Das Magazin der Süddeutschen Zeitung hat seine letzte Ausgabe darauf verwendet, Ausschnitte aus vielen Briefen der in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten abzudrucken.

Die Bundeswehr hat nach Kräften versucht die Veröffentlichung zu behindern:
Eigentlich müsste dieses Heft auch der Bundeswehr ein Anliegen sein - sollte man denken. Tatsächlich verschickt die Bundeswehr seit Wochen Mails, um dieses Heft zu verhindern. Diese wurden uns mehrfach guzespielt: "Ziel des Artikels ist es nach Aussage der Redaktion, den Lesern einen möglichst realistischen Einblick in den Alltag des deutschen Kontingents zu geben. [...] Ggf. besitzen die Journalisten bereits Kontakte zu Soldaten, die sich für das Projekt zur Verfügung stellen würden. PrInfoStab hat entschieden, das Vorhaben nicht zu unterstützen. Anfragen der SZ nach Kontakten zu Soldaten sind daher abzulehnen." Uns ist nicht klar, inwiefern das Ziel "einen möglichst realistischen Einblick in den Alltag des deutschen Kontingents zu geben" nicht vereinbar mit den Interessen des Militärs eines demokratischen Landes sein kann. Wir danken den Soldaten, die dieser Order getrotzt haben. Um sie vor der Bundeswehr zu schützen, mussten wir in 18 Fällen ihre Namen ändern.
(aus dem Editorial des Magazins)

Die Auszüge finden sich hier:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/31953

Die interne Wortwahl der Bundeswehr, einen realistischen Einblick in den Truppenalltag verhindern zu müssen, finde ich sehr aufschlussreich. Der Wunsch dieses Märchen vom "Stabilisierungseinsatz" (O-Ton unseres Verteidigungsminister) aufrecht zu erhalten, scheint auf Seiten der Entscheidungsträger nach wie vor sehr ausgeprägt zu sein. Tatsache ist doch, dass so ein realistisches Bild des Afghanistankrieges über viele Jahre verhindert wurde, was in Deutschland noch einigermaßen gut verkauft werden konnte, da die Sicherheitslage in Nordafghanistan (wo die Bundeswehr stationiert ist), zumindest früher deutlich besser war als in den Regionen wo sich Briten und Amerikaner seit Langem mit den Taliban beharken.

Die Soldatenbriefe lassen einem in ihrer Banalität und oft sarkastisch-hilflosen Unterton manchmal beinahe schmunzeln, aber eben nur beinahe. Denn letztlich zeichnen sie das Bild eines bitterarmen, dreckigen, stinkenden Landes, dass so verwüstet und geschunden ist nach 30 Jahren Krieg, wie die Menschen die in ihm leben. Dabei finde ich besonders den 8. Punkt "Die Toten" relevant, in dem die Soldaten von ihren getöteten Kollegen erzählen - dieser Abschnitt kommt leider zu kurz. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass er zwingend die Sinnfrage aufwirft.

Die Entscheidungsträger, und das sind die drei Regierungen der CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen, müssen sich fragen, ob ein derartiger Flecken Erde auf dem wir offensichtlich nichts bewirken, es wert ist das Leben und die geistige und körperliche Gesundheit junger Mitbürger zu riskieren. Da aber eine jede dieser Parteien Angst vor den Antworten und unvermeidlichen Konsequenzen hat, findet eine solche Debatte nicht statt. Es gibt nur eine Bundestagspartei welche diese Fragen stellt, weil sie auch die Einzige ist deren Abgeordnete nicht so tief in dieses Schlamassel verstrickt sind, dass sie ein klares Bild der Lage um jeden Preis verhindern müssen.

Das erste Opfer des Krieges ist und bleibt eben die Wahrheit.