Keine Bagatellen für die Kultur-Industrie
(14.02.2006)
Französische Bürgerrechtler begrüßen die Legalisierung privaten Filesharings, in Deutschland wird derzweil die so genannte Bagatellklausel attackiert: von der Industrie, der Justiz, von linken und rechten Parteien. Ein kurzer Überblick.
von Peter Kusenberg
Ein Pariser Gericht stellte am 8. Dezember 2005 im Falle eines jungen Tauschbörsianers fest: Wer mittels Peer-to-Peer zum privaten Gebrauch Dateien hoch- und runterlädt, handele im Sinne des Gesetzes. Die im Jahre 1901 gegründete Bürgerrechtsbewegung L'Association Des Audionautes (ADA, = Vereinigung der Audionauten) begrüßte in einer öffentlichen Stellungnahme das Urteil.
ADA engagiert sich, laut Erklärung, "gegen die Ausnutzung der Gerichte durch Musik-Industrie" und für den "Schutz vor dem Missbrauch von DRM". In dem nämlichen Fall war ein Tauschbörsianer im Herbst 2004 vom Verband der französischen Musik-Industrie Société Civile des Producteurs Phonographiques (SCPP) verklagt worden. Nach einer Hausdurchsuchung waren auf der Festplatte seines Computers rund zweitausend Musik- und Videodateien gefunden worden.
Die brennenden Pariser Vorstädte im Herbst 2005 haben es noch einmal verdeutlicht: In Frankreich äußert sich Protest und Widerstand um ein Vielfaches vehementer als östlich des Rheins. Verschiedene Bürgerrechtsbewegungen wehren sich gegen Klagen der Musikindustrie und verklagen ihrerseits Firmen wie Warner Music, die system-destabilisierende Schutzmechanismen auf ihren Datenträgern verwenden.
So verurteilte am 10. Januar 2006 das Landgericht von Paris den Konzern, den Nutzer einer Phil-Collins-CD dafür zu entschädigen, dass er wegen des vorhandenen DRM-Systems sein Recht auf eine Privatkopie nicht in Anspruch nehmen konnte. Weitere Klagen gegen den Einsatz von DRM auf Audio-CDs werden derzeit von französischen Gerichten bearbeitet.
Sogar die Spitzenpolitik wendet sich gegen DRM: Der französische Innenminister Nicolas Sarkozy erwirkte im Januar 2006 einen Kompromiss mit den Vertretern der Industrie. Danach müsse der Zugang zu urheberrechtlich geschützten Musik- und Videodateien stets gewährleistet sein – was den Einsatz von DRM in Frage stellt.
Deutsche Politik wider die Kulturflatrate
Gleichzeitig mit dem Kampf um DRM und die Legalität von Peer-to-Peer wird in Frankreich die "Kulturflatrate" debattiert. Hierbei handelt es sich um ein Modell, nach dem private Nutzer eine pauschale Gebühr zahlen und dafür eine tendenziell unbegrenzte Menge an Musik- und Film-Dateien auf ihre digitalen Systeme kopieren können.
Auch in Deutschland finden Privatnutzer und Bürgerrechtsverbände dieses Konzept prima. Die allermeisten Politiker sind nicht begeistert. So wandte sich der im vergangenen Herbst neu ernannte Kulturstaatsminister Bernd Otto Neumann (CDU) entschieden gegen einen Vorschlag von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, eine Bagatellklausel in der aktuellen Debatte um die Urheberrechtsreform zu berücksichtigen. Neumann will sich, laut einer Presse-Meldung, "energisch dafür einsetzen", die Bagatellklausel zu verhindern. Gleichzeitig stärkt er den Verbänden von Musik-, Film- und Buch-Industrie den Rücken, indem er die Strafen für den Missbrauch von Urheberrechten erhöhen möchte. Die Kulturflatrate lehnt Neumann ab.
Links und Rechts
Ins gleiche Horn tutet FDP-Fraktionsmitglied Hans-Joachim Otto, der in einer öffentlichen Erklärung bekannt gab: "Die Kulturflatrate ist eine Missachtung des Urheberrechts." Gleichzeitig erhielten die bürgerlichen Parteien Unterstützung von der Linkspartei. Deren Abgeordneter Luc Jochimsen sagte, "mit mit der Einführung einer Bagatellklausel kommen wir nicht weiter". Kulturflatrate, Bagatellklausel: Beide Modelle, die eine Entspannung um die Urheberrechtsdebatte bewirken könnten, werden von Politik und Industrie abgelehnt, eine Durchsetzung hierzulande scheint wenig wahrscheinlich.
Quelle Freenet
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