PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Rohtenburg



nosferatu
17.10.2009, 16:03
Kannibalismus ist in der Literatur und im Film nicht neu. Die größte Popularität hat zweifelsfrei die Figur des Hannibal Lecter erlangt. Im Jahr 2006 entstand ein weiterer Film, der sich dieses Themas annimmt: Rohtenburg (OT: Butterfly, a Grimm Love Story). Hier geht es um die junge Kriminalpsychologiestudentin Katie Armstrong (Keri Russell), die für ihre Abschlussarbeit in dem spektakulären Fall des "Kannibalen von Rohtenburg" recherchiert. In Rückblenden wird das Verbrechen nachgestellt: Oliver Hartwin (Thomas Kretschmann) sucht über das Internet einen Mann, der bereit ist, sich von ihm verspeisen zu lassen. Ein freiwilliges Opfer findet er mit Simon Grobeck (Thomas Huber). Die beiden Männer treffen sich tatsächlich, und es kommt zu der abscheulichen Tat...

Der Film, der unter der Regie des früheren Videoclip-Regisseur Martin Weisz entstand, erregte vor seiner geplanten Veröffentlichung 2006 recht großes Aufsehen. Es ist offensichtlich, dass er auf den mit großem Medieninteresse verfolgten Fall des Armin Meiwes anspielt. Dieser hatte eine einstweilige Verfügung gegen den Film erwirkt, da er seine Persönlichkeitsrechte verletzt sah und befürchtete, der Film könne ihm im Laufe seines Strafprozesses schaden. So dauerte es 3 Jahre, ehe der Film in die deutschen Kinos kam, wo er nur mit mäßigem Erfolg lief. Bereits 3 Monate später, im September dieses Jahres, wurde er auf den DVD-Markt geworfen und fand so seinen Weg in meine Sammlung.

Ich habe seinerzeit diesen unglaublichen Kriminalfall aufmerksam verfolgt. Ich konnte nicht begreifen, dass menschliche Abgründe so tief sein können, dass menschliche Begierde derartige Abnormitäten erreichen kann. Der Film versucht, die Motive des "Kannibalen von Rohtenburg" zu beleuchten und eine Erklärung zu finden, wie es zu diesem Verbrechen kommen konnte. In dokumentarischem Stil werden Kindheit und Jugend des Oliver Hartwin geschildert, wobei es kaum neue Erkenntnisse gibt. Er leidet unter seiner dominanten Mutter, ist ein einsamer Einzelgänger, hat ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität. All das weiß man aber auch aus der damaligen Berichterstattung. In diesem Zusammenhang begeht der Film den Fehler, Stellung zu beziehen und den Täter allzu einseitig darzustellen. Es ist durchaus angemessen, angesichts dieses Verbrechens schockiert und angewidert zu sein. Doch wenn der Film den Anspruch erhebt, eine reale Begebenheit nachzustellen, erwarte ich schon etwas mehr. Dass Meiwes beispielsweise trotz seiner Vorlieben eine berufliche Karriere vorzuweisen hatte, wird hier völlig unter den Tisch fallen gelassen. Insgesamt stellt der Film (bzw. die Studentin Katie, die die banale Rahmenhandlung trägt) zu wenige Fragen und gibt ergo zu wenige Antworten, welche die Hintergründe dieser Tat betreffen.

Also alles Käse? Nein, denn lässt man außer Acht, dass der Film als Dokumentation dieses realen, grauenvollen Verbrechens ungeeignet ist, bleibt ein stimmungsvoller Psychoschocker, der gelegentlich sogar einen Schauer über den Rücken zu jagen vermag, der handwerklich gut gemacht ist und in Hauptrollen gut besetzt ist. Damit erreicht er in meiner Bewertung aber auch nur einen guten Durchschnitt, zu mehr reicht es dann eben doch nicht.