Hallo zusammen,

wie Ihr sicher mitbekommen habt, hat der renommierte Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki am vergangenen Wochenende den Deutschen Fernsehpreis abgelehnt und dabei das unzureichende Niveau der Fernsehsender heftig kritisiert.

Durchweg wird von einem "Eklat" oder einem "Skandal" gesprochen. Ich hingegen möchte den Vorfall von der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises als längst überfälligen Fausthieb gegen die TV-Industrie bezeichnen. Gegen wen sich Reich-Ranickis Schelte konkret richtet, liegt dabei im Ermessen des Zuschauers.

Bildungsauftrag hin oder her, was einem die Flimmerkiste speziell auf den privaten Programmen bietet, ist oftmals eine Beleidigung des guten Geschmacks. Die dargebotenen Szenarien bedienen in erster Linie die Sensationsgier und den Voyeurismus des Publikums. Beispielhaft seien die Talk- und Gerichtsshows genannt. Während gerade letztgenannte das Potenzial hätten, über das Rechtswesen aufzuklären und die Juristerei, die oftmals als Buch mit sieben Siegeln empfunden wird, für jedermann verständlich zu machen, beschränkt man sich auf die Inszenierung des Alltages sozialer Brennpunkte. Klar, das ist spannend, das ist unterhaltsam, doch mit einem tatsächlichen Gerichtsverfahren hat dieses Laientheater nichts zu tun.

Gerade im nächtlichen Programm offenbaren sich tiefe Abgründe. Barbrüstige Quizmoderatoren mit hirnabstinenten Rätselfragen, Hobbyastrologen mit hohlen Ratschlägen für z.T. gewichtige Existenzfragen. All das stetig unterbrochen von Werbeclips, die sexuelle Bedürfnisse suggerieren, die man gar nicht hat. All das selbstverständlich gegen entsprechendes Entgelt!

Der Begriff "Comedy" hat in den letzten Jahren eine gewaltige Wandlung erfahren. Lachte man einst über die satirischen Sketche Loriots, amüsierte sich in SketchUp über die Wandlungsfähigkeit eines Dieter Krebs, empörte sich über die Zoten eines Harald Schmidt, der gnadenlos die Gesellschaft vorführte, gelten heute "Komiker" wie Atze Schröder, dessen größter Gag seine alberne Perücke zu sein scheint, als Elite dessen, was eben ein Loriot einst im deutschen Fernsehen begründete.

Ich möchte noch kurz auf die neuen großen "Samstag-Abend-Shows" à la "Die ultimative Chart-Show" eingehen, die ausschließlich dazu konzipiert sind, dem Publikum anschließend das Geld aus der Tasche zu ziehen - Für eine CD zu irgendeinem Thema mit Songs, die man ohnehin schon auf irgendeiner anderen CD hat, aber eben nicht mit dem Label "Hit-Gigant", und auch nicht kommentiert von Musikexperten wie Cindy aus Marzahn oder Mario Barth. Dass es sich bei diesen Paraden um essenzielle gesellschaftliche Themen handelt, wird dadurch unterstrichen, dass sich sogar die Bundesvorsitzende der Grünen die Zeit nimmt, einzelne Songs zu kommentieren. So zeigt der moderne Politiker von heute Volksnähe, wohlmöglich begründet durch Gerhard Schröders fulminanten Auftritt in GZSZ anno 1998.

Ohne Frage haben die Qualität und das Niveau des Fernsehens abgenommen. Doch seien wir mal ehrlich: Genau das wollen wir doch sehen! Wir sind bequem, wir wollen schlicht und ergreifend unterhalten werden. Wir sind Voyeure und brauchen vielleicht gerade die Olli-Geißen-Show für unser Selbstwertgefühl.

Fernsehen ist eine gigantische Geldmaschinerie. Die Einnahmen durch Werbung, Telefonanrufe, CDs usw. rechtfertigen all die Sendungen, die wir zwar durchaus kritisieren, aber dennoch immer wieder einschalten. Solange wir bereit sind, all diesen Schwachsinn einzuschalten, erfüllen die Sendeanstalten ihren ureigentlichen Zweck, nämlich die Unterhaltung.

Die eigentliche Kritik hat vielleicht gar nicht den Sendern zu gelten, sondern uns, die wir bereit sind, uns auf diesem Niveau unterhalten zu lassen.