seienm Zeigefinger Pädagogis, das dreiköpfige Ungeheuer. Moraleier hingegen fand es politisch korrekt, einen alten Schwachkopf zu lieben, schlief mit ihrem Vater und brachte den Greis und ihren zukünftigen Gottgemahl Hervergesstos zur Welt, der immer verpennt, was er eigentlich vorher sagen hätte müssen. Und so lebten und stritten diegötter und spielten mit der Welt, und immer häufiger bekamen sie sich kräftig in die Haare ob der Frage, wie Rollenspiel nun eigentlich wirklich sein sollte.
    Um den Streit zu beenden, riss sich jeder eine Gehirnzelle aus, Moraleier kochte daraus eine Suppe, und dem grünen Schaum entstieg Lexicania, die Besserwisserin.
    Schnell begriffen die Götter ihren Fehler und erschlugen den kleinen Kotzbrocken. Doch leider ist sie, wie alle Götter, unsterblich, und wir müssen mit ihr leben, wie auch mit ihren fünf unsäglichen Kollegen. Mögen uns die Würfel gnädig sein."


    Der ehrwürdige Leiter einer Spielrunde nun ist nicht im direkten Sinne einer dieser Götter, sondern er wird von einem solchen beseelt. Aufmerksame Beobachter können direkt erkennen, wenn der Gott in den Spielleiter hineinfährt - ein kaum merkliches Erschauern ist eines der Zeichen, ein kurzes Innehalten und dann ein Glanz in den Auen, der mit unseren beschränkten menschlichen Maßstäben fast schon als irrsinnig empfunden wird, sicher jedoch als ein wenig beängstigend. Das ist der Augenblick, in dem aus einem Menschen, einem Spielleiter, ein Meister wird.
    Nahezu jeder Meister folgt genau einer der sechs Gottheiten. Es soll einige Fälle von meisterlichem Polytheismus gegeben haben, da gleich mehrere Götter in nur einen Körper gefahren sind und in der Spielrunde heillose Verwirrung, Chaos und Panik auslösten, aber im Normalfall läßt sich doch recht schnell feststellen, mit welcher Art göttlicher Bessenheit man es zu tun hat, und die charakteristischen Züge der Gottheit, die einen bestimmten Körper zum Tempel gewählt hat, treten recht eindeutig zutage.

  3. #3

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    Dramaturgis
    Der Göttervater

    Dramaturgis, die gestaltgewordene Erzählfreude, hat sich selbst erschaffen, sich sozusagen an den Haaren herbei und aus dem Nichts gezogen. Der Gott wird meistens als asketisch dargestellt, äußere Belange kümmern ihn nicht, auch Essen sieht er nur als Verschwenung von Platz in seinem Mund, aus dem es unaufhörlich hervorsprudelt.
    Andere Darstellungen zeigen ihn als köerperlich sehr, nun, stabil und ausgesprochen fröhlich; in dieser Interpretation hat er eine gewisse Ähnlichkeit mit einem schwazr gekleideten Nikolaus und versammelt seine Jünger gern in launiger Runde.
    Gleichgültig, welcher Darstellung man zuneigt, eines ist jedenfalls sicher: Der Mund des Dramaturgis befindet sich in ständiger Bewegung. Sein Waffen sind das Schlagende Wort und das Buch der Unendlichen Geschichten, un d er redet ohne Unterlaß. Gewürfelt wird in seinen Runden kaum, denn dazu ist keine Zeit. es heißt, manche Runde hätte in seiner Gesellschaft einen Tag und eine Nacht und wieder einen Tag damit verbracht, der glühenden Schilderung einer einzigen Szene zu lauschen. Schwache Geister brechen oft schreiend zusammen, wenn Dramaturgis sich ausläßt, was aber nicht viel hilft, denn Dramatrugis ist stocktaub. Jedenfalls wenn es um dumme Sünder geht, die seinen herrlichen Erzählfluß frevlerrisch zu unterbrechen wagen.
    Einer der Vorteile, den seine Jünger imm wieder betonen: Dramaturgis ist selbstgenügsam und recht gutartig. Wenn er seine Geschichten erzählen darf, ist er bereits ganz zufrieden. tun will er eigentlich keinem was (es sei denn, man ist so empfindlich, sich über Gehörgangsentzündung zu beschweren). Alles, was er braucht, sind Zuhörer und ein wenigFlüssigkeit zum Anfeuchten der göttlichen Kehle, und schon ist man mittendrin in einem regelrechten Roman und kann sich erzählen lassen, was man sieht, was man tut, wer man ist und warum die Welt nun einmal genau so ist und nicht anders.
    Indes, wer Wert darauf legt, auch mal etwas zu sagen, ist mit diesem Gott schlecht beraten. Auch wer den Wunsch hat, vielleicht selbst einmal zu entscheiden, was er tun will, könnte hier an gewisse Grenzen stoßen, denn über diese Frage ist Dramaturgis meist längst hinaus, bevor er in einer begeisterten Schilderung zum ersten Mal für einen raschen, hektischen Atemzug innehält, um nicht gänzlich zu kollabieren.
    Gewissen Quellen zufolge solles komplizierte Rituale geben, um das Heilige Geschwafel zu unterbrechen. Es hat etwas mit Schokomuffins zu tun (alternativ ein Stück Pizza oder einen großen Schwamm verwenden&#33 und mit einer wahrhaft porphetischen Weisheit, den richtigen Augenblick zu erkennen, um mit den Reflexen eines Tigers der erlauchten Meisterlichkeit das Maul zu stopfen.
    Die zusätzliche Befestigung des Stöpsels mit mehreren Schichten Klebeband un einem Tacker ist zu empfehlen. Dennoch gilt der Grundsatz: Schnell sprechen. Auch dies etwas respektlose Mehtode, ein wenig Redezeit zu erbitten, verschafft einem nur eine kurze Pause. Und sobald der Knebel dem Meister aus dem Mund esplodiert, legt er erst richtig los, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen.
    Deckung zu suchenist dringend anzuraten.

  4. #4

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    Sadismos
    Die Gottsau

    Auch die Darstellung des Sadismos, Sohn des Dramaturgis und Zwillingsbruder der Moraleier, varriert beträchtlich. So wird er in moderner Zeit häufig als hageree Gestalt in schwarzem Mantel und mit glühenden roten Augen gezeigt, als der Alptraumbringer, der unter dem Arm eine Reihe von Köpfen trägt, die er sich bei Bedarf aufsetzt, um sich als mitfühlender Freund undharmloser Plauderling zu tarnen. Eine andere Darstellung ist die als Weltenfresser: Ein riesiges schwarzes Schwein, ebenfalls mit glühend roten Augen, dem Knochen und Gedärme aus der Schnauze hängen, manchmal auch ganze Planeten.
    Die bevorzugete Waffe des sadismos ist die Neunschwänzige Seele, mit der er seine Opfer zu tode geißelt.
    Wann ime rsich ein Spieler kommentarlos und mit vor Entsetzten entstelltem Geischt aus dem Fenster stürzt oder leise schluchzend auf derStraße gefunden wird, dem Wahnsinn anheimgefallen, ist es das Werk dieses bösartigen Gottes. Nichts, was er tut , geschieht ohne heinterhältige Abischt. Er wurde von Dramaturigs aus purer Dunkelheit geschaffen, ist ein Stück geronnenes Chaos, das die Erde heimsucht und verderben sät, um menschliches Leid zu ernten.
    Wenn Sadismos in Gestalt eines Meisters etwas zu essen und zu trinken anbietet und freundlich fragt, ob die Spieler auch bequem sitzen, dann ist es Zeit, auf den Knien um das nackte Leben zu flehen. Wenn Sadismos in Gestalt eines Meisters beiläufig anfragt, ob der Spieler nicht seinen Lebenslauf um ein paar nahe Verwandte und gute Freunde aus früheren, besseren Zeiten erweitern will, gefriert auch dem Tapfersten das Herz in der Brust. Und wenn man sich als Spieler in einen der NSC verliebt, darf man sich nicht in Sicherheit wiegen, nur weil über Monate alles zu klappen scheint. Sadismos hat dich nicht vergessen. Er wartet nur auf den besten Augenblick, dir das Mark aus den Knochen zu saugen; dann nämlich, wenn du dich in Sicherheit weigst. Er wartet, bis dir wirklich etwas an jemandem liegt. Und dann bringt er ihn um. Jünger des Sadismos werden regelmäßig gedemügitg, verstümmelt, von ihren Liebsten ermordet; sie geraten immer so tief in die Scheiße, dass sie schon das Höllenfeuer unter den Füßen spüren können. Spieler die versuchen, sich gegen Sadismos zu wehren, haben keine Chance. Die meisten kriegt er dennoch. Und wenn dochmal jemand erfolgreich Widerstand leistet, womöglich seine Tränen heimlich weint und tut, als mach ihm die öffentliche Dmütigung, von einem Zehnjährigen mitten in der Stadt vor allen Kumpels in den Hintern geschossen zu werden, gar nicht aus - dann erklrät Sadismos ihn zum Versager.
    "Du bist kein wahrer Rollenspieler", sagt er, und seine roten Augen glühen daumpf, während sich seien Schweinenüstern sich verächtlich wölben. "Du bist überhaupt nichts. Ich will dich hier nicht mehr sehen."
    Gegen Sadismos gibt es keine andere Handhabe, als die sich bereitwillig zum Versager zu erklären. Zum Warmduscher, zum Powergamer, zum nichtswürdigen Datenblattfäscher und Becherwürfler. Wer nicht mit angeobrenem Hang zum Masochismus gewappnet ist und es genießt, sich regelmäßig bis auf die Knochen zerfleischen zulassen, hat keine Chance. Außer vielleicht die, neimals einer Inkaranation des Sadismos zu begegnen.
    Also keine Chnace. Die Meister des Sadismos sind überall. Und in den Tiefen ihrer Augen funkelt es unheilverkündend, wenn sie ein neues Opfer in Augenschein nehmen, bevor sie es freundlich fragen: "Und was ist mit dir? Lust ein bissschen zu spielen?"

  5. #5

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    Moraleier
    Die Blinde Gerechtigkeit

    Moraleier, Tochter des Dramatrugis, Zwillingsschwester des Sadismos und Mutter sowie Ehefrau des Hervergesstos, ist aus reinem Licht geformt, so wie Sadismos aus reinen Schatten geboren wurde. Sie wirdm eistens dargestellt als eine überirdisch strahlende, etwas pummelige Lichtgestalt von außerordentlicher Schönheit, mit Sternen als Augen. ein anderes, möglicherweise zutreffenderes Bildnis ist das einer alten vertrockneten Hexe mit verkniffenem Mund und einem vegetraischen Döner aus dem Bio-Laden in der Hand.
    Beide Manifestationen der Moraleier verügen über ihre mächtige Waffe (nicht den Döner, den verwendet sie nur in Ausnahmefällen als Wurfgeschoß): die Zweiköpfige Karmaschlange. Sie hält sie in der MItte, und beide Enden oder vielmehr Anfänge des schwanzlosen Tiers ringeln sichihren Arm hinauf.
    Moraleier hat die erstaunliche Fähigkeit, Richtig und Falsch voneinander zu unterscheiden, und stellt ihre Anhänger oft auf die Probe. Viele Dinge sind einfach zu lernen - so ist es zum Beispiel nicht ratsam, grundlos ein kleines Kind zu foltern oder einen Wurf Welpen im Bierglas eines Trolls zu ersäufen, um zu gucken, ob sie da alle auf einaml reinpassen - aber bei komplexeren moralischen Probelmen ist doch immer wieder klar ersichtlich, dass wir Sterblichen einfach nicht den Durchblick der Göttin mit den Sternenaugen haben. So mag es einem Spieler als bizarre Angelgenheit erscheine, wenn er gezwungen wird, einen von zwei Freunden zu opfern, um den anderen zu retten; die Entscheidung mag ihm gar wie ein unlosbares Dilemma vorkommen. Und MOraleier läßt nichts erkennen, wartet nur mit schmalen, vor Erwartung leicht geöffenten Augen, nickt und lehnt sich ausdruckslos zurück, wenn die Entscheidung allein und widerruflich getroffen wurde. das kann bei Jüngern, die schon lange mit ihr zu tun haben, durchaus mal ein oder zwei Wochen dauern - es heißt, einmal habe ein Anhänger der Moraleier in seiner tiefen Verzweiflung die gesamten Schriften des Moralphilosophen Kant gewälzt, bsi er fiebrig und halb im Delirium nach drei Monaten die falsche Entscheidung traf und augenblicklich am Kamraentzug starb.
    Es ist ein denkwürdiger Augenblick, wenn Moraleier sich am Ende einer Sitzung vorbeugt, einem Spieler ins antlitz schaut und dann den Arm ausstreckt, an dem sich die Schlange weindet. Sie legt dem Spieler die Hand auf die Stirn, und nur die tapfersten ertragen es, offenen Auges auf die Entscheidung zu warten, auf das göttliche, unanfechtbare Urteil. Wird es der Kuß der Schlange sein, die einem überreichlich Karma in den offenen Mund spuckt? Oder zuckt der andere Kopf vor und verbeißt sich in den Mandeln und Rachenschleimhaut des Delinquenten, um ihm die Lebenskraft auszusaugen, die er nicht verdient?
    Jedenfalls, das kann man festhalten nicht nur eine außerordentliche Erfahrung für Adrenalinjunkies, sondern auch eine großartige Leistung, eine wahrhaft göttliche Erhabenheit, die Moraleier immer wieder beweist. Denn die gerechteste aller Göttinnen mit ihren Sternenaugen ist blind, ohne dass es sie in ihrer Treffischerheit auch nur im Geringsten beeinträchtigt oder gar zaudern läßt.

  6. #6

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    Pädagogis
    Der Zeigefinger

    Pädagogisch ist so etwas Ähnliches wie der Sohn des Sadismos. Sadismos opferte dereinst seinen eigenen Zeigefinger (den rechten), um daraus ein Geschöpf zu erschaffen, das die Menschheit tyrannisiert und knechtet.
    Es ist ihm etwas mißraten, darf man guten Gewissens sagen, und es heißt, er tritt seinen Sohn alle paar Tage quer durch die Große Halle der Götterwelt, weil er ihm so gewaltig auf die Nerven geht.
    Die meisten Bildnisse des Pädagogis zeigen ihn als väterliche gestalt mit hochgezogenen Augenbrauen und seienArmen, die sich alle dem Betrachter entgegenstrecken und mahnend mit dem eindeutig überdeminsionierten Zeigefinger wackeln. In einigen Darstellungen jedoch sieht man auch ein dreiköpfiges Ungeheuer, einem Höllenhund recht ähnlich. Es heißt, Pädagogis wechselt gern seine Gestalt, tritt einmal als der mahnende Lehrer auf, um dann geifernd über die armen Seelen herzufallen, die nicht raffen, was er eigentlich von ihnen will.
    Wie seine Tante Moraleier hat auch er recht genaue Vorstellung davon, was seine Anhänger tun sollen. Anders als bei ihr folgt er dabei jeodch keinem moralischen, wenn auch undurchschaubaren Prinzip, sondern lässt sich von seinen göttlichen Impulsen leiten.
    "Willst du das wirklich tun?" fragen seine Inkarnationen häufig ihre Anhänger, väterlich wohlwollend meistens, manchmal jedoch auch mit schäbig anmutender Gehässigkeit.
    „Ja“, die Unerfahrenen fröhlich.
    „Hm, äh … ja?“ sagen sie, wenn sie ihn etwas besser kennen.
    Nein!“schreien die Versierteren, die man meist an den hohlen Wangen und dem schwelenden Zorn in ihren Augen auf zehn Kilometer erkennt. „Nein, das will ich nicht. Oder …“, ein flehend-hilflos-zorniger Blick, „oder will ich es vielleicht doch?“ Denn schrecklich anzuschauen ist die göttliche Herablassung, wenn man sich als Dummkopf erweist.
    Pädagogis hat eine Mission. Er will, dass seine Anhänger lernen, es richtig zu machen. Dabei geht es ihm nicht um moralische Maßstäbe, sondern darum, dass sie nicht zögern und mit klarem Blick erkennen, was (seiner Meinung nach) zu tun ist. Manchmal meint man gar, er ließe sich vielleicht durch Argumente davon überzeugen, dass man weiß, was man tut – wer das versucht, endet oft als plappernder Trottel in irgendwelchen Internet-Foren und übt dort das Diskutieren.
    Es ist ratsam, sich bei Pädagogis damit abzufinden, dass die Welt ihm gehört. Man kann versuchen zu lernen, wie man es ihm recht macht. Das mag einem manchmal zwar enorm unlogisch erscheinen, aber es folgt, beobachtet man die Muster lange genug, doch irgendeinem System.
    Gefährlich jedoch sind auf diesem Pfad Zaudern und Zagen, Entscheidungsschwäche, schlechte Tage und Seelenkrisen (nicht selten, so sagen manche, ausgelöst durch gewisse Erfahrungen am Spieltisch …). Dann hockt Pädagogis da, sechs Arme in die Seiten gestemmt, den siebten bereits ausgestreckt, um mit dem großen roten Zeigefinger zu wackeln und zu sagen: „A-ah! Fehler. Fehler!“ und schwungvoll die heutige Lektion zu erteilen – und der Spieler kommt nicht zu Potte. Das ärgert den Gott sehr, und dann flammt in seinem väterlichen Antlitz dumpfer Zorn, die Züge seines Gesichts verschieben sich allmählich, die Arme ziehen sich zurück in den Körper, während ihm aus den Schultern zwei weitere Köpfe wachsen. Wohl dem, der ganz schnell noch einen Termin hat, bevor die Wandlung vollendet ist – das dreiköpfige Ungeheuer kennt keine Gnade. Und es gibt keinen traurigeren Anblick als einen Spieler, über den die Bestie hergefallen ist. Seine Selbstbewusstsein wurde der Kopf abgerissen, und seine Seele ist in alle Winde verstreut. Nur noch stotternd kann der sich äußern, und es heißt, manch einer sei vor der Entscheidung, welches Essen heute zu sich zu nehmen wohl das richtige wäre, elend und in Angstschweiß gebadet verhungert.

  7. #7

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    Hevergesstos
    Der Ach Ja-Sager

    Hevergesstos ist die Frucht aus der Vereinigung der Moraleier mit ihrem Vater Dramaturgis. Er kam als Greis auf die Welt, verkrüppelt an Verstand und Körper, ganz wie es sich Morlaeier gewünscht hatte, denn es ist moralisch verwerflich und keine wahre Liebe und außerdem sehr oberflächlich, wenn man sich zu eine attraktiven Mann hingezogen fühlt. Ihr Sohn und Gemahl jedoch ist, will man den Darstellungen glauben, keinesfalls attraktiv, und es bedarf eines wahrhaft großen Herzens, ihn zu lieben.
    Seine Waffe ist der hölzerne Krückstock der Ignoranz.
    Natürlich überträgt sich seine körperlich abstoßende Erscheinung nicht immer auf die von ihm beseelten Meister. Aber seine Anwesenheit ist unverkennbar. Es mag damit beginnen, dass er eine Szene schildert, in der dem Spieler drei Gestalten entgegenkommen. Sie sind suspekt, und der Spieler macht sich bereit, sie in großzügig ausgelegter Notwehr umzubringen, sollte es nötig werden oder einfach nur eine Menge Spaß versprechen. Durch eine Kleinigkeit provoziert er tatsächlich einen Streit, und am Ende liegen die drei tot da, und er steht keuchend aufrecht und triumphiert ungefähr so lange, bis Hervegesstos den Mund aufmacht
    „Du wirst verhaftet.“, sagt er zum Beispiel.
    „Von wem?“ mag de verblüffte Spieler fragen und erzählt zur Antwort, dass gerade eine Streife oder ein paar Wachen auf ihrer Patrouille vorbeigekommen sind.
    „Aber ich habe doch gesagt, ich sehe mich um!“ hält er entgeistert dagegen. „Und da war nichts!“
    „Ach ja“, sagt Hevergesstos seelenruhig. „Hab ich vergessen zu sagen. Nun, jedenfalls wirst du in Gewahrsam genommen. Oder willst du Widerstand leisten?“
    „Ach ja“ sagt er sehr häufig. Untersuchungen haben ergeben, dass ausgeprägte Inkarnationen des Hevergesstos es zu einem Ach ja – Dauerfeuer von zehn Vergesslichkeiten die Minute bringen, und das, obwohl sie ganz langsam reden und zwischendurch auch noch das frustrierte Geschrei der Spieler untergebracht werden muss.
    Anhänger des Hevergesstos stürzen in Abgründe, die eine Sekunde zuvor noch nicht da waren, geraten in Fallen, weil sich auf einmal aus dem Nichts Türen in festem Mauerwerk öffnen oder auf einal ganz woanders sind, als man in seiner Naivität angenommen hat. Sie erschießen ihre besten Freunde und eigenen Haustiere, denn: „Ach ja. Das war übrigens deine Schwester. Hab ich vergessen zu sagen.“
    Freunde des unvergesslichen Alice im Wunderland werden sich möglicherweise mit der Zeit daran gewöhnen, dass die Welt voller Wunder ist und eigentlich so etwas wie ein gigantischer Dauertrip auf LSD. Manchmal kann man auch, traut man sich denn solch blasphemische Unverfrorenheiten zu, gar eigenhändig zugreifen und die Welt auf magische Weise verändern: „Welche Tür ich meine, Meister? Du hast doch selbst gesagt, neben dem Fenster sei noch eine zweite Tür. Genau das hast du gesagt.“ Hier ist es ratsam, als Gruppe zusammenzuhalten und im Takt eifrig zu nicken. Und dann kommt es vor, dass sich das ehrwürdige Haupt des Hevergesstos nachdenklich neigt und er zustimmend brummt: „Ach ja. Hab ich vergessen.“ Und in der Mauer öffnet sich eine Tür, wo vorher nur Stein gewesen ist.
    Dem armen alten Hevergesstos – beziehungsweise einer seiner Inkarnationen – ist fast jeder Spieler einmal begegnet, wenigstens für kurze Zeit. Der greise Gott neigt dazu, sich zu verlaufen und wahllos in Spielleiter zu schlüpfen, die eigentlich als Meister einer ganz anderen Gottheit huldigen. Wenn als der Sadismos, den anzubeten man sich versammelt hat, auf einmal sagt: „Ach ja. Hab ich vergessen“, dann kann es sein, dass man gerade die Inkarnation des Hevergesstos vor sich hat. Aber es ist nicht ratsam, das auszunutzen, es sei denn, ganz schnell und heimlich Keiner der anderen Götter schätzt die Peinlichkeit, einmall mit Hevergesstos verwechselt worden zu sein, und die Rache so hört man, ist meist blutiger, als selbst der hartgesottenste Psychiater noch zu kompensieren imstande ist.

  8. #8

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    Lexicania
    Die Besserwisserin

    Lexicania, die Schaumgeborene, ging aus einer dünnen Suppe hervor, die Moraleier aus Gehirnzellen gekocht hat, eine Gehirnzelle von jedem der fünf Götter. Sie hatten sich davon versprochen, eine Streitschlichterin zu erschaffen, eine Göttin, die das Beste von ihnen allen in sich vereint und alles wissen, das es jemals zum Thema Rollenspiel gegeben hat.
    Das Ergebnis ist so fragwürdig wie entsetzlich.
    Lexicania wird als kleines Mädchen mit großen, hungrigen Augen dargestellt, das seinen Kiefer ausrenken kann, so dass es glatt ein Nilpferd am Stück herunter schlingen könnte. Mit sich trägt sie das Buch der Sieben Siegel, das Unsichtbare Nachschlagewerk und die Tröte der Verdammnis.
    Es ist, hat man es mit einer Inkarnation von Lexicania zu tun, nicht ratsam, etwas nicht zu wissen oder gar, ob aus böser Absicht oder nicht gegen die heiligen Gesetze des Rollenspiels zu verstoßen.
    „Wie würfelt man das jetzt noch mal aus?“ fragt der Spieler arglos und erntet Schweigen. Es dauert immer länger, bis er schließlich den Kopf hebt und die bleichen Gesichter seiner Mitspieler betrachtet und dann das Antlictz der Lexicania-Inkarnation, die ihn mit einer Mischung aus Abscheu und Vorfreude anstarrt.
    „Nun“, beginnt sie langsam und gewichtig, und dann vergeht eine recht lange Zeit, in der sie redet und zitiert und erklärt. Wie lang diese Zeit ist? Was sie alles erzählt du zitiert und erklärt? Niemand weiß es. Die gnädige Umnachtung des Wachkomas umfängt die Opfer von Lexicanias Attacken bereits nach wenigen Augenblicken, und später leiden die armen Seelen an Amnesie, deren Schleier sich nie wieder von den Erinnerungen lüften lassen will.
    Und das ist noch das Harmloseste, was einem zustoßen kann.
    „Ach ja“, könnte der Spieler vielleicht sagen, in dem Irrglauben, er wüsste, wie man das denn noch mal auszuwürfeln hat … und macht es falsch. Vor Lexicanias Augen.
    „Nööööööt!“ Der Klang der Tröte der Verdammnis ist entsetzlich und fährt selbst dem Unerschrockensten bis ins Mark. Diesmal ist der Ton der Erklärung nicht mehr so freundlich. Und es dauert alles noch viel länger. Manche haben auf diese Weise nicht nur Stunden, sondern ganze Tage ihres Lebens verloren, und in Berlin wandert im Tiergarten ein verwirrter Mann mit schlohweißem Haar umher, der berichtet, er habe dereinst mit vierzehn Jahren mit dem Rollenspiel angefangen, einen Fehler gemacht, und von diesem Tag an fehlen ihm sämtliche Erinnerungen.
    Zu Anhängern, die gefhelt haben, kann Lexicania mitunter besonders grausam sein, indem sie am Ende die richtigen Antworten abfragt. Und wehe dem, der sie nicht parat hat. Der Klang der Tröte der Verdammnis kann einen geistig zuvor noch ganz gesunden Menschen binnen kurzer Zeit in den Wahnsinn treiben.
    Gesegnet seien die, die überzeugend sind und ohne Stolz. „Klar, du hast recht“, ist eine der Zauberformeln, mit denen man mitunter eine aufgebrachte kleine Gottheit besänftigen kann, bevor es zu ersten Fällen von geistiger Zerrüttung kommt. „Natürlich, das hatte ich nur vergessen, aber klar – tut mir leid.“ Eine andere. Man tut gut daran, sie sich zu merken, sie auszubauen und vor dem Spiegel zu üben. Um gewappnet zu sein für den Tag, da man einen Fehler macht.
    Manch Wahnsinniger hat sich auch schon aufgemacht, um Lexicania auf eigenem Feld zu schlagen. Hat sich ausgerüstet mit Argumenten, Zitaten und Seitenzahlen und ist voll Wagemut ausgezogen in die Schlacht. Keiner von ihnen kehrte je zurück. Nur die von Lexicania Beseelten können sich auf eine Diskussion mit ihresgleichen einlassen. Und da sieht man sie stehen und reden und reden und eifern und reden. Oder, in Foren, schreiben und schreiben und eifern und schreiben.
    Mischt euch niemals ein, ihr Normalsterblichen. Ihr werdet zwar dabei nicht den Tod finden – aber etwas, das ihn wie die weitaus bessere Alternative erscheinen lässt.
    Und lasst ihr den Triumph, der armen Lexicania. Aus einer dünnen Suppe geschöpft, von allen ihren fünf Eltern gehasst und nichts in der Hand und im Kopf als Bücher und Tröte – sie hat es doch wahrlich schwer genug.

  9. #9

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    Dies war die Geschichte der Sechsgötter des Rollenspiels. Hoffentlich hat nun jeder begriffen, welche Erhabenheit hinter jedem einzelnen Spielleiter steckt. Mögen sie auch im einzelnen nicht unbedingt alle so beeindruckend wirken, wie sie gerne möchten, so sind sie doch von einer heiligen und allgewaltigen Kraft erfüllt, wenn es an den Tisch im Keller oder im Schuppen oder im heimischen Wohnzimmer geht, und nur ein dummer Sünder und böser Ketzer und wirklich schlechter Mensch wird sich der Ehrfurcht entziehen können, die damit einhergeht, wenn man als Sterblicher einem Gott ins Antlitz schauen darf.
    So gehet hin, ihr Jünger, und heißet sie Meister. Und macht das Beste draus.
    Amen

    Von Maike Hallmann, abgetippt für das Sf-Community Forum von Sheila

    ***Ich hoffe ihr werft mir jetzt kein Spam vor oder der Art, aber mir war langweilig daher hab ich gleich alles abgetippt und rein gestellt, viel Spaß beim lesen, bzw. wenn ihr es schon alles gelesen habt, hoffe ich, es hat euch Spaß gemacht. Welchen Inkarnationen seid ihr schon mal begegnet? Oder ward ihr sogar selbst einmal von einem oder anderen Gott/Göttin beseelt gewesen?***

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