Aus dem Urschlamm in den Weltraum

Spiele-Entwickler Will Right zählt zu den innovativsten Köpfen der Unterhaltungsindustrie. Nach der Städtebau-Simulation "Sim City" und dem Lebenssimulator "Die Sims" sowie zahlreichen Ablegern dieser Hit-Titel bastelt er nun zusammen mit dem "Maxis"-Team an einem der wohl interessantesten Games der Computerspiel-Geschichte. In "Spore" für den PC erschafft der Spieler ein tierisches Wesen und lässt dieses die gesamte Evolution durchleben. Etliche innovative Einfälle und enorme spielerische Freiheit könnten "Spore" zum Super-Hit des kommenden Jahres machen.

Aller Anfang ist schwer
"Spore" beginnt in einer Art Tümpel, in welchem der Spieler als frisch gebackener Mikro-Organismus sein Dasein fristet. Abgesehen von der Fähigkeit zu schwimmen und Nahrung aufzunehmen, steckt das Wesen noch in den Kinderschuhen seiner Entwicklung. Das Spiel erinnert in dieser Phase an den Klassiker "Pac-Man". Nur wer fleißig futtert und feindlich gesonnenen Lebewesen ausweicht, kommt weiter und erreicht eine neue Evolutionsstufe.

Einmal Mutter Natur spielen
Hat der Spieler diese Hürde gemeistert, darf er im Evolutions-Editor kreativ werden. Dieser zeigt ein von allen Seiten zu bewunderndes 3D-Modell der Kreatur. Genügend Entwicklungspunkte vorausgesetzt, steht der Verwandlung in ein intelligenteres Geschöpf nichts mehr im Weg. Mittels Veränderung bestimmter Parameter - Form, Größe, Aussehen - spendiert der Spieler seinem Schützling beispielsweise einen Stachel. Die Folge: Man kann sich fortan besser gegen gefräßige Feinde zur Wehr setzen. Nach und nach macht das Wesen immer neue Evolutionsstufen durch. Die dabei verwendete Technik ist verblüffend: Ein so genanntes "prozedurales Animationssystem" analysiert Form und Knochenstruktur der vom Spieler erstellten Kreatur und generiert daraus sämtliche Bewegungen.

Das dreibeinige Echsenwesen
In der auf der Spiele-Messe E3 präsentierten Demo-Version ließ "Spore"-Schöpfer Will Right sein Wesen zu einem dreibeinigem Reptil mit langem Schwanz mutieren. Dieses zuvor im Ozean beheimatete Wesen wagt den Schritt an Land, wo bereits zahlreiche Aggressoren lauern, etwa sechsbeinige Spinnenwesen mit rasiermesserscharfen Gliedmaßen. Da die hoppelnde Echse jedoch mit einem gefährlichen Gebiss ausgestattet ist, lernt sie schnell, sich zur Wehr zu setzen. Welche Aktionen eine Kreatur beherrscht, beeinflusst der Spieler durch Kombinieren verschiedener Befehle. Jede Art von Kreatur soll über bestimmte Stärken und Schwächen verfügen. Voluminöse Fleischfresser sind in der Regel stark, zugleich aber auch langsam, während kleine Racker ihre Größe durch Schnelligkeit kompensieren. Wie es der Kreislauf des Lebens so will, können sich die Lebewesen in "Spore" auch vermehren. Begleitet wird ein solcher Liebesakt von schwungvoller R'n'B-Musik.

Von kleinen Siedlungen und ihren neugierigen Einwohnern
An einem bestimmten Punkt im Spiel wird die Entwicklung des Gehirns der Kreaturen möglich. Die daraus folgenden Veränderungen sind einschneidend. Es dauert nicht lange, bis die Wuselwesen selbstständig Gemeinschaften gründen. Von nun an kann der Spieler für sein heranwachsendes Völkchen Verbesserungen in Form von Objekten oder Werkzeugen erwerben. Right entschied sich während der Präsentation dazu, eine Trommel und einen Stapel Waffen im Lager zu platzieren. Wie strahlende Kinder begutachteten die dreibeinigen Echsen die neuen Spielzeuge und fanden bereits wenig später einen sinnvollen Verwendungszweck: Zwei Echsen trommelten rhythmisch, während die anderen drei freudig um ein Lagerfeuer tanzten. Hat der Spieler erste Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Stämmen gemeistert und seine Siedlungen zu einem gewissen Komplexitätsgrad ausgebaut, folgt die nächste Evolutionsstufe.

"Civilization" lässt grüßen
Aus den einst primitiven, unbefestigten Siedlungen werden von Mauern umringte Städte. Auch diese können mit zusätzlichen Einrichtungen erweitert werden. Auf Wunsch schraubt der Spieler an Form, Größe und Aussehen der Gebäude. Beginnt man mit der Gebäudekonstruktion, macht das Spiel einen Vorschlag für ein Grundgerüst, welches der Spieler anschließend manipuliert. Mit der Zeit bilden sich so verschiedene Arten von Stadt-Typen heraus. Qualmende Industriehochburg oder futuristische Handelsmetropole? Der Spieler hat die Fäden in der Hand. So auch beim Fahrzeugbau. Basierend auf dem Aussehen der Bevölkerung und der Städte, generiert das Spiel einen passenden, später in einer Vielzahl von Details veränderbaren Fahrzeug-Grundtyp.

Der Spieler baut mit
Selbst erstellte Fahrzeuge, Kreaturen und Gebäude - "Spore" lädt, sofern der Spieler damit einverstanden ist, sämtliche vom ihm erschaffenen Objekte auf einen zentralen Server im Internet. Darüber hinaus prüft das Spiel, ob bestimmte Wesen im lokalen Eco-System unterrepräsentiert sind und füllt diese Lücken mit Daten aus der weltweiten, von Spielern erschaffenen Datenbank. Neben dem Städtebau erweitert der Spieler durch Handel, Diplomatie oder kriegerische Auseinandersetzungen seinen Einflussbereich. Um den zusätzlichen strategischen Anforderungen gerecht zu werden, kann das Geschehen ab dieser Phase aus einer entfernten Kameraperspektive betrachtet werden.

Abschied vom Heimatplanet
Sind technologischer Level und die Entwicklung der Gesellschaft weit genug fortgeschritten, beginnt das Weltraumzeitalter. Wer genügend finanzielle Ressourcen durch Handel und Feldzüge angehäuft hat, darf als Belohnung eines der Hauptziele in "Spore" erledigen: Den Bau einer äußerst kostspieligen fliegenden Untertasse. Einmal fertig gestellt, rückt der Kosmos in greifbare Nähe. Plötzlich kann man sich so weit vom Heimatplaneten entfernen, dass dieser nur noch als Kugel auf dem Bildschirm erkennbar ist. Besser noch: An Bord des UFOs befindet sich ein Traktorstrahl, mit dem man fremde Wesen direkt in die Untersuchungslabore des Raumschiffs teleportiert.

Genesis am PC
Eine Möglichkeit, sich gesammelte Versuchsobjekte zu Nutze zu machen, besteht darin, sie auf der Oberfläche anderer Planeten abzusetzen. Überleben die Versuchskaninchen das Manöver, ist der Himmelskörper bewohnbar. Ist dies nicht der Fall, geht's ans so genannte "Terraforming": Der Planet wird bewohnbar gemacht. Dazu bedarf jedoch einer entsprechenden Technologie-Erweiterung des UFOs, mit der Vulkane auf der Planetenoberfläche zur Eruption gebracht werden. Das Resultat: Gase werden freigesetzt, Atmosphäre entsteht, Leben gedeiht. Besitzt der Spieler diese Errungenschaft noch nicht, lautet die Alternative: Kuppeln bauen und darunter eine Stadt errichten. Dies gilt übrigens auch für Rassen, die sich ausschließlich im Meer entwickelt haben. Ihre Kuppeln wären in diesem Fall mit Wasser statt mit Luft gefüllt. Finanziell hervorragend bemittelte Spieler gehen den Königsweg, kaufen das sündhaft teure "Genesis-Gerät" und machen karge Planeten auf Knopfdruck und höchst zeitsparend bewohnbar.

In einer weit entfernten Galaxis
Sind genügend Planeten im eigenen Sonnensystem besiedelt, darf man übergeordnete Sternensysteme bereisen, die fast ausschließlich von anderen "Spore"-Spielern geschaffenen wurden. Friedliche Naturen, die nicht auf kriegerischem Weg das All unterjochen möchten, können sich mit diesen Zivilisationen verbünden und Missionen für sie erfüllen. Die Entscheidungsfreiheit liegt beim Spieler: Kommt es zum berühmten ersten Kontakt, kann man - ähnlich wie im Film "Begegnung der dritten Art" - versuchen, auf musikalische Art und Weise die Kommunikation herzustellen. Sind die "Aliens" dagegen feindselig gestimmt, ist Knatsch vorprogrammiert. Vorsichtige Naturen halten sich daher die Möglichkeit offen, das Problem mit einer Superwaffe ein für allemal zu neutralisieren.

Fazit
"Spore" ist bereits im Beta-Stadium ein absolut wegweisendes Spiel. Obwohl die grafische Präsentation noch nicht ganz mit kommenden Strategieperlen wie "Age of Empires 3" mithalten kann, so ist das Spielprinzip im Kern eine geniale, nie da gewesene Mixtur der unterschiedlichsten Genres. Vor allem die Tatsache, dass ein Großteil der Spielinhalte "live" von anderen Spielern generiert und automatisch ins Spiel integriert wird, fesselt ungemein. Sollte es Will Right und seiner findigen Truppe gelingen, alle bisher gezeigten Ideen umzusetzen, könnte "Spore" zu einem der besten Titel der nächsten Jahre avancieren.

Titel: Spore
Genre: Simulation / Strategie / Action
Einschätzung: Sehr gut
System: Windows-PC
Hersteller: Maxis
Publisher: Electronic Arts
USK-Einstufung / Preis: Noch nicht bekannt
Release-Termin: Herbst 2006




Zitat von t-online