PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Ausverkauf von Karstadt



DerBademeister
03.03.2010, 01:53
http://www.youtube.com/watch?v=AwGDi-qXWyY

Ich empfehle, 40 Minuten Eurer kostbaren Zeit zu investieren und Euch diesen Zuschauermitschnitt der WDR-Reportage "Karstadt - Der große Schlussverkauf" anzusehen - so lange sie noch auf Youtube verfügbar ist. Wie immer wenn öffentlich-rechtliche Journalisten tatsächlich mal ihrem Auftrag der Grundversorgung nachkommen und investigativen Journalismus abliefern, wurde auch dieser interessante Beitrag ins Nachtprogramm verschoben, vermutlich mit dem Ziel dass ihn möglichst wenige Bürger zu Gesicht bekommen. Auch in der Mediathek ist der Beitrag aus unerfindlichen Gründen nicht verfügbar, Wiederholungen gibt es nur im Spartensender EinsExtra, den kaum jemand empfangen kann.

Es sind Menschen wie Thomas Middelhoff, die Heute die "Elite" in unserem Land stellen. Das "Highlight" dieser Reportage sind dann auch seine Interviewausschnitte in denen er vom Kapital als "scheuem Reh" spricht, oder auf der Pressekonferenz stolz wie Oskar verkündet, dass er mit der Ersetzung der 125 Jahre alten Traditionsmarke Karstadt durch den von ihm erdachten, völlig nichtssagenden Kunstnamen "Arcandor" für ein "gutes Stück Nachhaltigkeit" und für "Werte" sorgen will.

Davon abgesehen stellt die Reportage mehr Fragen, als sie Antworten zu liefern vermag. Offenbar ist es bisher weder unserer Justiz, noch investigativen Journalisten gelungen, herauszufinden wer eigentlich an den ganzen Deals rund um die Verschacherung von Karstadt verdient hat. 800 Millionen Euro sind beim Verkloppen der milliardenschweren Immobilien "verschwunden", während die Mitarbeiter eine Gehaltskürzung nach der Anderen hinnahmen.

Herrn Middelhoffs Karriere hat die Tatsache, dass er einen der ältesten deutschen Konzerne gezielt ruiniert und zehntausende Mitarbeiter um ihre Existenz betrogen hat, jedenfalls kaum gebremst. Er hat mittlerweile mit dem ebenso umtriebigen Roland Berger eine Investmentgesellschaft aufgemacht, für die er auch den Ex "Sozial"Demokraten Wolfgang Clement gewinnen konnte. Da haben sich die Richtigen gefunden.

Ich habe mir mal die Arbeit gemacht den WDR um Stellung zu ihrer seltsamen Programmplanung zu beten:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich habe mehrere Fragen zu ihrer Reportage "Karstadt - der große Schlussverkauf":

1. Warum wurde diese hochwertige Reportage von der ARD von 21 Uhr auf den Friedhofs-Sendeplatz 23.30 Uhr verschoben?

2. Warum wurde die Reportage erst Wochen später nur auf vier ebenfalls extrem schlechten Sendeplätzen wie 05.30 Uhr auf dem Digitalkanal EinsExtra wiederholt, obwohl auch dessen Reichweite äußerst begrenzt ist?

3. Warum ist die Reportage anders als alle anderen aktuellen Beiträge von "die story" nicht in der Mediathek der ARD oder des WDR eingestellt worden? Wird die Reportage dort in Zukunft online gestellt?

Diese drei Einschränkungen vermitteln leider den Eindruck, als ob Ihre Programmplaner bewusst die Zahl der Zuschauer dieser hochwertigen Reportage klein halten wollen.

Dies führt mich zur vierten und letzten Frage: Wie steht der WDR dazu, wenn engagierte Zuschauer solch eine wichtige Reportage - es handelt sich hier um die größte Firmenpleite der Nachkriegsgeschichte - in Eigenregie einem größeren Zuschauerkreis zugänglich machen, z.B. durch Uploaden eines Mitschnittes bei bekannten Videoportalen?

Mit freundlichem Gruß

Mal sehen ob eine Reaktion kommt.

Khaanara
03.03.2010, 07:43
Das habe ich am Wochenende gesehen (lief im Nachmittagsprogramm auf 3Sat oder Phoenix, weiss jetzt nicht mehr genau !). Parallelen zu den Banken sind sehr leicht zu erkennen und die Machenschaften mit den Briefkastenfirmen sind doch ziemlich suspekt.

Leider sind da die Strafen für die Verantwortlichen verschmerzbar und so richtig trifft es ja mehr die Leute, die ja schon ihr Lohn für die Firma gegeben hatten und dann doch auf die Strasse saßen, während die Manager am Schluß noch ihre Bonis bekommen haben.

Leider sehe ich auch hier an meinem Standort ziemlich viele parallelen, angefangen durch die Zerschlagung des Konzerns Ende der 90er durch einen bei der auch ein Traditionsname weichen musste, der verantwortliche Manager hatte dann die daraus entstandene Firma nach einigen Jahren an den Konkurrenten in der Schweiz verkauft und ist zu ABB gegangen.

Ist mir eh unverständlich, dass wenn die Manager Mist bauen und Firmen/Banken an die Wand fahren noch eine Millionen-Abfindung bekommen, während ein kleiner Arbeiter der vielleicht nach 35 Jahren leichtsinnig Mist gebaut hat (wie zum Beispiel eine Bonusmarke für sich genutzt hat) ohne einen cent auf die Strasse gesetzt wird !

Aber bei der aktuellen lobbyhörigen Parteikonstellation in der Regierung wird sich da wohl nicht viel ändern.

DerBademeister
03.03.2010, 12:38
Leider sind da die Strafen für die Verantwortlichen verschmerzbar

Nenne mir auch nur einen Manager der im Zuge der Finanzkrise rechtskräftig verurteilt und in den Knast geschickt - oder gegen den auch nur Anklage erhoben wurde. Der Durchschlag dieser Krise nach Deutschland ist immerhin auch schon über eineinhalb Jahre her, und seitdem ist absolut gar nichts passiert. Keinerlei Anklagen, keinerlei Verurteilungen, keinerlei neue Gesetze die weiteres Zocken verhindern.

De facto müsste allen Personen deren Verantwortlichkeit zumindest ausgemacht werden kann - wie Middelhoff oder Ex-Milliardärin Schikedanz - ihr gesamtes Vermögen bis zum Selbstbehalt gepfändet werden. Inklusive Pfändung aller Vermögenswerte die über Vererben in Sicherheit gebracht werden, wie das Frau Schickedanz beispielsweise mit der Familienvilla gemacht hat. Eben so wie dies auch bei jedem anderen Schuldner der Fall ist. Unter den Gläubigern wäre dann den Mitarbeitern, und nicht den Investoren absoluter Vorrang zu gewähren.

Das wird natürlich niemals passieren. Es sind Leute wie Schickedanz und Middelhoff die unsere Gesellschaft praktisch vollständig kontrollieren, die sich Politiker à la FDP einkaufen und mittels ihrer Medienkonzerne den ängstlichen Normalbürger von ihrem Tun ablenken und auf die Ärmsten der Armen hetzen, um sich weiterhin unbemerkt die Taschen vollzustopfen.

Das Traurige ist ja dass die Mitarbeiter durch ihre mehrmaligen Gehaltsverzichte - zu einem Zeitpunkt wo die Pleite des Unternehmens schon beschlossene Sache war - auch auf einen erheblichen Teil des Arbeitslosengeldes verzichtet haben dass ihnen nach dem Rausschmiss rechtlich zugestanden hätte. Denn das orientiert sich bekanntermaßen am letzten Gehalt.

Ähnlich gelagert war der Fall Siemens Mobile. Jeden Tag seit vielen Jahren fahre ich an deren großer Zentrale am Münchner Ostbahnhof vorbei, einst prangte dort der Siemens-Schriftzug, dann für kurze Zeit BenQ. Die knippsten die Lichter aber schnell aus, und so ist dieser leerstehende Büromoloch auch ein trauriges Symbol für den Niedergang deutscher Wirtschaftsgeschichte. Auch Siemens Mobile wurde durch Managementfehler in die Krise getrieben. Auch dort verzichteten die Mitarbeiter ganz massiv auf Gehalt als sie von der Siemens-BenQ Kooperation übernommen wurden. Auch dort saßen sie nach nur einem Jahr auf der Straße (mit viel geringerem Arbeitslosengeld-Anspruch als vorher), obwohl von Anfang an diese Auslagerung nur zu dem Zweck getätigt wurde die Patente von Siemens zu BenQ zu transferieren und damit den schnellen Reibach zu machen. Die Gesellschaft bei der die Mitarbeiter dann angestellt waren war übrigens eine GmbH mit der Mindest-Kapitalausstattung von 25.000 Euro. 25.000 Euro für 1000 Mitarbeiter. Diese Heldentat ließ sich "CEO" Kleinfeld bei seinem schnellen Abgang vor der Ausweitung der Korruptionsermittlungen nicht nur fürstlich mit einem fetten Bonus bezahlen (zu dessen Zahlung das Unternehmen nicht verpflichtet war), er fiel auch direkt wieder auf die Füße und wurde CEO eines amerikanischen Konzerns, Gehalt: 10 Mio $ jährlich.

Angesichts solcher "Eliten" würde es mich nicht wundern wenn sich innerhalb der nächsten Dekade eine neue RAF formen wird, welche die systematische und strukturelle Gewalt die diese kleine Elite der Mehrheit ihrer Mitbürger antut, zurück in deren Villen und Luxuslimousinen trägt. Ich bin kein Fan von Gewalt, es ist jedoch ein Naturgesetz dass auf eine Reaktion immer auch eine Gegenreaktion folgen wird. Das war beim Altnazi-Nachtwächterstaat der 50er und 60er Jahre so, das wird auch beim heutigen Ausbeutersystem nicht anders sein. Die durch diese Ausbeutung verursachte Explosion der Gewaltbereitschaft in weiten Teilen der Bevölkerung lässt sich auch von der fähigsten Elite nicht ewig auf die Schwächsten umlenken, sie wird irgendwann auch vor ihrer Tür landen. Die Franzosen - von jeher mehr auf Zack als wir wenn es um ihre Bürgerrechte geht - sind da schon deutlich weiter, wie die Berichte von Managerentführungen und Fabrikbesetzungen zeigen. Im Angesicht einer ausgedünnten und korrumpierten Justiz ist das die einzige Sprache, welche die Ausbeuter verstehen.

Nager
11.03.2010, 14:48
Gab es eine Reaktion vom WDR?

Hmpf
11.03.2010, 16:57
Gab es eine Reaktion vom WDR?

OT: ER LEBT!!!!!

DerBademeister
11.03.2010, 17:53
Gab es eine Reaktion vom WDR?

Nein, war auch nicht zu erwarten, oder?