Kanzleramt, Mittwochs 20:15, ZDF

Hab es selbst nicht gesehen, war auch nicht sonderlin interessiert und zudem bin
ich Mittwochs auch schon zu sehr verplant...

Hier noch was zum lesen:

ZDF-SERIE "DAS KANZLERAMT"

Ein Schröder zum Knuddeln

Von Lutz Kinkel

Wirtschaft am Abgrund? Koalition paralysiert? Nicht im ZDF. Dort mendelt sich
der brutale Berliner Politikbetrieb zur Idylle, in der ein Kanzler noch Mensch
sein darf und Probleme beherrschbar sind. Das macht die zwölfteilige Serie "Das
Kanzleramt" nicht eben glaubwürdig - aber unterhaltsam.

Der Forschungsminister (Vadim Glowna) pfeift sich die falschen Pillen rein und
ist deswegen ein bisschen gaga: Tagsüber pöbelt er vor laufenden Kameras über
die Koalition, abends verprügelt er unschuldige Passanten. Irgendjemand muss
den Mann stoppen. Kanzler Andreas Weyer (Klaus J. Behrendt) kommt jedoch gerade
erst aus Asien zurück und hat selber Probleme mit der Gesundheit. Auf dem
Rückflug hat ein Wirbelsturm seine Maschine so durchgeschüttelt, dass er sich
die Rippen schwer geprellt hat. Endlich im Berliner Kanzleramt angekommen,
trifft der smarte Mittvierziger seinen Leibarzt. "Verzichten Sie sechs Wochen
auf Sex und Rock'n'Roll, dann wird das schon", sagt der Arzt lässig, während
sich Weyer mit schmerzverzerrtem Gesicht einen Stützverband über den lädierten
Oberkörper zieht.

"Glaubst Du, dass der Leibarzt von Konrad Adenauer in solch' einem Ton über den
Kanzler geredet hätte?" fragt Weyer seinen engsten Mitarbeiter, den Chef des
Bundeskanzleramtes Norbert Kraft (Robert Atzorn). "Kaum", sagt Kraft. "Und
warum suche ich mir keinen neuen Arzt?", fragt Meyer. "Noch ein Schmeichler im
Kanzleramt und wir können den Laden dicht machen", antwortet Kraft.

Dieser Dialog ist typisch für "Das Kanzleramt": schnell, amüsant und mit einer
Spitze auf den realen Politikbetrieb gewürzt. Das hört und sieht man gerne,
auch weil hier nicht irgendwelche Soap-Darsteller dilettieren, sondern ein A-
Team deutscher Darsteller antritt: Neben Behrendt und Atzorn sind unter anderem
Herbert Knaup als Regierungssprecher und Heikko Deutschmann als verknautschter
Redenschreiber mit von der Partie.

Zwölf Folgen lang bevölkern sie im ZDF "Das Kanzleramt", immer mittwochs zur
Primetime um 20.15 Uhr. Dass noch in diesem Jahr eine Fortsetzung gedreht wird,
gilt aufgrund der erfolgreichen Screenings vor Redakteuren und Journalisten als
sehr wahrscheinlich: Autor Martin E. Süskind und Regisseur Hans-Christoph
Blumenberg stecken bereits in den Vorbereitungen. Sollte ihnen das Quotenglück
hold sein, könnte sich "Das Kanzleramt" sogar zur TV-Institution verfestigen -
das US-Vorbild "West Wing" läuft seit 1999 ohne Unterbrechung.

Und an Stoff mangelt es naturgemäß nicht: In der ersten Folge zum Beispiel geht
es nicht nur um desaströse Pressekonferenzen und geprellte Rippen, sondern auch
um die Entführung einer deutschen Touristengruppe in Lateinamerika. In dieser
Sache ermittelt die neue Abteilungsleiterin Außenpolitik (Claudia Michelsen),
eine schöne Intelligenzbestie, der es im Handumdrehen gelingt, den Chef der
Entführer festzusetzen. Schließlich hält sich der Bösewicht - was für ein
glücklicher Zufall! - gerade in Berlin auf. Auf dem Bildschirm gibt es eben
nicht nur Probleme, sondern auch jede Menge toller Lösungen.

Über den Realitätsgehalt der Serie haben sich bereits einige Experten
ausgelassen. Horst Teltschik, ehemals Helmut Kohls außenpolitischer Berater,
sagte der "Hörzu", im realen Kanzleramt gehe es wesentlich "härter und
hektischer" zu: "Es wäre ja positiv, wenn es einen Kanzler gäbe, der sich nach
dem neugeborenen Kind seines Mitarbeiters erkundigt. Andererseits weiß ich,
dass man für so etwas keinen Kopf hat bei 20 bis 30 Terminen am Tag."

Ähnlich äußerte sich Wolfgang Nowak, zwischen 1999 und 2002 Planungschef im
Bundeskanzleramt, im "Stern". Bei der Entführung deutscher Touristen würde
normalerweise ein Krisenstab eingesetzt, so Nowak, dass in der Serie die
Abteilungsleiterin eine "Bella Block"-Nummer hinlege, sei schlichtweg "Quatsch".
Auch der fürsorgliche Umgang des TV-Kanzlers mit seinem durchgedrehten Minister
sei unrealistisch: "Alles wird gut, will uns das Fernsehen sagen. Politik aber
ist grausam, vor allem zu ihren Repräsentanten. Sie lässt Freundschaft nicht zu."

Die Filmemacher, mit solchen Vorwürfen konfrontiert, nehmen für sich ihren
künstlerischen Spielraum in Anspruch. Es könne nicht darum gehen, die "heute-
Nachrichten mit anderen Mitteln weiterzuerzählen", meint Produzent Ulrich Lenze
von der Cinemedia. Und Martin E. Süskind, Ex-Chefredakteur der "Berliner
Zeitung" und Autor von fünf Serienfolgen, sagt: "In der Serie ticken die Uhren
natürlich anders. Politische Probleme werden in einem Bruchteil der Zeit, die
normalerweise notwendig wäre, gelöst. Alles ist stark verdichtet, verkürzt,
sicher auch vereinfacht. Aber das ist eben Fiktion. Wir machen keine
Dokumentation über Politik in Deutschland."

Und genau dafür sollte sich die Regierung Schröder beim ZDF bedanken. Eine
Dokumentation über die Berliner Machtmaschine würde die Zuschauer
wahrscheinlich schockieren, die Serie hingegen unterhält und versöhnt. Denn der
Zuschauer lernt mit jeder Folge: "Die da oben" sind auch nur Menschen und sie
wollen eigentlich nur unser Bestes. Und die Probleme, herrje, die bekommt man
schon in den Griff, wenn man nur die Ärmel hochkrempelt. "Schön wär's" sollte
auf dem Abspann stehen - in fetten, großen Lettern.
Quelle: Spiegel.de

Die Seite zur Serie beim ZDF: Link