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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Jugendmedienschutzstaatsvertrag



Teylen
30.11.2010, 15:50
Was haltet ihr davon?
Gestern kam er ja durch,..

Was bringt der neue JMStV? (http://www.telemedicus.info/article/1694-Was-bringt-der-neue-JMStV.html)
Lesepflicht für alle: 17 Fragen zum neuen JMStV » t3n News (http://t3n.de/news/neuer-jmstv-286977/)
heise online - Blog macht wegen neuem Jugendschutzgesetz dicht [Update] (http://www.heise.de/newsticker/meldung/Blog-macht-wegen-neuem-Jugendschutzgesetz-dicht-Update-1144566.html)

DerBademeister
30.11.2010, 18:39
Follow the money.

In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl der Anwälte verdoppelt. Da allerdings im selben Zeitraum die Kriminalität zurückging, wird der weit überwiegende Teil dieser neuen Anwälte nicht ins Strafrecht gegangen sein, sondern ins Zivilrecht. Anwälte stellen gleichzeitig mit weitem Abstand die größte Berufsgruppe unter den Abgeordneten im Bundestag. Diese Zehntausendschaften neuer Anwälte brauchen Einnahmequellen die es früher nicht gab. Neue Gesetze dieser Art schaffen neue Hebel für Abmahnwellen und bringen den Anwaltskollegen Aufträge und Einnahmen. Es ist also nur eine Frage der Zeit bis die Abmahnanwälte diese neue Quelle auch anzapfen werden.

Zugunsten dieser Berufsgruppe macht sich Deutschland leider mehr und mehr zu einer IT-Wüste, der Kommentar von Kristian Köhntopp ist insofern korrekt:

Meine bisherigen Inhalte nehme ich morgen offline, und falls ich noch einmal irgendwas mache, dann für ein Land, das Zukunft hat. Nicht Deutschland.
In dem im Heise-Artikel verlinkten VZlog.de | Das Blog über StudiVZ, SchülerVZ und MeinVZ (http://www.vzlog.de) steht Folgendes:

Wie ihr vielleicht wisst, verabschieden die Länderparlamente in Deutschland zurzeit eine Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags, der die Pflichten von Inhalteanbietern in Rundfunk und Internet neu Regelt. Entscheidender Faktor dabei ist, das Anbieter maßnahmen zum Jugendschutz ergeifen müssen und dabei selbst bewerten müssen, für welche Altersstufen ein Inhalt gefährdend ist. Wird diese Einstufung vorgenommen, müssen geeignete Maßnamen getroffen werden, um einen Entsprechenden Jugendschutz zu gewährleisten.
Zukünftig gibt es drei Möglichkeiten, wie ein Inhalteanbieter wie VZlog.de den Jugendschutz sicherstellen kann:


Durch Alterverifikation z.B. durch einen Personalausweis, Postident oder ähnliches
Durch “Sendezeiten”, welche die Verfügbarkeit von Inhalten einschränken
Durch Alterskennzeichung, dass das Angebot ab 0 Jahre, 6 Jahre oder 12 Jahre geeignet ist

Die ersten beiden Optionen kommen für uns nicht in Frage, da sie aus finanziellen und technischen Gründen nicht umsetzbar sind, für ein Blog unserer Größe keinen Sinn machen und außerdem sichergestellt werden müsste, dass eine passende Alterseinstufung vorgenommen wird, ansonsten drohen erhebliche Strafen.
Die dritte Option ist eine Alterskennzeichnung auf einem niedrigen Level. Diese ist technisch leicht umzusetzen, jedoch mit erheblichem Aufwand verbunden und Juristische sehr unsicher. Wir müssten diese Einschätzung selbst vornehmen und können uns keine Experten auf diesem Gebiet leisten, die alle 845 Artikel, 1218 Medieninhalte und 15797 Kommentare bewertet. Wenn wir diese Bewertung selbst vornehmen und diese falsch ist, kann dies zu hohen Geldstrafen führen. Wenn wir uns aber auf die juristisch sichere Seite bewegen und das Blog ab 18 Jahre freigeben, müssen wir 1. oder 2. nutzen.
Damit ist die Möglichkeit für VZlog, das gesamte Blog mit “Ab 18″ zu bewerten, was für uns aus zwei Gründen keinen Sinn macht:


Über 70% unserer Leser (und 92% der Leser ohne AdBlocker – Dieses Blog ist werbefinanziert) sind unter 18 Jahre alt. Wenn diese wegfallen, macht es keinen Sinn, das Blog weiter zu betreiben.
Alle Inhalte sind von Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 19 Jahren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung geschrieben worden. Alleine deshalb macht eine Altereinstufung, die sogar über dem Alter des Autoren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung liegt, für uns nur wenig Sinn.
Ein geeignetes Verfahren, das vom finanziellen und organisatorischen Aufwand für uns umzusetzen ist, gibt es nicht.

Man hat hier (nicht erst seit diesem neuen Gesetz, sondern mindestens seit der Einführung der Störerhaftung des Webseitenbetreibers für alle von seinen Usern erstellten Inhalte) als Betreiber nur folgende Optionen:
1.) Weitermachen wie bisher und hoffen dass man nicht abgemahnt wird. Die Hoffnung hatte ich auch mal, nach einer Abmahnung die mich als seinerzeit Zwanzigjährigen Studienanfänger insgesamt 15.000 Euro an Schadensersatz und Anwaltsgebühren kostete, allerdings nicht mehr.
2.) Webseite dicht machen.
3.) Wenn möglich, Webseite ins Ausland verlagern. Letzeres erfordert allerdings auch eine Anonymisierung der eigenen Person so dass man für Abmahnanwälte schwer auffindbar ist - für viele Webseitenbetreiber ist das nicht praktikabel, da sie mit ihrem Namen für ihre Inhalte einstehen müssen.

Eine Web 2.0 Webseite lässt sich in Deutschland nicht rechtssicher betreiben, dieses neue Gesetz ist wieder eine Quelle der Rechtsunsicherheit mehr. Für mich ist das Zustandekommen so eines Gesetzes erstens Ausdruck des Protegierens der eigenen Anwälte-Berufsgruppe, und zweitens Beleg für die schwachen Kenntnisse unserer Abgeordneten über die neuen Medien. Erinnert sei hier an den bekannten Ausspruch unserer früheren Justizministerin - "was ist noch mal ein Browser?".

Squirrel
30.11.2010, 20:32
Äh...jetzt mal ne ganz nahe liegende Frage:
Was wird denn ab Inkrafttreten der neuen Gesetzeslage aus diesem Forum..?
FSK 18? Ausweiskontrolle? Dichtmachen?

DerBademeister
30.11.2010, 20:45
Es wird hier sicherlich keine Ausweiskontrolle geben, wir bleiben weiter online und werden uns weiterhin bemühen die Gesetze einzuhalten so gut es eben geht und mit einer ehrenamtlichen Moderation machbar ist.

Last_Gunslinger
01.12.2010, 04:20
Ist mit .net überhaupt eine verstärkte Sorgfalt nötig? Ich kenn mich in dem Bereich wirklich überhaupt nicht aus, aber wenn die Seite nicht in DE registiriert ist, soltte man doch auf der sicheren Seite sein, oder? Aber wie gesagt; totale Ignoranz meinerseits und als ernsthafte Frage gedacht.

Reiner
01.12.2010, 10:14
Es gilt wohl für alle - und ist eigentlich undurchführbar:
Lesepflicht für alle: 17 Fragen zum neuen JMStV » t3n News (http://t3n.de/news/neuer-jmstv-286977/)

Teylen
01.12.2010, 14:20
Ist mit .net überhaupt eine verstärkte Sorgfalt nötig?
Ja, solange der Inhaber in Deutschland sitzt.
Wobei man im Tanelorn zum Schluss kam das erstmal keine weiteren Schritte noetig sind.

Reiner
01.12.2010, 14:38
Hinzu kommt: "Keine Panik nötig" =

Bin ich nach dem neuen JMStV verpflichtet, mein Angebot zu kennzeichnen?

Nein. Grundsätzlich gilt: Inhalte können, wenn sie nicht gegen das Strafrecht verstoßen, im Internet auch zukünftig frei angeboten werden, ohne dass der Anbieter aus jugendschutzrechtlicher Sicht aktiv werden muss.

Von diesem Grundsatz gibt es zwei Ausnahmen:

* Inhalte, die nur für Nutzer ab 12 Jahren geeignet sind und nicht von Inhalten, die für jüngere Kinder bestimmt sind, getrennt gehalten werden
* Inhalte, die nur für Nutzer ab 16 oder 18 Jahren geeignet sind.

Sollte eine der Ausnahmen auf Ihr Angebot zutreffen, sind Sie auch schon bisher dazu verpflichtet, eine der folgenden Maßnahmen zu ergreifen ...

FSM - JMStV-2011: Häufig gestellte Fragen (http://www.fsm.de/de/jmstv-2011)

DerBademeister
01.12.2010, 15:19
Wann immer jemand die Kinder retten will, kann man jedenfalls davon ausgehen dass unser aller Freiheit eingeschränkt werden soll.

Dr.BrainFister
01.12.2010, 15:51
gibt es denn schon gegeninitiativen zu dem thema? stellt euch mal vor, all die leute im internet werden wach, starten aktionen und jeder geht hin. ;)

Reiner
01.12.2010, 17:21
gibt es denn schon gegeninitiativen zu dem thema? stellt euch mal vor, all die leute im internet werden wach, starten aktionen und jeder geht hin. ;)

Ich sehe eher diese Folgen:
Offline (http://koehntopp.de/)

Gegenaktionen ... wer will schon "gegen Jugendschutz" sein? (Auch wenn es unlogisch und undurchführbar umgesetzt werden soll)

Falcon
02.12.2010, 01:07
Der neue JMStV hinterlässt zwar einen merkwürdigen und realitätsfremden Eindruck, aber ganz so dramatisch, wie man im ersten Moment meinen könnte, sind die juristischen Folgen bzw. Pflichten evtl. doch nicht unbedingt:
Blogger können leidlich gelassen bleiben | law blog (http://www.lawblog.de/index.php/archives/2010/12/01/warum-blogger-gelassen-bleiben-konnen/)
Internet-Law » Mein Blog bleibt online (http://www.internet-law.de/2010/12/mein-blog-bleibt-online.html)

DerBademeister
02.12.2010, 10:49
Ich teile die Auffassung von Herrn Vetter in dem Fall nicht, ebenso wie viele seiner Kommentatoren. Letztlich ist es die Frage inwieweit man bereit ist das Risiko einzugehen im Zweifelsfall finanziell die Hosen runtergezogen zu bekommen. Denn dieses Risiko besteht schon wegen dem fliegenden Gerichtsstand sehr wohl. Wer also die Alternative hat sein Angebot ins Ausland zu verlegen, sollte das tun um sein Abmahnrisiko zu verringern.

Ich habe übrigens in den Massenmedien keinerlei Meldungen zu diesem neuen Gesetz gelesen. Die Bundesregierung peitscht ganze Gesetzespakete mittlerweile mit solcher Geschwindigkeit durch unser "Parlament" (Abnickbude), dass neben den Abgeordneten offenbar nun auch die Journalisten keine Zeit mehr haben um auch nur einen Bruchteil von dem Amtsgeschwurbel zu lesen, geschweige denn dessen Tragweite zu analysieren.

Reiner
02.12.2010, 11:38
Weitere Entwarnung und Info gegen Hysterie:
NDR - Zapp Blog » Blog Archiv » Sturm im Wasserglas – Die Blogger und das Jugendmedienschutzgesetz (http://zapp.blog.ndr.de/2010/12/01/jugendmedienschutzgesetz/)

"Und bietet das Gesetz paradiesische Expansionsmöglichkeiten für Abmahnanwälte? Nein. Denn für Regelverletzungen sind einzig und allen die Landesmedienanstalten zuständig."

DerBademeister
02.12.2010, 18:34
Hast Du eine eigene Webseite unter deutscher Domain mit Impressumspflicht, Reiner? Als User ist es nämlich sehr bequem zu sagen "da wird schon nix passieren, stell Dich mal nicht so an". Als Betreiber, insbesondere wenn man wie Einige von uns schon Bekanntschaft mit Abmahnanwälten und unseren qualifizierten deutschen Gerichten bei fliegendem Gerichtsstand gemacht hat, sieht die Situation schon wieder ganz anders aus.

Dieses etwas naiven Urvertrauen unserem "Rechtsstaat" gegenüber kann sich leider nicht Jeder leisten.

Falcon
04.12.2010, 00:11
@Bademeister:
Ich will Dir gar nicht widersprechen, dass das Betreiben einer Website heutzutage mitunter mit einigem Risiko verbunden ist. Ich persönlich würde ehrlicherweise wohl auch keine Seite wie unser Forum oder fictionBOX rechtlich verantworten wollen. Mir ging's nur darum, dass sich die Situation durch den neuen JMStV in meinen Augen nicht so dramatisch verschlechtert, wie es einige Reaktionen in der Blogosphäre vermuten lassen.

DerBademeister
04.12.2010, 12:38
Es ist eben seit Jahren ein fortlaufender Trend - übrigens nicht nur seitens des Gesetzgeber, sondern auch seitens der Jurispudenz die mit Musterurteilen festlegt wie Gesetze auch in Zukunft vor Gericht angewendet werden - dass das Betreiben von Webinhalten in Deutschland immer riskanter wird. Bei Onlineversänden geht z.B. ein bestimmter Teil des Budgets nur für Abmahnungen drauf, selbst bei kleinen Versänden sind dies tausende Euros im Jahr. Letzten Endes kosten diese hirnrissigen Gesetze Arbeitsplätze und vertreiben junge, motivierte und kreative Menschen aus Deutschland.

Es hat seine Gründe wieso wir ein IT-Entwicklungsland geworden sind und auch bleiben.

Wenn ich mit Domain und Server nach Schweden, Niederlande oder USA ausweichen muss, wird mein Geld schließlich dort investiert statt im deutschen Wirtschaftskreislauf. Soweit denken die alten Männer und Frauen die solche Gesetze beschließen und allenfalls eine E-Mail verfassen können, natürlich nicht.

Thandor
15.12.2010, 12:46
NRW lässt Jugendschutz-Staatsvertrag scheitern (http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,734765,00.html)

Die überschrift ist ein wenig reißerisch, denn NRW hat noch gar nicht abgestimmt. Aber es schaut zumindest sehr danach aus. Mal sehen ob die Hängebacke da noch was retten kann.