Die Genesis-Agenten


Menschliche Klone, aggressive Viren und gefährliche Gen-Experimente – Alltag bei David Sandström und seinen Biotechnik-Agenten in der kanadischen Fernsehserie „ReGenesis“.


„Ich bin ein Klon.“ Der, der das sagt, ist weder Michael Jackson noch ein offensichtlich Außerirdischer, sondern ein verschüchterter Teenager mit fragwürdigem Haarschnitt. Er schaut betreten zu Boden, als könne er die Tragweite seines Satzes selbst nicht fassen. Der Angesprochene reagiert genervt: David Sandström, wissenschaftlicher Leiter des kanadischen Forschungsinstituts NorBAC (North American Biotechnology Advisory Commission), hat gerade andere Sorgen: Menschen sterben wie die Fliegen – an einem Virus, dessen Herkunft und Verbreitungsmechanismus unbekannt sind.

Willkommen in der Welt von „ReGenesis“. Die Schlagzeilen von heute – Bioterrorismus, genetisch manipulierte Lebensmittel, Virusepidemien oder Klon-Skandale – bilden den Nährboden der kanadischen Serie um die Wissenschaftler eines fiktiven Biotechnologielabors in Toronto. Klingt vertraut, denn seit dem Erfolg der US-Krimi-Serie „CSI“ ist die hoch qualifizierte Feinarbeit von Ermittlern im Fernsehen äußerst gefragt. Doch wo die amerikanische Serie auf Distanz zu seinen Protagonisten geht, setzt „ReGenesis“ auf Nähe und emotionale Einbindung des Zuschauers. Verblüffend authentisch wirkt auch der Internetauftritt des Labors unter www.norbac.ca, wo der User zu interaktiver Beteiligung aufgefordert wird: Mit einem „ReGenesis“-Spiel kann er die aktuellen Verschwörungen und Geheimnisse der Serie hautnah miterleben.

Held der Serie ist das geniale Mastermind David Sandström, gespielt von Peter Outerbridge. Sandström ist in seiner Arbeit perfekt, aber im Privaten ein Mann mit Schwächen und Fehlern und einem komplizierten Verhältnis zu seiner Tochter: ein Lebemann in T-Shirt, offenem Hemd und Lederjacke, mit vollem längerem Haar, das er lässig mit den Händen zurückstreicht. Peter Outerbridge versteht es, seine Physis so zu inszenieren, dass eine überzeugende Coolness spürbar wird. Der 40-jährige Schauspieler, der in Deutschland kaum bekannt ist, stellt im kanadischen Fernsehen mit gelegentlichen Abstechern ins Kino eine feste Größe dar – die Wahl seiner Rollen entspricht einer Art Kreuzung aus Jürgen Vogel und Heino Ferch.

In ReGenesis werden unverblümt aktuelle und sehr reelle Gefahren angesprochen. Ein verrückter Wissenschaftler, der zu allem bereit ist, um seine Forschungen zu finanzieren, Terroristen und unaufhaltsame Epidemien: So sehen die schlimmsten Alpträume unserer modernen und hochtechnologischen Welt aus, in der biologische Waffen die Atombombe ersetzt haben und wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen oft schwerer wiegen als die Gesundheit der Bürger. ReGenesis ist eine höchst reale Science-Fiction-Serie, in der fortwährend der Weltuntergang droht, und nimmt sogar ganz nebenbei die Regierungspolitik unter Beschuss, insbesondere die der USA.

Dies erklärt möglicherweise, warum die Serie trotz ihres Erfolges in vielen Ländern nie in den USA ausgestrahlt wurde. Die Forscher sind keine Superhelden, auch wenn sie die letzte Bastion im Kampf gegen die Selbstzerstörung der Welt darstellen. Ganz im Gegenteil: Alle haben sehr menschliche Schwächen. Zum Beispiel David, der Laborchef, der seine Forschungsergebnisse geheim hält, um über das alleinige Urheberrecht zu verfügen, und der damit das Risiko eingeht, ein Virus zu verbreiten, das eigentlich seit einem Jahrhundert ausgerottet ist. Seid ihr bereit, euch anstecken zu lassen?

Beratung durch echte Wissenschaftler


Themen, die einen gruseln lassen und gleichzeitig erschreckend vertraut klingen. Anders als die „X-Files“ wandelt „ReGenesis“ fast ausschließlich auf dem Boden der Tatsachen und greift der Wissenschaft allenfalls ein wenig voraus. Damit Fachjargon und Technik dem neuesten Stand entsprechen, wacht ein Wissenschaftler der Universität von Toronto über die Drehbücher. „Also, wir haben ein Virus, das Menschen nicht infizieren sollte, es dennoch tut, und eine Heilmethode, die helfen sollte und es nicht tut.“ Ein typischer Sandström-Satz, der auf das eingeschworene NorBAC-Team durchaus motivierend wirkt. Es ist schließlich eine schöne Aufgabe, die Menschheit vor dem Schlimmsten zu retten.

Der temporeiche Schnitt der Serie trägt dazu bei, den einzelnen Stories eine Dringlichkeit zu verleihen, der man sich nur schwer entziehen kann. Dazu gehört das Bildschirmsplitting à la „24“ oder der mikroskopische Zoom von „CSI“, der uns etwa das Eindringen eines Virus in den menschlichen Körper veranschaulicht. Um maximale Bindung der Zuschauer bemüht sich „ReGenesis“ auch, wenn wir dank subjektiver Kamera den Blick von David Sandström teilen können.
Doch richtig real wird es, wenn sich die Pforten des Instituts hinter Sandström schließen und er nach Hause in sein Loft geht, wo seine Tochter auf ihn wartet – mit dem jungen Klon an ihrer Seite.

Quelle: Arte-TV