Originally posted by darya@16.11.2004, 18:23
Anett Louisan

"Boheme"

leicht ironische,deutsche Texte und dazu jazzige Musik
danke darya! diesen tipp möchte ich nochmal hervorheben! sehr gute, sehr weibliche musik. selten hat eine frau so offen über die intention ihres verhaltens gesungen: "ich will doch nur spielen..."
es sind die alten geschichten über die ambivalenz der frau. das, was viele als "typisch weiblich" bezeichnen -aber dass es das wirklich ist, davon überzeugt mich auch frau louisan nicht.
aber egal, es ist immer höchst erotisch, solchen damen, die alles mit kleinmädchen-miene vortragen zuzuhören und -zuschauen. alle mädels, die sich für die männerwelt genauso verpacken wie frau louisan und auch ein leben zwischen lügenden liebhabern, blendern, weicheiern und verkorksten beziehungen führen, ist dieses album wohl das umfassendste alibi seit langem. es beruhigt eben zu wissen, dass man nicht die einzige ist, bei der es so läuft. und frau kann es jedem vom "typisch weiblichen" verhalten mal wieder überforderten mann wie eine gebrauchsanweisung vorlegen und sagen: schau mal, wir sind eben so. solange das so klingt wie auf "boheme" will mann gar nicht böse deswegen sein, sondern reagiert eben auf genau die angesprochene kleinmädchenmiene, indem er in die großen äuglein der dame schaut und denkt: was solls, sie kann ja auch nichts dafür. sie weiß es eben nicht besser.

eine andere typisch weibliche eigenschaft stellt jedoch gleichzeitig einen mangel dieses albums dar: die unfähigkeit zur selbstreflexion. denn das, was sie wunderbar über liebeslustige, lügende männer in "der blender" besingt, ist letztlich nichts anderes als ihr eigenes verhalten, das aus den restlichen liedern hervorgeht. auch sie ist eben nur ein schmetterling, der von einer blüte zur nächsten flattert. leider hält sie, was diese flatterhaftigkeit angeht, den moralischen zeigefinger nur in richtung männerwelt. ein lied über frauen, in dem sie das selbstironisch besungen hätte, wäre die perfekte abrundung dieser musikalisch wie textlich ohnehin fast tadellosen scheibe gewesen.

zur zeit gibts "boheme" bei amazon für günstige 9,99 euro. kaufen!

@litchi

audioslave eine billige kopie von soundgarden? welcher pseudo-musikkenner hat dir das denn geflüstert? einen schlechteren vergleich gibts nun wirklich nicht. man kann doch nicht sagen audioslave = soundgarden, nur weil chris cornell mitsingt. oh mann, es gibt wohl auch leute, die die foo fighters immer noch mit nirvana vergleichen, oder velvet revolver mit guns'n'roses. was soll man gegen derartige musikalische kurzsichtigkeit machen? da fällt mir nur eines ein, litchi: nicht drauf hören und weiter das genießen, was einem eben gefällt. glaub mir, sobald man sich von anderen musikalische scheuklappen, die den schein eines niveauvollen musikgeschmacks erwecken sollen, aufschwatzen lässt, macht das ganze nur noch halbsoviel spaß. in diesem sinne: hör audioslave als das was es ist -eine krachende, solide rockband, die ordentlich auf die 12 gibt und in der halt ein paar musiker sind, die es sich erlaubt haben, vorher schon in anderen bands erfolgreich zu sein (böse, böse).


nun meine tipps:

CD "Brückner Bukowski"

die einen meinen, mehr musik als text, die anderen mehr text als musik und dann wieder welche, dass es genau die richtige mischung ist. ich gehöre zu letzteren. jedem fan von gelesener poesi und guter jazziger musik, bukowski-fans sowieso, sei diese cd wärmstens ans herz gelegt.
die formation yaku tribe vertonte hier zusammen mit einem der wohl markantesten und vielseitigsten synchronsprecher deutschlands, christian brückner (robert de niro), bukowskis poetische ergüsse. es bietet sich ein querschnitt über bukowskis populärere stücke, aber auch weniger bekannte wurden nicht vergessen. ein guter einstieg also für diejenigen, die den depressiven zausel schon immer mal erleben wollten, aber wegen bekannter vorurteile abstand nahmen.

nächster tipp:

alles von leonard cohen

ja, einfach alles, denn man kann bei diesem typ einfach nichts falsch machen. obwohl es natürlich schon sein kann, dass man, wenn man nur auf eine bestimmte art musik steht, durch die vielfalt der stile, mit denen der im laufe seiner schaffenszeit gearbeitet hat, abgeschreckt wird. so kommt einem die süßlich-baladeske athmosphäre auf dem album "death of a ladies man" im ersten moment womöglich schnulzig oder gar schlagerhaft vor. aber vorsicht: cohen baut eine solche fassade immer auf, um lust am daran-kratzen zu erwecken! und wer sich das traut, wird im scheinbaren schnulz große poetische lieder mit einer kraft entdecken, die sich lange in die gehör- und gehirngänge einbrennt.
wer es offensichtlich düster und zynisch mag, sollte zum einstieg "songs of love and hate" wählen. wenn ich nur an die musik dieses albums denke, läuft mir eine gänsehaut über den rücken. denn schon beim hören von "avanlanche" und seinen hypnotischen arrangements gerate ich in einen strudel, der alle sinne mitreißt.

vor kurzem erschien cohens neuestes werk "dear heather". es ist ein alterswerk im wahrste sinne des wortes. man merkt es dem album eben an, dass da nicht mehr der cohen singt, der mit melodiösen stücken "suzanne" bekannt wurde. nicht dass die musik den ohren versperrt bliebe, nein, cohen liefert keine konfusen klang-experimente. wie schon immer legt er wert auf klare, kraftvolle arrangements. seine stimme aber hat sich gewandelt, ist deutlich gealtert. er ist vom sänger zum erzähler geworden, zum flüsterer, zum beschwörer. und das tut er gut, denn selbst wenn sein stimmorgan an melodie verlor, büßte es nicht an kraft und zauber ein. die sehr eigene athmosphäre, die sich damit in diesem album aufbaut, könnte alte cohen-fans abschrecken. aber im grunde macht leo nichts anderes als auf seinen letzten alben: er erfindet sich neu, um aber gleichsam ganz der alte zu bleiben.
"dear heather" ist für neulinge weniger geeignet. außer man mag soche musik sowieso und stört sich nicht an cohens neuer art zu singen. andernfalls sollte man zu seinem frühwerk greifen und so beginnen, seinen langen werdegang album für album nachzuvollziehen. auf diesem wege kommt man irgendwann dort an, wo cohen jetzt angelangt ist und sieht es nicht mehr als irritierend oder störend, sondern als ganz logische weiterentwicklung eines mannes, der trotz seines alters nach wie vor eine unumstößliche größe in musik und poesie ist.

übrigens: einige von euch haben cohen, ohne es zu wissen, vielleicht schon mal gehört. und zwar im soundtrack von natural born killers. dort wurden 2 lieder seines albums "the future" verwendet: "the future" und "waiting for the miracle"

seine alten alben erhält man mittlerweile ziemlich günstig in cd-boxen mit jeweils 3 werken für um die 17 euro. womit eine cd umgerechnet also nur noch ca. 6 euro kostet, was wirklich preiswert ist.