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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Notwehr in Deutschland: Der Täter wird zum Opfer gemacht...



DerBademeister
07.11.2009, 13:59
...wie der Bock zum Gärtner:


Die Grenzen der Selbstverteidigung: Ein Mann wird angegriffen, sticht in Notwehr zu - und muss für fast vier Jahre ins Gefängnis.
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/225/453912/text/


Sven G. wurde an einer U-Bahn-Haltestelle von Jugendlichen attackiert, in Notwehr stach er einen Angreifer nieder. Richter schickten ihn deshalb fast vier Jahre ins Gefängnis - doch der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung auf. Jetzt wird der Fall neu aufgerollt.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,659320,00.html

Bei letzterem lausig formulierten SPIEGEL-Artikel muss man bedenken dass der BGH keineswegs den Fall neu aufrollt, sondern lediglich das Strafmaß zu hoch bewertet, da der strafmildernde Faktor der Schmerzensgeldzahlung des "Täters" an das "Opfer" zu wenig berücksichtigt wurden. Von der Schuld des Angeklagten ist auch der BGH voll überzeugt.

Ich finde diesen Fall gerade im Vergleich mit dem von Dominik Brunner interessant, der vor zwei Monaten an einer Münchner S-Bahn Haltestelle zu Tode geprügelt wurde weil er es wagte drei polizeibekanntliche Jugendliche am Abziehen einiger Kinder zu hindern. Hätte es Brunner geschafft die Täter zu überwältigen - z.B. in dem er seinen Hausschlüssel dem Anführer in den Hals stach - wäre er Heute keine Leiche mit Bundesverdienstkreuz um den verrottenden Hals, sondern säße für mehrere Jahre im Knast als gefährlicher Körperverletzer, während unsere bedauerlichen jugendlichen Intensivtäter sein Schmerzensgeld verschnupfen könnten.

Ich hätte zwar nicht gedacht dass ich das mal sage, aber hier setzt das amerikanische Justizsystem ganz andere, bessere Maßstäbe. Dort gibt es historisch gewachsen kein absolutes Gewaltmonopol des Staates wie im obrigkeitshörigen Deutschland, sondern jedem Bürger wird das Recht zugestanden Gefahren gegen Leib und Leben selbst abzuwenden, auch mit potenziell tödlicher Gewalt. Wer unprovoziert und mit voller Absicht vermeintlich wehrlose Opfer attackiert, muss schlicht und ergreifend damit rechnen mit einigen Schusswunden im Kranken- oder Leichenschauhaus zu enden. Der Amerikaner bürdet dem Täter also die Eigenverantwortung auf, für diese Straftaten auch die entsprechenden Konsequenzen in Kauf zu nehmen.

Nicht so in Deutschland, einem Land in dem der Täterschutz schon immer höchste Priorität hatte, während ein geflügeltes Wort besagt dass sich um die Opfer allenfalls der weiße Ring kümmert. Ein etwas pummeliger, angetrunkener, kampfunerfahrener Informatikstudent und sein Freund sehen sich also fünf ebenfalls angetrunkenen, gewaltbereiten und kampferfahrenen albanischen Jugendlichen gegenüber. Der Leitwolf streckt den Freund ohne Vorankündigung zu Boden und bedroht mit dem weltbekannten "Was guckst Du?" nun auch die körperliche Unversehrtheit unseres Info-studenten. Dieser reagiert allerdings nicht wie erwartet als leichtes Opfer dass sich brav zusammenschlagen lässt oder davonrennt und den niedergestreckten Freund hilflos zurücklässt, sondern wehrt sich instinktiv und verletzt den Angreifer lebensgefährlich.

Ergebnis: Richter Götzl empört sich darüber dass der Angeklagte es wagt sich als Opfer und nicht als Täter zu empfinden. Eine derartige Frechheit ist ihm noch nie untergekommen. Weil nicht sein kann was nicht sein darf - wer Täter ist, bestimmen schließlich unsere Halbgötter in den schwarzen Roben, und nicht der gesunde Menschenverstand - wird der zuvor völlig unbescholtene Mann vier Jahre in den Knast geschickt, schließlich hat er die Profifussballkarriere seines albanischen Mitbürgers verhindert.

Die Urteilsbegründung basiert dabei auf so interessanten Vergleichen wie dem Umstand dass unser übergewichtiger Info-student größer und schwerer als sein albanisches Opfer ist. Zwar ist der kampferprobt und hat noch vier Freunde dabei, aber die Gewalthoheit liegt ganz offensichtlich bei der deutschen Kartoffel. Er ist es also der die Situation kontrolliert, und unprovoziert und ohne Vorwarnung sowie mit 1,8 Promille vollgetankt, geplant und gezielt dem Opfer in den Hals sticht. Anschließend maßt er es sich na, ob der vier sicherlich begeisterten Freunde des Opfers nicht niederzuknien und ihm erste Hilfe zu leisten, sondern seinem Fluchtinstinkt nachzugehen und sich vom Tatort zu verkrümeln. Spätestens hier ist für einen ordentlichen deutschen Richter klar, dass die volle Härte der Justiz bestrafen und so sicherstellen muss, dass das Gewaltmonopol für den Schutz von Opfern immer noch beim Staat liegt - und nicht beim Opfer selbst.

Meine eigenen Erfahrungen mit unseren jugendlichen Mitbürgern mit Migrantenherkunft sehen so aus, dass einem die Polizei, wenn sie überhaupt einmal kommt, eher davon abrät, überhaupt Anzeige zu erstatten. Dies führt, wenn überhaupt, ohnehin allenfalls zu etwas Sozialarbeit, sicherlich aber niemals zu einer Strafe die wehtut. Dafür kriegt der Anzeiger aber eine Hundertschaft der Sippe des Angeklagten an den Hals, die sich gerne "erkenntlich" zeigen. Eine Mühe also, die sich nicht lohnt. Der Durchschnittsdeutsche hat die Prügel gefälligst einzustecken und das Maul zu halten. Jedes Forenmitglied dass in einer deutschen Großstadt lebt und Abends ausgeht, hat sicherlich ähnliche Erfahrungen gemacht.

Unsere Staatsmacht wird gerade von unseren jungen, gewaltbereiten Mitbürgern mit Migrantenherkunft nur als lachhafter Witz empfunden, und dies völlig zurecht. Das liegt einerseits an einer grundlegenden Forderung von Parteien wie der FDP, die den schlanken Staat erzwingt - wozu eben auch eine massiv zusammengekürzte Polizei und Justiz gehören. So gibt es genug Großstädte wo eine einzige Polizeistreife in der Nacht für über 100.000 Bürger
zuständig ist, und keinerlei Zeit mehr hat auf "banale" Dinge wie Schlägereien überhaupt zu reagieren. Andererseits liegt es aber auch an den vielen Richter Götzl's, Menschen die völlig lebensfremd sind, abgehoben über der Normalbevölkerung thronen und eine derartige Extremsituation anhand ihrer Paragraphen monatelang zerfieseln um dann das Leben eines bisher unbescholtenen Bürgers zu ruinieren.

Angesichts solcher Urteile ist es geradezu lachhaft wenn unsere "Elite" aus Politik und Justiz vom Bürger Zivilcourage einfordert. Wer in sein Villenviertel mit Dienstwagen kutschiert wird kann dies sehr bequem einfordern, kriegt er doch selbst nichts mit vom Bodensatz der Gesellschaft welcher unbescholtenen Durchschnittsbürgern heute in jeder S-Bahn auflauert. Wer sich dann tatsächlich einmal tatkräftig wehrt statt das brave, dumme deutsche Opfer zu geben, ist der Dumme. Urteile wie dieses werden in Zukunft nur weiter dafür sorgen, dass mehr Menschen wegschauen und sich aus dem Staub machen, warum auch sollte man die eigene Gesundheit riskieren um einen Freund zu beschützen, wenn man dafür vom Richter über Jahre in den Knast zu genau den Menschen gesteckt wird gegen die man sich gewehrt hat?

Nein, auch wenn es polemisch ist, aber manchmal ekelt mich dieses Land mit seiner wieselig duckmäuserischen "Elite" einfach nur an.

Vile
07.11.2009, 14:35
Ich stimme zu.
Das deutsche Rechtssystem an sich ist vollkommen überaltert und gehört grundlegend überarbeitet.

DerBademeister
07.11.2009, 15:11
Ich stimme zu.
Das deutsche Rechtssystem an sich ist vollkommen überaltert und gehört grundlegend überarbeitet.

Die Richter haben durchaus weite Ermessensspielräume, alle Schuld mangelhaften Gesetzen zuzuschieben greift deshalb zu kurz. Beispielsweise hatten die Mörder von Dominik Brunner ein Vorstrafenregister das ganze Aktenwände füllte, und wären in den meisten anderen Justizsystem schlichtweg schon längst nicht mehr auf freiem Fuß gewesen um diesen Mord zu begehen.

Der Text vermittelt eher den Eindruck dass der Richter ziemlich sauer darüber war dass der Angeklagte es wagte sich als Opfer zu sehen, und somit den Sinn des Verfahrens bzw. im weiteren Sinne die Kompetenz von Staatsanwalt und Richter anzweifelte. Das harte Urteil verstehe ich insofern auch so dass dem Angeklagten glasklar aufgezeigt werden sollte wer die Macht und die Deutungshoheit über das "Recht" hat.

Sicherlich hat der Angeklagte Fehler begangen, vor Allem darin dass er selbst nicht die Polizei gerufen hat als er wieder in Sicherheit war. Man muss sich jedoch fragen ob das Grund genug ist einen nicht vorbestraften Bürger über Jahre in den Knast zu stecken, der voll im Leben steht, eine exzellente Sozialprognose hat und weder gewalttätig ist noch eine Wiederholungsgefahr aufweist. Insbesondere wenn man dieses Urteil mit unseren jugendlichen Intensivtätern mit Migrantenhintergrund vergleicht, die selbst nach dutzenden Straftaten und Körperverletzungen keine Gefängnisluft schnuppern, und über die Zahnlosigkeit der deutschen Justiz nur lachen. Strafe soll vor Allem eine erzieherische Wirkung haben, aber wie wird jemand "resozialisiert" der für Jahre ins Loch wandert weil er in einer Extremsituation extrem reagiert hat um sich und seinen Freund vor Gefahr zu schützen?

Falcon
07.11.2009, 15:46
Naja, dass die Tat nicht als ganz "normale" Notwehr behandelt wird, kann ich sogar noch halbwegs verstehen. Das Strafmaß ist meinem Empfinden nach allerdings in der Tat zu hoch. So wie ich den Artikel verstehe, hätte die Gesetzeslage auch ohne Probleme ein milderes Urteil hergegeben, aber das Schwurgericht (war nicht nur ein Richter allein) entschied sich offenbar anders.

Amerikanische Verhältnisse wünsche ich mir bei solchen Sachen allerdings keinesfalls. Dort darf man mitunter ja schon ungestraft jemanden abknallen, der ohne zu fragen aufs eigene Grundstück kommt.

Reiner
07.11.2009, 17:32
Naja, dass die Tat nicht als ganz "normale" Notwehr behandelt wird, kann ich sogar noch halbwegs verstehen. Das Strafmaß ist meinem Empfinden nach allerdings in der Tat zu hoch. So wie ich den Artikel verstehe, hätte die Gesetzeslage auch ohne Probleme ein milderes Urteil hergegeben, aber das Schwurgericht (war nicht nur ein Richter allein) entschied sich offenbar anders.

Amerikanische Verhältnisse wünsche ich mir bei solchen Sachen allerdings keinesfalls. Dort darf man mitunter ja schon ungestraft jemanden abknallen, der ohne zu fragen aufs eigene Grundstück kommt.

So isses wohl.

Nun, da ich gerade mit Strafrecht (StGB, StPO) langsam zu tun habe, kann ich folgendes sagen: Zur Abwehr einer konkreten, gegenwärtigen Gefahr gibt es verhältnismäßige und unverhältnismäßige Mittel. Die Beurteilung und Anwendung des Gesetzes muss und wird immer wieder auf den jeweiligen Einzelfall anzuwenden und zu prüfen sein. Schauen wir einfach rein, wonach ein Richter zu gehen hat:


Strafgesetzbuch

§ 32
Notwehr.
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.


Es ist somit geregelt was "Notwehr" ist. Entscheident ist Absatz 2, hier besonders die Formulierung "... die erforderlich ist". Wenn also jemand mit der Faust auf einem zukommt, ist das Ziehen eines Waffe (Messer mit mehr als 12 cm Klinge sind solche) oder eines anderen gefährlichen Gegenstandes sicher nicht die "erforderlichen, mildesten Mittel". Notwehr hat also Grenzen und es gibt nur wenige "Entschuldigungsgründe" (emotional):


§ 33
Überschreitung der Notwehr
Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.



Darüber hinaus könnte höchstens noch gelten:


§ 34
Rechtfertigender Notstand.
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.


Entscheiden ist der Satz "wesentlich überwiegt". Dies ist ein Extrem:

§ 35
Entschuldigender Notstand.
(1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.

(2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.


"Rechtfertigungsgründe" sind immer rational, "Entschuldigendungsgründe" sind emotional. Hierfür gibt es kaum Beispiele, eines wäre eine Seilschaft im Berg. 2 Personen hängen in Notlage an einem Seil und nur das Kappen des Seiles - und somit das Opfern einer Person - zur Rettung des eigenen Lebens, wäre ein Solches. Oder ein Arzt entdeckt unter mehreren Unfallopfern sein eigenes Kind und bevorzugt es beim Abtransport mit dem ersten Rettungswagen. Dieses wären solche Fälle.

Eines bleibt klar: Ein Richter ist unabhängig und die Gesetze können immer wieder auf andere Weise gewichtet werden, Ermessen und Verhältnismäßigkeit sind von höchster Bedeutung.


Besonder deutlich wird das im Straßenverkehr. Hier hat der Paragraph 1 StVO erhöhte Bedeutung und wird gerne vergessen:



Straßenverkehrsordnung
§ 1
Grundregeln.
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Deshalb gibt es eben kein "Vorrecht" auf ein Gebots-/Verbotszeichen. Wenn jemand eine grüne Ampel hat, hat er trotzdem sicher zu sein, dass niemand in ihn reinfährt. Unabhängig davon das ein "bei rot Durchfahrender" natürlich seine Strafe erhalten würde, bleibt zu prüfen, ob der mit grüner Ampel hätte einen Unfall vermeiden können, wenn er langsamer gewesen wäre oder einfach nur geschaut hätte. Somit besteht die stetige Gefahr der "Teilschuld". Die immer agressivere Fahrweisen sind da der STVO völlig entgegenstehend und nicht hilfreich.

Uliamos
07.11.2009, 17:58
Bei letzterem lausig formulierten SPIEGEL-Artikel muss man bedenken dass der BGH keineswegs den Fall neu aufrollt, sondern lediglich das Strafmaß zu hoch bewertet, da der strafmildernde Faktor der Schmerzensgeldzahlung des "Täters" an das "Opfer" zu wenig berücksichtigt wurden. Von der Schuld des Angeklagten ist auch der BGH voll überzeugt.

Also die Sache an der Verhältnismäßigkeit der Notwehr- / Nothilfereaktion aufzuhängen, finde ich ebenfalls durchaus plausibel und nachvollziehbar. Auf Seiten der Albaner waren keine Waffen im Spiel und der Angegriffene geht mit einem Messer auf die Halsschlagader los. Nichtsdestotrotz hätten natürlich die Gesamtumstände zu einer massiveren Milderung führen müssen.

Hinsichtlich deiner Wiedergabe des Spiegelartikels solltest du aber vielleicht darauf achten, zu erwähnen, dass der BGH nicht nur die Nichtberücksichtigung der Schmerzensgeldzahlung gerügt hat, sondern außerdem auch gesagt hat: "Der BGH sieht auch die Einlassung des Täters nicht genügend gewürdigt, zuerst angegriffen worden zu sein und sich als Opfer gefühlt zu haben."

Und "lausig formuliert" ist ehrlich gesagt ne Untertreibung, sprechen die in dem Artikel gleich im vierten Absatz doch einmal vom Oberlandesgericht und meinen den BGH. Autsch, das tut einfach nur weh!


Nun, da ich gerade auch mit Strafrecht (StGB, StPO) langsam zu tun habe, bleiben diese Dinge wichtig:
- Zur Abwehr einer Gefahr gibt es Mittel und Wege, das Verwenden einer Waffe oder gar bewusst stark verletzen oder gar Töten des Gegenübers ist sicher nicht das "mildeste Mittel". Notwehr hat nichts mit Waffeneinsatz zu tun. Lediglich in einer Extremsituation wäre das ein Entschuldigungsgrund:
Da hab ich aber was anderes gelernt (oder ich versteh dich grad komplett falsch): Bei Notwehr findet grundsätzlich keine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter statt, heißt auch jemanden zu Töten oder schwer zu verletzen, kann unter Umstanden das einzig mögliche und somit mildeste Mittel zur Abwehr des Angriffes sein. Auch Waffeneinsatz kann vom § 32 StGB durchaus gedeckt sein. Sogar der Einsatz lebensgefährlicher Waffen. Wenn ich hier mal den Tröndle/Fischer zitieren darf: "Der Einsatz einer lebensgefährlichen Waffe ist aber, jedenfalls gegenüber einem unbewaffneten Angreifer, zunächst anzudrohen, wenn dies nach der Kampflage möglich und Erfolg versprechend ist und nicht erkennbar nur zu einer weiteren Eskalation des Angriffs führen würde."
Notwehrexzess (wie er möglicherweise hier vorlag) ist dann vom § 33 StGB abgedeckt.

Reiner
07.11.2009, 18:47
... den Einleitungspassus hab ich schon zwischendurch angepasst. ;)

Mmmh, Notwehrexcess ... verdeutliche mal wie man Waffenanwendung an einem Unbewaffneten als mildestes Mittel begründen könnte. Konkreter Sachverhalt wäre hilfreich.


§ 33 ...Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken ...

Es wird immer zu Begründen sein, wie man solche Entschuldigungsgründe nachweisen und im Einzelfall belegen kann. Das Ganze zeigt allein schon welche Bedeutung dem Richter - und allein dessen Abwägung und Beurteilung - hier zukommt.



(Definitionshinweis: Unter Rechtsgut im dt. Recht versteht man individuelle und kollektive RGs. Individuell sind eben diese: Leben, Leib (Gesundheit), Freiheit, Ehre, Eigentum. Kollektive RGs sind dann noch die objektive Rechtsordnung (alle Gesetze) und die Funktion, Bestand und Einrichtungen des Staates.)

Uliamos
07.11.2009, 21:33
Mmmh, Notwehrexcess ... verdeutliche mal wie man Waffenanwendung an einem Unbewaffneten als mildestes Mittel begründen könnte. Konkreter Sachverhalt wäre hilfreich.
Mein Zitat bzgl. der Waffenanwendung einem Unbewaffneten gegenüber entstammte dem Kommentar zum § 32 StGB. Und ich habe ja bereits gesagt, dass ich es hier als zweifelhaft ansehe, ob das Messer im vorliegenden Fall "verhältnismäßig" angewandt wurde. Nur wenn der in Panik reagiert, dann denkt der wahrscheinlich nicht mehr weiter drüber nach, wo der seinem Angreifer noch hätte hinstechen können. Aber um hier zu einem eindeutigen Schluss zu kommen, langen die Angaben in dem Artikel nicht. Insofern gebe ich dir hier voll und ganz Recht, dass das ne Einzelfallentscheidung ist. Die hier nunmal zu Ungunsten des Täters ausgegangen ist. Scheinbar aber, wenn man dem BGH Glauben schenkt, zurecht.

Als Beispiel, wo man Waffenanwendung gegenüber einem Unbewaffneten als mildestes Mittel ansehen kann, könnte ich mir vorstellen, wenn ein schmächtiger Mensch von einer Gruppe oder von mir aus auch nur von einem angegriffen wird, der deutlich mehr Masse und Kraft aufbringt, gegen den die "Fäustchen" des Angegriffenen nichts ausrichten können. Die Notwehrhandlung muss ja geeignet sein, um den Angriff abzuwehren. Wenn dem Angegriffenen also keine Alternative bleibt, schnellstmöglich sich und sein Leben zu schützen, ist Waffenanwendung im Rahmen der möglichen Notwehrmittel. Was anderes ist es natürlich, wenn wir uns im Problemfeld der Notwehrprovokation befinden, und dann dem Angegriffenen nurmehr Schutzwehr bleibt und Trutzwehr ihm verwehrt ist. Im Übrigen ist ja Waffenanwendung nicht mit tödlichem Einsatz gleichzusetzen, wie du das grad vielleicht meinst.

Reiner
08.11.2009, 10:50
... natürlich nicht gleich tödlich. Ja, könnte so passen. Nun, auch hier würde man im Einzelfall jeweils prüfen, ob ein schmächtiger Mensch gegen einen stärkeren, nicht z.B. durch einen Stock oder anderes Hilfsmittel nicht auch zum Ziel gekommen wäre. Das sog. "mildeste Mittel" ist immer wieder das Dilemma - auch für jeden, inkl. Polizei etc.

Dr.BrainFister
08.11.2009, 11:21
zwischen all der gesetzestheorie (und bademeisters üblicher deutschland-schelte :sleep:) sollte man auch nicht vergessen, dass gerichte in ihren entscheidungen eine signalwirkung sehen. die auslegung der gesetzteslage kann schließlich einfluss auf unser gesamtgesellschaftliches bild von moral nehmen. moral ist nunmal kein natürlich gewachsener wert, sondern etwas, das für uns menschleins erst definiert werden muss.

wenn ein gericht die botschaft aussendet, dass es in ordnung ist, sich mit tödlichen waffen zu wehren, was wäre dann die konsequenz? auch diesen gedanken müssen richter beim fällen ihres urteilsspruches mit einbeziehen. will man diese art von selbstjustiz legitimieren? will man die bevölkerung darin bestärken, sich zu bewaffnen und damit eine aggressivere grundstimmung im öffentlichen leben heraufbeschwören?

letztlich gibt es in solchen fällen keine optimale entscheidung, die allen seiten gerecht wird. vielleicht sollte man das beim naiv-idealisierten kritisieren solcher entscheidungen berücksichtigen. solange man nur im stuhl des naseweißen internet-diskutierers und nicht in dem des tatsächlich handelnden sitzt, ist es immer einfach, den ersten stein zu werfen.


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Reiner
12.11.2009, 17:32
Ich stimme zu.
Das deutsche Rechtssystem an sich ist vollkommen überaltert und gehört grundlegend überarbeitet.

Da ich seit rund 2 Monaten intensiv damit zu tun habe, kann ich (überraschenderweise) sagen: Nein, kann man so allgemein nicht sagen.

Was man sagen kann ist, dass die Interpretation, Auslegung und Kommentierung natürlich jeweils vom gerade entscheidenden Richter abhängt. Somit ist mal die Gewichtung in diese oder jene Richtung möglich. Richter sind unabhängig und haben demnach viel Macht. Somit sollten sie zur Elite des Rechtsverständnisses gehören - was durchaus auch so ist.

Vielfach missversteht man die Aufgabe der Judikative des Staates. Es ist eben nicht generell und überall Recht zu sprechen. Von 100 % Straftaten werden z.B. etwa nur ca. 60% bekannt. Davon wiederum kommen vielleicht ca. 30 % vor Gericht und wiederum davon nur wenige Prozent zu einem richtigen Urteil.

Vile
12.11.2009, 18:54
Dann kann man wohl sagen, daß die Richter an sich überaltert sind?!
Denn von der Mentalität her unterscheiden sich Generationen doch sehr.

Dr.BrainFister
12.11.2009, 20:36
Dann kann man wohl sagen, daß die Richter an sich überaltert sind?!
Denn von der Mentalität her unterscheiden sich Generationen doch sehr.
also gehst du davon aus, dass jüngere richter dem verurteilten gesagt hätten: "voll krass, alder, hast du geile messer-action gemacht! coole sache, lass uns mal zusammen bangen gehen, yo!"

oder inwiefern sollen deiner meinung nach jüngere richter tolleranter oder weltoffener sein als ältere? woran machst du das fest? an deinen vorurteilen oder an konkreten fakten?

die generation, die du als alt bezeichnest, hat es immerhin noch geschafft, für ihre ideale auf die straße zu gehen und sich gegen soziale missstände zur wehr zur setzen. während wir ach so weltoffenen youngsters hauptsächlich träge vor´m pc sitzen und virtuelles um-die-wette-schlauschwätzen betreiben.


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Vile
12.11.2009, 21:10
Ich würd bestimmt keinen Gangsta als Richter oder Staatsanwalt wollen.
Mit überaltert hab ich nur am Rande das Alter an sich gemeint, sondern vor allem die Mentalität.
In der Umgebung in der ich mich befinde, hegen viele Leute Gefühle für den Staat und die Justiz, die in die Richtung von 'falsch besetzt' bis 'inkompetent' gehen. Es werden sich vollkommen andere Handlungsweisen und Urteile gewünscht.

Konkrete Beispiele:
Ein Hacker kommt für mehrere Jahre in's Gefängnis, weil er eine Internetseite gehackt hat. mMn viel zu hart. Hier wäre es angebrachter soziale Strafen und Geldbußen zu vergeben. Da nicht wirklich jemand körperlich zu Schaden gekommen ist oder groß Geld verloren hat.
Ein Pedophiler wird zu einer geringen Haftstrafe oder auch nur auf Bewährung verurteilt. Hier wäre es durchaus angebracht 'endgültige' Tatsachen zu schaffen. Wie zum Beispiel eine Kastration und lebenslange Überwachung durch elektronische Bänder (z.B.: Fußfesseln) oder gleich lebenslang in's Gefängnis.
Ein Leecher kommt für ein Jahzehnt oder mehr ins Gefängnis, weil er über 'Tauschbörsen' Musik und Filme heruntergeladen hat, anstatt sie zu kaufen. Hier wäre eine soziale Aufklärung angebracht (Psychologie, wieso weshalb warum er das nicht tun darf) und das Abstottern der Gesamtkosten (Filme + Musik + Gerichts- & Ermittlungskosten) als Strafe.
Ein Vergewaltiger wird freigesprochen, weil er selber ein Opfer ist. Seine Mutter, sein Vater, sein Umfeld ... blablabla. Hier wäre es durchaus angebracht 'endgültige' Tatsachen zu schaffen. Wie zum Beispiel eine Sterilisation und lebenslange Unterbringung in einer Anstalt.

Wie sagte mal jemand so treffend?
Hier wird nicht über Verbrecher geurteilt, sondern über Konsumenten.
Pedophile bzw. Vergewaltiger sind bessere Konsumenten als Hacker und Leecher und müßen deswegen unserer Gesellschaft erhalten bleiben.

Ich gebe zu, daß diese Aussagen sehr in die Extreme gehen und bei weitem nicht die ganze Realität wiedergeben. Aber ich hoffe, daß ihr versteht worauf ich hinaus will. :wink:

Dr.BrainFister
12.11.2009, 21:29
...
Ich gebe zu, daß diese Aussagen sehr in die Extreme gehen und bei weitem nicht die ganze Realität wiedergeben. Aber ich hoffe, daß ihr versteht worauf ich hinaus will. :wink:
nö, das sind übliche stammtischparolen, die ich schon oft genug gehört/gelesen habe. leider erklärst du damit aber in keiner zeile, warum es jüngere richter besser machen würden als alte.

hinzu kommt, dass all deine fälle eher kritik am gesetzgeber und nicht an richtersprüchen sind.

außerdem hat keines deiner beispiele konkret etwas mit dem fall zu tun, den wir hier in diesem thread besprechen.


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Thandor
12.11.2009, 22:22
während wir achso weltoffenen youngsters hauptsächlich träge vor´m pc sitzen und virtuelles um-die-wette-schlauschwätzen betreiben.

Das Zitat find ich in diesem Unterforum derart herrlich, dass ich alleine dafür einen Post mache! :D Danke Brain, mein Abend wurde gerettet.

Dr.BrainFister
12.11.2009, 23:28
Das Zitat find ich in diesem Unterforum derart herrlich, dass ich alleine dafür einen Post mache! :D Danke Brain, mein Abend wurde gerettet.
gern geschehn. :D so ist das eben, wenn man stets im dienste der wahrheit unterwegs ist. :demut:


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Falcon
12.11.2009, 23:56
Konkrete Beispiele:
Ein Hacker kommt für mehrere Jahre in's Gefängnis, weil er eine Internetseite gehackt hat. mMn viel zu hart. Hier wäre es angebrachter soziale Strafen und Geldbußen zu vergeben. Da nicht wirklich jemand körperlich zu Schaden gekommen ist oder groß Geld verloren hat.
Ein Pedophiler wird zu einer geringen Haftstrafe oder auch nur auf Bewährung verurteilt. Hier wäre es durchaus angebracht 'endgültige' Tatsachen zu schaffen. Wie zum Beispiel eine Kastration und lebenslange Überwachung durch elektronische Bänder (z.B.: Fußfesseln) oder gleich lebenslang in's Gefängnis.
Ein Leecher kommt für ein Jahzehnt oder mehr ins Gefängnis, weil er über 'Tauschbörsen' Musik und Filme heruntergeladen hat, anstatt sie zu kaufen. Hier wäre eine soziale Aufklärung angebracht (Psychologie, wieso weshalb warum er das nicht tun darf) und das Abstottern der Gesamtkosten (Filme + Musik + Gerichts- & Ermittlungskosten) als Strafe.
Ein Vergewaltiger wird freigesprochen, weil er selber ein Opfer ist. Seine Mutter, sein Vater, sein Umfeld ... blablabla. Hier wäre es durchaus angebracht 'endgültige' Tatsachen zu schaffen. Wie zum Beispiel eine Sterilisation und lebenslange Unterbringung in einer Anstalt.

Unter "konkrete Beispiele" verstehe ich aber was anderes. Das hört sich teilweise eher nach pauschalen Vorurteilen, Gerüchten und Übertreibungen bzgl. der Justiz an.

10 Jahre für Tauschbörse??? Das bezweifele ich aber sehr stark.
Je nachdem was ein Hacker angestellt hat, gehört der meiner Meinung nach schon in den Knast. Welcher ungerechte Fall schwebt Dir denn da vor?
Und für "den Vergewaltiger" und "den Pädophilen" wären konkrete Fälle auch schön gewesen. So hört sich das eher nach Stammtisch an, wo es dann heißt, dass "die" eigentlich immer zu leicht davon kommen, während "der brave Bürger" für jeden Kleinkram bluten muss.

Vile
13.11.2009, 06:23
Sicher sind das Stammtischparolen. :wink:
Aber wenn man so nachdenkt, dürfte man wohl auf den Gedanken kommen, daß die Leute nunmal so denken.
Und das sind nicht einige wenige, sondern schon ein gehobener Prozentsatz der Bevölkerung (meinem subjektivem Empfinden nach).

Dr.BrainFister
13.11.2009, 07:30
@vile
also schlägst du vor, die politik und gesetzsprechung hierzulande nach stammtischparolen auszurichten?


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Paramerican
13.11.2009, 07:39
hm... Stammtischparolen... klingt nach nem neuen Wahlprogramm für die Piratenpartei.

Aber stimmt schon, dass die Verhältnismäßigkeit in den Urteilen einfach nicht ausgewogen ist. Da stellt man sich allerdings die Frage, warum das für uns so offensichtlich ist, aber nicht für die jeweiligen Richter. Angst davor Präzedenzfälle zu schaffen? Betriebsblindheit?... "Man weiß es nicht..."

Vile
13.11.2009, 08:08
Es gehören schärfere Gesetze her bzw. im Rahmen der Gegeben auch das auszunutzen was möglich ist.
Haben unsere Richter Angst davor? Manchmal kommt es mir schon so vor ...
Man könnte uns ja mit dem dritten Reich vergleichen.
Tss ...

Reiner
13.11.2009, 19:14
gern geschehn. :D so ist das eben, wenn man stets im dienste der wahrheit unterwegs ist. :demut:


.

... "unser Richter" ;)

Aber ein paar Zeilen zu "Vile":

Nein, Richter haben keine Angst, denn Sie sind ja unabhängig. Im übrigen sind sie PRO Bürger und als Kontrollorgan gegen STAATSGEWALT eingesetzt. Das Manches, was pro Bürger ist, nicht immer die Meinung des einzelen Individuum treffen mag, kann sein. Das ändert aber nichts am Grundsatz.

Beispiel: Die Eingriffsrechte der Exekutive (Polizei etc.) in Freiheitsrechte der Bürger vor dem Staat (nix anderes beschreibt übrigens das Grundgesetz. Hier geht es um zu schützende Rechtsgüter der Menschen vor den Eingriffen des Staates, nicht etwa Streitereien unter Bürgern.)

Ein sehr hohes Rechtsgut ist die Wohnung. Hier rein dürfen Polizei etc. nur unter ganz bestimmten Gefahrenvorraussetzungen. Oftmals hat man aber in der Praxis "Gefahr im Verzuge!" angenommen und diese zur Normalität gemacht, dieses hat das Bundesverfassungsgericht vor einiger Zeit gerügt - die Dinge wurden von Richtern wieder ins Lot gesetzt - zum Schutz der Bürger vor dem Staatseingriff. Diese Maßnahme also muss aber ein Richter zustimmen, beim "Lauschangriff" sogar 3 (!) Richter gleichzeitig !!!!!! ...

Anderes Beispiel: Wie oben angesprochen ... Internetkriminalität ... hier ist eine neue Plattform - die es zu Gründerzeiten der Verfassung oder der Gesetze der Bundesrepublik noch nicht gab. Novellen werden hier erarbeitet oder Bisheriges greift schon. Trotzdem ist die Freiheit der Person, die Ehre und deren Eigentum (z.B.) auch hier genauso zu schützen wie vor dem Straßenverkäufer, dem Unternehmen das einem auch im realen Regal über den Tisch zieht. Was hier jedoch sehr zu unterscheiden ist: Wir sind jetzt im BGB und es geht um Bürger vs. Bürger ... eine andere "Baustelle".

Aber auch hier gilt natürlich gleichwohl: Diebstahl via Internet ist gleich Diebstahl an der Kasse. Problem hierbei nur ... vielfach sitzen die "Betreiber" im Ausland.

Simara
14.11.2009, 22:08
Schon mein Rechtskundelehrer sagte Anfang der 90er, dass das Strafrecht veraltet ist.

Der Betroffene hätte ja nicht in den Hals stechen müssen. ::/: Das war schon übertrieben. Kann ich aber auch verstehen, immerhin war er allein gegen mehrere, die schon seinen Freund niedergeprügelt haben.
Die Argumentation, dass er größer ist als sein Angreifer find ich lächerlich.

Das letzte Wort wird hier ja wohl noch nicht gesprochen sein. Berufung.

.

Uliamos
15.11.2009, 08:56
Schon mein Rechtskundelehrer sagte Anfang der 90er, dass das Strafrecht veraltet ist.

Nur mal so Interessehalber - was solle denn bitte geändert werden an den Gesetzen, damit sie deiner Meinung nach auf diesen Fall besser anwendbar sind? Wir sind hier nicht im Rahmen irgendwelcher Computerkriminialität wo vor 10 Jahren noch Strafbarkeitslücken vorherrschten...


Das letzte Wort wird hier ja wohl noch nicht gesprochen sein. Berufung.

Jein - nachdem das ursprüngliche Urteil von der (großen) Strafkammer beim Landgericht stammte, konnte man zum BGH nur durch Revision kommen. Der hat das Ganze ja nun wieder zur 2. Strafkammer zurückverwiesen. Berufung gibts bei diesem Instanzenzug jedoch nicht.

Simara
15.11.2009, 12:10
Nur mal so Interessehalber - was solle denn bitte geändert werden an den Gesetzen, damit sie deiner Meinung nach auf diesen Fall besser anwendbar sind? Wir sind hier nicht im Rahmen irgendwelcher Computerkriminialität wo vor 10 Jahren noch Strafbarkeitslücken vorherrschten...


Ich habe hierzu nur die Meinung, dass der Betroffene dem Angreifer besser nicht in den Hals gestochen hätte. Nicht mehr und nicht weniger.

Aber ich wiederhole gern, was mein Rechtskundelehrer damals meinte.
Das Strafrecht stammt aus einer Zeit, in der Übergriffe gegen Leib und Leben der Obrigkeit recht unwahrscheinlich waren. Wohl aber auf die Güter der Obrigkeit. Deshalb ist die Strafe bei Diebstahl höher/härter als bei Körperverletzung.

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Uliamos
15.11.2009, 16:14
Aber ich wiederhole gern, was mein Rechtskundelehrer damals meinte.
Das Strafrecht stammt aus einer Zeit, in der Übergriffe gegen Leib und Leben der Obrigkeit recht unwahrscheinlich waren. Wohl aber auf die Güter der Obrigkeit. Deshalb ist die Strafe bei Diebstahl höher/härter als bei Körperverletzung.

Also ich weiß jetzt wahrlich nicht auswendig, ob sich am Strafrahmen von Diebstahl und Körperverletzung (in den "einfachsten Formen" - also z.B. gefährliche oder gar schwere Körperverletzung ausgeschlossen) in den letzten 20 Jahren was geändert hat, aber heutzutage sind beide Delikte mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu ahnden. Alles weitere sind Einzelfallentscheidungen und davon abhängig, was der Richter für tat- und schuldangemessen hält.

Simara
15.11.2009, 20:36
Hm... Von wann ist denn das Strafgesetzbuch?

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Uliamos
16.11.2009, 14:05
Also wenn du damit meinst, seit wann Deutschland ein StGB hat - das geht zurück bis ins 19. Jahrhundert. Genauer gesagt erhielt das Deutsche Reich 1871 ein einheitliches Strafgesetzbuch. In der Zwischenzeit sind aber unzählige Novellierungen, Reformen und Veränderungen vorgenommen worden, meines Wissens weit über 200 - und es kommen dauernd neue. Derzeit exisitert das StGB in der Bekanntmachung von 1998, da dort sehr vieles geändert und umgekrempelt wurde. Seither wurden etwa 60 Veränderungen schon wieder vorgenommen. Ich hoffe, deine Frage hiermit beantwortet zu haben :)

Simara
17.11.2009, 12:49
Jap. Denn da haben wir die Antwort. Mein Rechtskundelehrer machte diese Aussage wie gesagt Anfang der 90. Damit meinte er wohl, dass das StGB von 1871 ist. Dann ergibt die Aussage auch Sinn.
Und da die umfangreiche Novellierung ja erst 1998 waren liegen da ja mind. sechs Jahre dazwischen.
Ich bin auch seit '92 nicht mehr im Bereich Justiz tätig und hab die genaue Entwicklung nicht mehr so verfolgt. :)

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Uliamos
17.11.2009, 18:45
Also ich glaub nicht, dass bis 1998 das StGB in der Fassung von 1871 rummarschierte, aber jep, dürfte möglicherweise eine Antwort sein.

DerBademeister
17.11.2009, 21:01
Also ich glaub nicht, dass bis 1998 das StGB in der Fassung von 1871 rummarschierte, aber jep, dürfte möglicherweise eine Antwort sein.

Wenn man so penibel sein will, geht unser modernes Recht allerdings bis auf den Code Napoleon zurück.

Dr.BrainFister
17.11.2009, 21:36
Wenn man so penibel sein will, geht unser modernes Recht allerdings bis auf den Code Napoleon zurück.
uliamos ist wegen dieser aussage nicht penibel. sie hat nur etwas, das dir in bezug auf das deutsche rechtssystem scheinbar größtenteils fehlt: fachwissen und sachkunde (anstatt spekulation und polemik).


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DerBademeister
02.12.2010, 13:57
Interessant, dass der im Eingangsbeitrag erwähnte Bürger der seinen Freund vor einem aggressiven Schläger beschützte, für seine kriminellen Handlungen genau so lange einfahren muss wie diese beiden Delinquenten hier:


Tödliche Attacke

Gericht schickt 20-Cent-Schläger für mehr als drei Jahre in den Knast

http://www.spiegel.de/images/image-157270-panoV9free-utby.jpg (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/bild-732432-157270.html) http://www.spiegel.de/static/sys/v9/icons/ic_lupe.png (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/bild-732432-157270.html)
dapd
Verurteilter Onur K., 18: Streitsucht als Motiv



Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen: Onur K. und Berhan I. schlugen einen Passanten tot, weil der ihnen keine 20 Cent geben wollte. Jetzt hat das Hamburger Landgericht die beiden Jugendlichen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Quelle: Spiegel (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,732432,00.html)

Die Verhältnismäßigkeit in unserem Rechtsstaat begeistert mich stets aufs Neue.