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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Konsequenzen der geplanten Bahnprivatisierung - S-Bahn Chaos in Berlin



DerBademeister
09.07.2009, 14:26
Gründlich kaputtgespart

Der durch die systematische Verschleppung von vorgeschriebenen Wartungsarbeiten seit einer Woche stark eingeschränkte Betrieb der Berliner S-Bahn wird frühestens im September wieder in vollem Umfang laufen.

[...]Als Ursache sehen S-Bahn-Mitarbeiter die im Zuge des angestrebten Börsengangs von der Bahn AG geforderten immer höheren Gewinnabführungen. Aus der Mittelfristplanung des Konzerns, die ddp vorliegt, geht hervor, daß die mit rund 250 Millionen Euro pro Jahr aus dem Berliner Landeshaushalt subventionierte S-Bahn in diesem Jahr mit 87,7 Millionen Euro einen um 50 Prozent höheren Gewinn als 2008 an die Deutsche Bahn abführen sollte. Damit hätte sich der zu überweisende Betrag seit dem Jahr 2005 verfünffacht.
http://www.jungewelt.de/2009/07-08/001.php

Derlei Auswirkungen der geplanten Privatisierung unseres Volkseigentums gibt es natürlich nicht nur in Berlin. Diese Qualitätseinbußen werden sich noch massiv verstärken, wenn unsere Bahn (deren Infrastruktur ca. 160 Mrd Euro wert ist) erst für unter 10 Milliarden an der Börse verschachert wird. Der Anreiz für die Politik wird nach der Bundestagswahl sicherlich noch stärker sein, da die öffentlichen Haushalte durch die massive Neuverschuldung dank Bankster-rettungspakete nach dem schnellen Euro nur so lechzen werden.

Wohin die reale Privatisierung öffentlicher Infrastruktur führt, sehen wir an den ehemaligen Staatsbahnen in Großbritannien und Neuseeland - sie kosten den Steuerzahler im Endeffekt mehr, und der Service sinkt ins Bodenlose. Ganze Landstriche werden vom Bahnnetz abgeknipst, da unrentabel. Solche Pläne mit massiven Streckenstillegungen im ländlichen Raum (wo die Bahn oft die einzige Alternative zum Auto ist) hat übrigens auch unsere DB schon für die Zeit nach der Privatisierung erstellt, die unklugerweise an die Öffentlichkeit durchsickerten trotz der Totalüberwachung durch Stasi-Mehdorn.

Die in den 90er Jahren privatisierte neuseeländische Bahn hatte die dortige Verkehrsinfrastruktur derart ins Chaos gestürzt, dass sich der Staat gezwungen sah die Bahn vom privaten Betreiber wieder zurückzukaufen - allerdings für den doppelten Preis dessen wofür man das Volkseigentum nur wenige Jahre zuvor verschachert hatte.

Jeder der plant, im September SPD, oder insbesondere CDU/CSU bzw. FDP zu wählen sollte bedenken, dass ein Börsengang bei einem starken Stimmenanteil dieser privatisierungsgeilen Parteien in absehbarer Zeit stattfinden wird, wahrscheinlich sobald sich die Börsen einigermaßen erholt haben. Wer auf die Bahn angewiesen ist, sollte sich daher gut überlegen ob es sinnvoll ist, diese Parteien zu wählen.

Voltago
14.07.2009, 08:37
Dort wo es einen Verlierer gibt (Bahnqualität), gibt es auch immer einen Gewinner und der ist die Autoindustrie.
Man kann das also auch Positiv sehen, gesamtwirtschaftlich.

Dr.BrainFister
14.07.2009, 08:43
...Jeder der plant, im September SPD, oder insbesondere CDU/CSU bzw. FDP zu wählen sollte bedenken, dass ein Börsengang bei einem starken Stimmenanteil dieser privatisierungsgeilen Parteien in absehbarer Zeit stattfinden wird, wahrscheinlich sobald sich die Börsen einigermaßen erholt haben. Wer auf die Bahn angewiesen ist, sollte sich daher gut überlegen ob es sinnvoll ist, diese Parteien zu wählen.
ich halte auch nichts von diesem börsengang. welche parteien sind denn deiner ansicht nach glaubhaft dagegen?


Dort wo es einen Verlierer gibt (Bahnqualität), gibt es auch immer einen Gewinner und der ist die Autoindustrie.
Man kann das also auch Positiv sehen, gesamtwirtschaftlich.
das ist ja eine tolle logik. als würde man sagen: baut wieder mehr atomkraftwerke, denn die kraftwerksbetreiber und zulieferer sind dann die gewinner. juhu! :gaga: hast du beim bwl-kaffeeklatsch eigentlich auch das ganzheitliche prinzip mit einbezogen? also z.b. berücksichtigt, dass durch mehr autos auf den straßen mit wachsenden umweltschäden auch wieder zu kompensierende finanzielle einbußen entstehen, die dann z.b. wir als steuerzahler tragen?


.

Reiner
14.07.2009, 13:09
Ein ursprünglich als gemeinnützliches Unternehmen der Bundesbürger soll also an die Börse. Gewinnmaximierung ist so das eigentliche Ziel. Wie zu beobachten ist dies zu erreichen mit Sparen auf unrentablen Strecken und ähnliche Massnahmen.

Eigentlich wäre es zudem eine "Enteignung des ursprünglichen Volkseigentum", denn die Bahn wurde mit Steuergeldern erschaffen.

Ähnliches erlebt man ja mit der Post. Viel "unrentable" Filialen wurden geschlossen. Die Oma auf dem Dorf muss also zusehen wie sie ihren Brief oder Paket in die nächste Stadt bekommt.

Was wäre wenn wir, wie in USA, die Rettungsdienste komplett privatisieren? Ein Wettrennen um lukrative Unfallfahrten, aber ein liegen bleiben von unrentablen Diensten.

Gar die Krankenhäuser vollständig privatisiert und es kann vorkommen, auch wie in USA, das ein Rettungswagen verzweifelt ein Krankenhaus suchen muss, das den Patienten auch aufnimmt.

Ich finde solche Dinge sehr bedenklich. Im Anblick der Krise wurde einiges gestoppt, doch nichts ist so vergesslich wie der Mensch (!) ...

DerBademeister
14.07.2009, 16:53
Die Post in dem Kaff (Vorort von München, 11.000 Einwohner) wo ich derzeit wohne, wurde auch geschlossen. Stattdessen gibt es nur noch eine winzige DHL Servicestelle im örtlichen Supermarkt. Auch dies eine Konsequenz vom 30 Mio Abfindungs-Steuerhinterzieher Klaus Zumwinkel, der die Gewinne der Kosteneinsparungen in weitgehend wertlose Logistikunternehmenszukäufe aus Übersee steckte.

@ Brain: Die einzige der derzeit im Bundestag sitzenden Parteien die glaubhaft gegen den Börsengang ist, wäre die LINKE. Die Grünen haben 7 Jahre in der Schröder-Regierung an Privatisierungen und Deregulierungen fleißig mitgewirkt (wofür Fischer nun ja auch mit einem Job in der Energieindustrie belohnt wurde, ebenso wie sein Kollege Schröder). Diese Partei ist eher eine FDP light mit Ökoanstrich, für mich daher nicht mehr wählbar.

Eine Verlagerung von der Bahn aufs Auto wäre sowohl ökologisch als auch infrastrukturell für Deutschland eine Katastrophe - und zwar gerade für die Menschen die weniger Geld haben und auf einen bezahlbaren, anteilig steuerfinanzierten öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind. Dies betrifft übrigens nicht nur die Bahn - in Hessen ist beispielsweise testweise eine Autobahn teilprivatisiert worden. Solche Privatisierungen von öffentlicher Infrastruktur kosten uns Steuerzahler in den meisten Fällen am Ende immer wesentlich mehr, da die privaten Betreiber kein Interesse an Investments und Streckenpflege haben, und folglich irgendwann der Staat einspringen muss. Union und SPD werden beispielsweise selbst jetzt in der Krise noch offensiv mit einer massiven Ausweitung der PPP (Öffentlich-private Partnerschaften, z.B. öffentliche Gebäude die von Unternehmen finanziert und dann vom Staat geleast werden auf Jahrzehnte) - obwohl selbst der Bundesrechnungshof festgestellt hat, dass diese PPP den Steuerzahler wesentlich mehr Geld kosten.

So gab Ex Bahnchef Mehdorn gerne mit den Milliardengewinnen der Bahn an. Dabei ließ er unerwähnt, dass die Bahn noch immer jedes Jahr mehrere Milliarden Infrastrukturgelder vom Staat bekommt um ihr Netz zu pflegen - ohne diese Subventionen hätte er aber nicht hohe Gewinne in seinen Bilanzen ausweisen können (nebst den Boni für sich und die Vorstandskollegen), sondern Milliardenverluste.

Ohne solche Zuschüsse vom Steuerzahler ließen sich Gewinne nur durch eine ganz massive Streichung "unrentabler" Strecken erreichen (wie in den Planungspapieren der Bahn auch schon berücksichtigt) - damit wären die ländlichen Regionen praktisch abgeknipst, mit den entsprechenden Konsequenzen.

Der gezielte Verkauf öffentlicher Krankenhäuser an private Klinikkonzerne wie Asklepios, den Rainer hier schon ansprach, ist ähnlich gelagert. Die Qualität der Leistungen sinkt, die Mitarbeiter werden wesentlich schlechter bezahlt als vorher (und sind entsprechend demotiviert), die Kommunen zahlen langfristig drauf - nur die Konzerne machen, wie z.B. Rhône oder Asklepios - fette Gewinne in Milliardenhöhe. Der Kreis schließt sich, wenn man betrachtet, welche Politiker häufig von diesen Konzernen beschäftigt werden.

nevermore
14.07.2009, 17:40
Ähnliches erlebt man ja mit der Post. Viel "unrentable" Filialen wurden geschlossen. Die Oma auf dem Dorf muss also zusehen wie sie ihren Brief oder Paket in die nächste Stadt bekommt.

Das kann ich jetzt nicht ganz nachvollziehen. Die Flächendeckung privater Anbieter wie z.B. Hermes ist wesentlich besser als die der Post. Allein hier am Ort gibts mindestens vier Paketshops, die mir spontan einfallen. Noch dazu ist Hermes billiger und bietet sogar an, die Pakete zu Hause abzuholen. Und Briefkästen gibts nun wirklich immer noch in jedem Kaff.

Teylen
14.07.2009, 17:42
sie kosten den Steuerzahler im Endeffekt mehr, und der Service sinkt ins Bodenlose.
Welcher Service?
Schon vor einer eventuellen Privatisierung kam die Idee auf Service Point mit Service Fees und für nette Angestellte war die Bahn auch nicht berühmt.


Solche Pläne mit massiven Streckenstillegungen im ländlichen Raum (wo die Bahn oft die einzige Alternative zum Auto ist) hat übrigens auch unsere DB schon für die Zeit nach der Privatisierung erstellt, [..]
Sie hat sie nicht für die Zeit nach der Privatisierung erstellt.
Sie hat munter hier und da Strecken wegfallen gelassen.

In einem ländlichen Raum wie der Eifel hat man auch ziemlich verloren wenn man auf eine Alternative zum Auto in Form einer Bahn hofft. Zumindest kenne ich keine / kaum Dörfer in der Eifel, die bei Einwohnerzahlen <=9000 einen Bahn Anschluß haben.
Sogar bei den kleinen Dörfern langs des Rhein und der Mosel fährt die Bahn öfter durch.

Insofern war die Bahn keine Alternative zum Auto.
Zumal sie auch noch ziemlich schweinisch teuer ist.

DerBademeister
14.07.2009, 18:52
Welcher Service?
Schon vor einer eventuellen Privatisierung kam die Idee auf Service Point mit Service Fees und für nette Angestellte war die Bahn auch nicht berühmt.


Sie hat sie nicht für die Zeit nach der Privatisierung erstellt.
Sie hat munter hier und da Strecken wegfallen gelassen.

In einem ländlichen Raum wie der Eifel hat man auch ziemlich verloren wenn man auf eine Alternative zum Auto in Form einer Bahn hofft. Zumindest kenne ich keine / kaum Dörfer in der Eifel, die bei Einwohnerzahlen <=9000 einen Bahn Anschluß haben.
Sogar bei den kleinen Dörfern langs des Rhein und der Mosel fährt die Bahn öfter durch.

Insofern war die Bahn keine Alternative zum Auto.
Zumal sie auch noch ziemlich schweinisch teuer ist.

Es gibt genug Statistiken die belegen dass die Pünktlichkeit der Bahn - ein wichtiger Faktor für die Qualität dieser Infrastruktur - seit der Ausrichtung an Gewinnmaximierung und Vorbereitung der Privatisierung massiv abgenommen hat. Das Streckennetz wurde ausgedünnt. Die beliebten "Langsamfahrstellen" nahmen massiv zu, da Reparaturarbeiten Herrn Mehdorns "Gewinne" geschmälert hätten.

Das bedeutet nicht dass vorher alles perfekt war. Unfreundliche Staatsbedienstete hat es immer gegeben und wird es immer geben. Hier geht es aber um die Verramschung von Volkseigentum zum Spottpreis, Volkseigentum das seit 150 Jahren von unseren Steuergeldern aufgebaut wurde. Volkseigentum dass deshalb Volkseigentum und nicht Privateigentum ist, weil auch die Menschen abseits der Großstädte ein Anrecht auf eine vernünftige Infrastruktur haben.

DerBademeister
29.09.2009, 14:41
Wie nicht anders zu erwarten:

Neue Koalition forciert Bahn-Privatisierung

Nach dem schwarz-gelben Regierungswechsel wollen die künftigen Koalitionsparteien CDU/CSU und FDP einen neuen Anlauf zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn unternehmen. Auch bei dem neuen Anlauf sollen aber Teile der Bahn in Staatshand bleiben.
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/neue-koalition-forciert-bahn-privatisierung;2462203

Wenn es dann 2013 rot-rot-grün geben sollte, können diese die marode Bahn dann für den doppelten Preis wieder zurückkaufen (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/498/441239/text/).

DerBademeister
05.03.2010, 13:25
Es war natürlich klar wo unsere Steuergelder hinfließen:

Bahn quetscht Schienennetz aus
Verkommene Gleise, hoher Profit
Die Deutsche Bahn lässt lieber Züge langsam fahren, als Gleise schnell zu reparieren. So kann sie viel vom Steuergeld, das für Infrastruktur gedacht ist, in den Konzerngewinn stecken. Aktuell gibt die DB Netz nach FR-Informationen 750 Millionen Euro dazu - Rekord.

Frankfurt a.M. Die Deutsche Bahn zieht Riesengewinne aus dem staatlich finanzierten Schienennetz. Die DB Netz AG wird nach Informationen der Frankfurter Rundschau den Rekordbetrag von rund 750 Millionen Euro an den Konzern abführen. Experten halten das angesichts der Qualitätsmängel und der drastischen Unterfinanzierung der Infrastruktur für einen Skandal.
http://www.fr-online.de/top_news/?em_cnt=2379977&em_loc=2091

Da weiß man auch wieso die Züge schon bei Ankündigung von ein paar Schneeflocken vor Schreck aus den Gleisen hopsen. Ältere Bahnfahrer werden sich noch an diese Werbekampagne der "Behördenbahn" aus den 60ern erinnern:

http://einestages.spiegel.de/hund-images/2008/01/30/46/29a9ed896e6d4bd1791f7c333fcbdb7c_image_document_la rge_featured_borderless.jpg

Die heutige sexy Bald-Privatbahn setzt dagegen richtige Prioritäten:
http://www.haag-marketing.de/fileadmin/user_upload/Arbeiten/Bahn/BW/BAHN_Plakat_Singledate_BW.jpg

DerBademeister
02.12.2010, 13:51
Läuft die Bahn bei Euch auch so "geschmiert" wie bei mir, jetzt, wo der Winter da ist?

Dabei hatte man uns Münchnern eine Extrapackung besonders kuschelig heizender Weichen-wärmer versprochen damit weniger Züge wegen eingefrorenen Weichen ausfallen.