PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Altersdiskriminierung



Dr.BrainFister
30.01.2011, 12:52
Nach dem tragischen Zugunglück in Sachsen-Anhalt (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2011-01/zugunglueck-sachsen-anhalt) sind die Medien natürlich wieder voll von Berichten darüber: Chaos! Tote! Sensationen! Was mir dabei in der Berichterstattung vor allem auf den Magen schlägt, ist die Wertigkeit ggü. dem Alter der Unfallopfer. Gerade hat z.B. in der Tagesschau eine Reporterin gesagt, es wäre "besonders tragisch, dass vor allem junge Menschen unter den Toten und Verletzten sind". Man hört diese Phrase immer wieder. Neben "Kinder und Frauen zuerst" ist es, meiner Meinung nach, einer der dümmsten und diskriminierendsten Aussprüche, die ich mir zu solchen Unglücksfällen vorstellen kann.

Ja, natürlich ist es tragisch, dass Menschen bei diesem Unfall ums Leben gekommen sind. Aber warum muss dabei ein Unterschied nach dem Alter gemacht werden? Was bedeutet diese Aussage im Umkehrschluss? Wäre es etwa alles nicht so schlimm, wenn der Zug voller Rentner gewesen wäre?!

Leider findet man diese Art der Altersdiskriminierung auch heutzutage noch viel zu oft. Zwar wurden die älteren Jahrgänge von der Marketingbranche inzwischen auch als wertvolle Zielgruppe entdeckt und zu "Silver Agern" oder "Generation 50+" umfunktioniert - allerdings ist es doch ziemlich traurig, dass die Anerkennung des Alters dabei nur über den jeweiligen Marktwert zustande kommt.

In anderen Bereichen sieht es noch düsterer aus: Spätestens ab 50 gehört man hierzulande schon zum "alten Eisen". Wer in dem Alter arbeitslos wird, hat oftmals kaum Chancen, wieder einen regulären Job zu bekommen - ganz unabhängig davon, ob er seine Tätigkeit genauso gut oder sogar noch besser als ein 30 Jahre jüngerer Kollege ausüben könnte.

Meiner Erfahrung nach ist "jünger" nicht immer gleich "besser", vor allem nicht im Berufsleben. Ich hab schon oft genug junge Hitzköpfe erlebt, die durch ihren Übereifer mehr Schaden als Gutes verursacht haben. Mit dem Alter wächst eben oftmals nicht nur die Erfahrung, sondern auch die Gelassenheit und der Pragmatismus. Natürlich ist das nicht bei jedem Menschen so, es gibt auch alte Hitzköpfe, die genauso überehrgeizig-hibbelig sind wie ihre jungen Kollegen. Ich will hier die Diskriminierung also nicht umdrehen und eine Diskussion nach dem Motto "Älter ist besser" anzetteln.

Trotzdem denke ich, man kann ohne Übertreibung sagen, dass es junge Menschen in unserem Gesellschaftssystem leichter haben und als "wertvoller" eingeschätzt werden. "Jung und attraktiv" (diese Kombination hört man wahrscheinlich öfter als "alt und attraktiv") zu sein, erleichtert z.B. auch das Pflegen von Kontakten. Ich habe schon viele alte Menschen kennengelernt, die vereinsamt vor sich hin vegetieren. Warum eigentlich? Diese Leute haben oft wesentlich interessantere Geschichten zu erzählen als ihre jüngere "Konkurrenz". Ist unsere Gesellschaft also wirklich so oberflächlich? Suchen wir uns unseren Bekanntenkreis aus wie die Bananen in der Obstabteilung: die frischesten und knackigsten kommen in den Einkaufswagen und die überreifen landen im Müll?

Auch in den Medien ist der Jugendwahn heute ausgeprägter als je zuvor. Sogar "echte Kerle" wie Sylvester Stallone lassen sich ihr Gesicht aufspritzen. Ein Trend, von dem bisher überwiegend ältere Schauspielerinnen betroffen waren, schwappt nun auch auf die männlichen Kollegen über. Dabei zeigen ja gerade Stallone und Co., dass sie körperlich noch fit genug sind, um action-geladene Filme zu machen. Die inneren Werte stimmen also, nur die faltige Verpackung scheint nicht unseren Idealen zu entsprechen.

In der Politik ist es ebenso immer wieder mal sehr populär, auf den Alten rumzuhacken. Wir alle erinnern uns wahrscheinlich noch an Forderungen von (meist konservativen/liberalen) Politikerdarstellern, dass z.B. ab einem bestimmten Alter die medizinischen Leistungen runtergesetzt werden sollen...

Also, bevor ich hier einen seitenlangen Vortrag halte, wollte ich euch fragen: Wie sind eure Erfahrungen mit Altersdiskriminierung? Selbst schon mal erlebt? Oder haltet ihr das für gar nicht so schlimm wie ich es beschreibe? Wo gab es Verbesserungen in unserer Gesellschaft - und wo werden die Alten inzwischen eher schlechter behandelt?

Paramerican
30.01.2011, 13:07
Naja, stimmt schon, aber damit wird halt nochmal extra auf die Tränendrüse gedrückt. Das ist genauso wie wenn ein Tsunami irgendwo in Asien ausbricht und sich unter den hunderten Opfern 1 Deutscher befindet. Darauf extra hinzuweisen klingt ja dann auch so, als wäre das Leben Deutscher wichtiger als das der Anderen.

Und ich denke auch nicht, das junge Menschen es überwiegend leichter haben. Ich denke, dass ist wirklich von Person zu Charakter und Aussehen unterschiedlich. Vor einigen Jahren hab' ich noch ständig gehört, dass ich zu jung Aussehe für dies und das und selbst heute schätzen mich einige Leute immernoch 10 Jahre jünger. Von daher "boo-hoo" für mich :D

Dr.BrainFister
30.01.2011, 13:14
Naja, stimmt schon, aber damit wird halt nochmal extra auf die Tränendrüse gedrückt. Das ist genauso wie wenn ein Tsunami irgendwo in Asien ausbricht und sich unter den hunderten Opfern 1 Deutscher befindet. Darauf extra hinzuweisen klingt ja dann auch so, als wäre das Leben Deutscher wichtiger als das der Anderen.
Ja, da hast du natürlich recht. Wobei ich denke, dass das wahrscheinlich in vielen Ländern so gemacht wird. In England sind es dann eben die verunglückten Engländer usw... Trotzdem habe ich in dem Zusammenhang noch nie einen Ausspruch wie "Besonders tragisch ist, dass auch Deutsche unter den Opfern waren" gehört. Da würde wahrscheinlich sofort Alarm geschlagen und ganz laut "Rassismus" gebrüllt. Aber wenn es "nur" um die Alten geht, scheint diese Art der Diskriminierung fast niemanden zu interessieren...


Und ich denke auch nicht, das junge Menschen es überwiegend leichter haben. Ich denke, dass ist wirklich von Person zu Charakter und Aussehen unterschiedlich. Vor einigen Jahren hab' ich noch ständig gehört, dass ich zu jung Aussehe für dies und das und selbst heute schätzen mich einige Leute immernoch 10 Jahre jünger. Von daher "boo-hoo" für mich :D
Ja klar, man muss dann im Kino vielleicht öfter seinen Ausweis vorzeigen. ;) Aber, mal ernsthaft, welche anderen schwerwiegenden Nachteile hat man denn sonst durch "zu junges" Aussehen - außer man will unbedingt Model für Antifalten-Cremes werden. :p

greeen
30.01.2011, 15:15
Vielleicht interpretierst Du in die Berichterstattung auch etwas zu viel rein (Diskriminierung). Eher betroffen zu sein, wenn jüngere Menschen (hier vermutlich im Sinne von sehr jungen bzw. Kindern) sterben, ist anstandstechnisch in den Köpfen installiert. Haben diese jetzt schliesslich deutlich weniger Zeit als die "alten" gehabt die chaotische, rotierende Dreckskugel als solche zu erkennen nett aufzuwachsen und zu versuchen das Leben soweit möglich zu geniessen. Glaube das äussert sich dann in den (mittlerweile platt wirkenden, aber einen aufrichtigen Kern besitzenden) Standard-Floskeln, die nur ausdrücken, dass jeder halbwegs normale Mensch ihnen von Herzen mehr Zeit (wofür auch immer) gegönnt hätte.

Dr.BrainFister
30.01.2011, 15:21
Vielleicht interpretierst Du in die Berichterstattung auch etwas zu viel rein (Diskriminierung). Eher betroffen zu sein, wenn jüngere Menschen (hier vermutlich im Sinne von sehr jungen bzw. Kindern) sterben, ist anstandstechnisch in den Köpfen installiert. Haben diese jetzt schliesslich deutlich weniger Zeit als die "alten" gehabt die chaotische, rotierende Dreckskugel als solche zu erkennen nett aufzuwachsen und zu versuchen das Leben soweit möglich zu geniessen. Glaube das äussert sich dann in den (mittlerweile platt wirkenden, aber einen aufrichtigen Kern besitzenden) Standard-Floskeln, die nur ausdrücken, dass jeder halbwegs normale Mensch ihnen von Herzen mehr Zeit (wofür auch immer) gegönnt hätte.
Das kann man natürlich so interpretieren und ich denke auch nicht, dass die Reporterin mit ihrem Statememt irgendjemanden bewusst diskriminieren wollte. Das macht es aber nicht unbedingt besser und führt meiner Meinung nach trotzdem - wenn auch "nur" unbewusst - zu einer geringeren Wertschätzung älterer Menschen.

Außerdem habe ich das Thema ja nicht nur auf undurchdachte "Standard-Floskeln" in den Medien beschränkt, sondern auch einige andere gesellschaftliche Bereiche aufgezeigt, in denen ich Altersdiskriminierung vermute. Oder glaubst du ernsthaft, dass ältere Arbeitnehmer es schwerer haben, weil die Personalchefs sie aus "unbewussten " oder "anstandstechnischen" Gründen ablehnen? ;)

greeen
30.01.2011, 16:04
... Das macht es aber nicht unbedingt besser und führt meiner Meinung nach trotzdem - wenn auch "nur" unbewusst - zu einer geringeren Wertschätzung älterer Menschen.Glaube selbst "alte" Menschen kriegen das in den richtigen Hals. ;)


Außerdem habe ich das Thema ja nicht nur auf undurchdachte "Standard-Floskeln" in den Medien beschränkt, ...War aber doch Dein Aufhänger, nahm ich also an, dass gerade das Dich im Moment aufregt.


...glaubst du ernsthaft, dass ältere Arbeitnehmer es schwerer haben, weil die Personalchefs sie aus "unbewussten " oder "anstandstechnischen" Gründen ablehnen? ;)Da habe ich Dir nicht widersprochen. Natürlich ist es heute übel als Ü50er entlassen zu werden. Aber (vorsicht: OT) jeder hat so seine Probleme. Jüngere, die dafür verantwortlich sind, dass die älteren keine Chancen mehr kriegen, müssen sich z.B. zunehmend mit Zeitverträgen zufrieden geben. Und andere ältere (in der Nahrungskette höhergestellte) kleben an ihren Chefsesseln fest. Ich weiss: pauschal. ;)

DerBademeister
16.02.2011, 15:20
Vielleicht interpretierst Du in die Berichterstattung auch etwas zu viel rein (Diskriminierung). Eher betroffen zu sein, wenn jüngere Menschen (hier vermutlich im Sinne von sehr jungen bzw. Kindern) sterben, ist anstandstechnisch in den Köpfen installiert. Haben diese jetzt schliesslich deutlich weniger Zeit als die "alten" gehabt die chaotische, rotierende Dreckskugel als solche zu erkennen nett aufzuwachsen und zu versuchen das Leben soweit möglich zu geniessen. Glaube das äussert sich dann in den (mittlerweile platt wirkenden, aber einen aufrichtigen Kern besitzenden) Standard-Floskeln, die nur ausdrücken, dass jeder halbwegs normale Mensch ihnen von Herzen mehr Zeit (wofür auch immer) gegönnt hätte.

Zudem empfinden wir zumindest unterbewusst gegenüber Kindern generell einen stärkeren Beschützerinstinkt. Insbesondere diejenigen die Eltern sind werden sicherlich bei jeder solcher Meldung im Kopfkino einen entsprechenden Film abspulen wie es ihnen in dieser Situation ginge.

Einen gleichartigen Instinkt gegenüber alten Menschen gibt es in der Natur nicht, da im Naturprinzip die Alten sterben sobald sie ihren körperlichen Zenit überschritten haben. Die Sorge um unsere Alten ist kein Produkt unserer Biologie sondern ein Produkt unserer Sozialisation - eines, das leider stark gelitten hat in jüngster Zeit, da gebe ich dem Fister Recht.

Aus ganz ähnlichen Urinstinkten beurteilen wir vermutlich den Tod von Frauen ("Frauen und Kinder" - nicht "Kinder und Frauen" - die Frauen sind an erster Stelle) als tragischer verglichen mit dem Tod von einfachen Männern. Journalisten sollten sich eigentlich bemühen solche subjektiven, gefühlsbetonten Wortbausteine zu unterlassen, sie tun es dennoch in der Regel nicht.

Einmal zum Thema Altersdiskriminierung zurück, ich denke wir haben Heute ein Problem der Generationengerechtigkeit. Dies trifft die Alten, aber zuweilen auch die Jungen - so wird der Lebensstandard meiner Generation in den nächsten Dekaden deutlich unter dem Lebensstandard unserer Elterngeneration liegen, was ein Novum in unserer Gesellschaftsgeschichte sein dürfte. Die Verantwortung dafür trägt aber nicht unsere Generation, sondern die 50 bis 80 jährigen die in den letzten 30 Jahren an den Schalthebeln von Politik und Wirtschaft die Weichen dafür gestellt haben.

Macht und Kapital in dieser Gesellschaft sind nicht bei uns Jungen konzentriert, sondern bei der Generation 50+. Auch als Wähler bauen sie schon rein nummerisch ihren Einfluss aus (was z.B. ein Teilgrund für die Zunahme des Konservativismus ist - ältere Leute wählen tendenziell Rechts, Jüngere links), während unsere Anzahl durch die Geburtenschwäche mehr und mehr schwindet. Musste unsere Elterngeneration einen halben Rentner mit ihrer Arbeit und ihren Steuern mitfinanzieren, werden wir einen ganzen Rentner mitfinanzieren müssen der selber nicht mehr erwerbstätig ist.

Auf der anderen Seite bildet sich auch unter den Älteren eine Zweiklassengesellschaft heraus, ein Jeder hier kennt sicherlich Ältere die sehr bequem leben, drei Reisen im Jahr machen und es sich gut gehen lassen, während wir ebenso Fälle kennen die von Grundsicherung leben und noch Zeitung austragen oder Pfandflaschen sammeln müssen um ihre karge Rente aufzubessern.

Auch der Arbeitsmarkt ist ein zweischneidiges Schwert. Viele Ältere ab 50 haben es schwer nach einem Jobverlust wieder eine Stelle zu bekommen, allerdings gibt es auf der anderen Seite auch eine Menge exzellent ausgebildete Leute zwischen 25 und 35 die sich von Praktikum zu Praktikum hangeln und einfach keinen festen Job bekommen. Die deutsche Wirtschaft will nun mal die eierlegende Wollmilchsau zwischen 30 und 40 die Berufserfahrung mitbringt, keine Kinder hat, die belastbar und "flexibel" ist und sich gerne in einer Geschäftsführertätigkeit für 900 Euro im Monat aufreibt - das ist übrigens kein Witz, solche Stellenanzeigen habe ich schon gesehen. Es gibt genug Ältere die einfach deshalb rausgeschmissen werden weil sie nach Jahrzehten von Gehaltserhöhungen und guten Tarifabschlüssen erheblich teurer für Unternehmen sind - und hier tun sich gerade hochprofitable Großkonzerne wie z.B. Siemens unrühmlich hervor - während ein jüngerer Mitarbeiter für einen Appel und ein Ei zu haben ist.

Einfache Lösungen gibt es bei diesen Konflikten nicht. Ich sehe das, ganz philosophisch ausgedrückt, als Teilbereich einer größeren Teile und herrsche-Strategie mit der unsere Eliten verschiedene Gesellschaftsschichten gegeneinander aufbringen. Der inszenierte Generationenkonflikt ist da nur eine weitere Dualität neben Frauen/Männern, Wessis/Ossis, Arbeitenden/Arbeitslosen und Germanen/Migranten. Die Menschen kriegen die Nebelgranaten um die Ohren gehauen so dass sie gar nicht mitbekommen wer ihnen eigentlich wirklich das Geld aus der Tasche zieht.

Was nun den von Braini angesprochenen "Jugendwahn" angeht, so ist es doch nur eine weitere Spielart des unbegrenzten Wachstums im Kapitalismus. Jeder Markt ist irgendwann gesättigt und es müssen neue Märkte erschlossen werden um weiter zu wachsen. Wie erschließt man neue Märkte? In dem man dem Menschen/Konsumenten das Gefühl gibt, ungenügend zu sein. Selbstzufriedene, selbstsichere, glückliche Menschen sind schlechte Konsumenten. Der Mann ab 40 welcher ständig mit knackigen Sixpackbeaus bombardiert wird, entwickelt eine Unzufriedenheit und mit dieser lässt sich Geld machen. Schönheitsoperationen, die wie ein Krebs aus dem Boden sprießenden Fitnessclubs, teure Statussymbole wie dicke Autos um den eigenen Marktwert zu erhöhen und vieles mehr.

Dies funktioniert bei Mann und Frau nur wenn das Alter(n) nicht mehr als ein Wert und eine Leistung an sich angesehen wird, sondern als eine Krankheit die es mit immer teureren Mitteln zu bekämpfen gilt. Da diese Krankheit aber nicht geheilt, sondern nur permanent behandelt werden kann (einen Jungbrunnen gibt's eben noch nicht), lässt sich den Menschen dekadenlang haufenweise Mist andrehen den sie gar nicht brauchen.

Hier ließe sich noch viel schreiben, z.B. über die Verwahrung und Verbannung des Alterns und Sterbens als natürlicher Bestandteil des Lebenskreislaufs aus unserem Alltag hinter hohe Mauern von Altenheimen, Pflegeheimen und Hospizen - aus den Augen, aus dem Sinn - aber ich komme an dieser Stelle mal zu einem abschließenden Fazit:

Für mich laufen alle diese Punkte auf den homo oeconomicus hinaus, dieses goldene Kalb der Wirtschaftsliberalen. Den Menschen also, der nur noch als möglichst effizientes, möglichst produktives Humankapital angesehen wird. Der Mensch wird nicht mehr unter humanistischen Gesichtspunkten beurteilt, sondern nur noch anhand seiner Nützlichkeit. Das führt zwangsläufig dazu dass ein Jeder der nicht nützlich genug ist (im Sinne wirtschaftlicher Verwertbarkeit), seien es Alte, Arbeitslose, Behinderte, Migranten etc. - in diesem Denksystem unweigerlich abgewertet wird. Er ist weniger Mensch, weniger wertvoll.

Ich empfehle in diesem Sinne die Lektüre des Essays "Empört Euch" von Stéphane Hessel, er als Jude und Kämpfer der französischen Résistance zieht darin Parallelen zwischen dem Faschismus und diesem Raubtierkapitalismus den wir Heute mit Begriffen wie "Neoliberalismus" beschreiben. Aus meiner Sicht ist dieser Vergleich passender als uns lieb sein mag, denn beide Denkschulen laufen darauf hinaus den Wert des Menschen nicht als universell anzusehen, sondern anhand seiner Nützlichkeit und Verwertbarkeit einzuordnen. Die eine Philosophie macht das anhand biologischer und rassischer Kategorien fest, die andere anhand ökonomischer - und, wie man gerade am enormen Erfolg von Sarrazin sieht - beide Denkweisen lassen sich auch wunderbar miteinander verknüpfen.

Dr.BrainFister
16.02.2011, 15:51
@Bademeister
Vielen Dank für die Empfehlung des Essays "Empört euch". Solche Vergleichsmuster sind mir auch schon mehrmals aufgefallen. Das Idealbild des ökonomisch effizienten Leistungsmenschen ist nicht allzu weit entfernt von dem des nationalsozialistisch propagierten Herrenmenschen. Und bei jeder dieser Ideologien sind letztlich die Kranken, Behinderten und Alten nicht viel mehr als eine störende Belastung, die irgendwie "gemanaged" werden muss.

In Bezug auf den Umgang der Hitler-Diktatur mit "unwertem Leben" ist besonders erschütternd (und bezeichnend), dass viele Ärzte nicht mal die Nazi-Ideologie brauchten, um sich für das Entsorgen alter und "schwacher" Menschen zu begeistern:


[...] Bewertung der Rolle der Medizin bei der Euthanasie in der NS-Zeit

Wesentlich war die Initiativfunktion wissenschaftlicher Funktionseliten bei den NS-Medizinverbrechen.

Zu bedenken gilt, dass alle Ärzte freiwillig mitwirkten, oft sogar mit Begeisterung. Dabei stellten sie die Nazi-Ideologie und ihre eigene Einschätzung der Kranken über den Mediziner-Eid, der die Tötung eines Patienten oder den Rat dazu verbietet. Die schon lange vor Beginn des Dritten Reiches eingeleitete Schwerpunktverlagerung von der kurativen hin zu einer eugenischen, prophylaktischen Medizin führte dazu, dass Heilen und Vernichten im Selbstverständnis der am Krankenmord beteiligten Ärzte zu Kehrseiten ein und derselben Medaille wurden.

Die Medizin wurde nicht von den Nazis instrumentalisiert, sondern machte sich die eröffneten Handlungsspielräume zunutze, um ihr sozialsanitäres Programm zur Schaffung eines erbgesunden Volkskörpers in die Praxis umzusetzen. Die meisten der mehr als 20 universitären Institute für Rassenhygiene waren bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten gegründet. [...]

Quelle: Wikipedia.de (http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Euthanasie#Bewertung_der_Rolle_der_ Medizin_bei_der_Euthanasie_in_der_NS-Zeit)

Dieses Menschenbild wurde auch in anderen Diktaturen ausgelebt, z.B. vom Ceaușescus-Regime in Rumänien:


[...] Bis zur politischen Wende und zum Sturz Ceaușescus 1989 wurden in Rumänien vielfach ungewollte, behinderte und chronisch kranke Kinder und Erwachsene in Heimen wie Cighid systematisch vernachlässigt („Euthanasie“ durch die Verhältnisse). Es gab auch eine „Euthanasie“ für ältere Menschen, indem Patienten ab einem Alter von 65 medizinische Hilfe versagt wurde. [...]

Quelle: Wikipedia.de (Unterpunkt "Ausländische Regelungen") (http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Euthanasie#Aktuelle_Debatte)

...und das alles ist noch gar nicht sooo lange her. Besonders wichtig finde ich dabei den Begriff "'Euthanasie' durch die Verhältnisse". Das umschreibt sehr gut, dass unbequeme Bevölkerungsgruppen nicht nur mit den offensichtlichen brachialen Mitteln dezimiert werden können, so wie wir es z.B. bei den Nazis erlebt haben, sondern auch durch subtile politisch/ökonomisch gewollte Änderungen in unserem Gesellschaftssystem.


Ein interessanter Beitrag zu dem Thema ist auch diese Doku aus der WDR-Reihe "die story":
ARD Mediathek: Verarmt, verstorben, verscharrt - Wenn der Tod zu teuer ist | WDR Fernsehen (http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=5881512)
ARD Mediathek: Podcast "die story - zum Mitnehmen" | WDR Fernsehen (http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3516968?documentId=2714096)
die story - WDR Fernsehen (http://www.wdr.de/tv/diestory/)

"Wenn der Tod zu teuer ist" - das kann in unserer Gesellschaft, unabhängig vom Alter, für jeden Menschen zum Problem werden, der nicht wohlhabend genug ist, um für sich oder seine Angehörigen die "letzte Ruhestätte" zu finanzieren. Aber gerade ältere Menschen mit schmaler Rente, die nicht mehr fit genug sind für den nervenzehrenden Behördenmarathon, haben umso schwerer daran zu tragen. Am Ende ist eben nicht mal der Tod umsonst - egal wieviele Jahre lang man sich für Vater Staat und Mama Kapitalismus den Buckel krumm geschuftet hat.

DerBademeister
16.02.2011, 19:07
Und bei jeder dieser Ideologien sind letztlich die Kranken, Behinderten und Alten nicht viel mehr als eine störende Belastung, die irgendwie "gemanaged" werden muss.Das Gesundheitssystem ist ein noch relativ überschaubarer Organismus an dem sich diese Veränderungen gut von Jedermann beobachten lassen. Es wird seit Kohls Kanzlerschaft und noch mal verschärft durch die diversen Gesundheits"reformen" der Ulla Schmidt mehr und mehr auf reine Verwertbarkeit getrimmt. Den Ärzten wird ein ökonomischer Blick auf ihre Patienten Kunden anerzogen und der humanistische Blick aberzogen. Unter vielen dieser Rationalisierungsmaßnahmen leiden gerade ältere Menschen, z.B. die geniale Entscheidung den Hausärzten nur noch 5 Euro pro Hausbesuch pauschal zu erstatten - jeder ältere Patient der nicht mehr in die Praxis kommen kann wird für den Hausarzt zum Kostenfaktor, da diese 5 Euro oft nicht mal die Benzinkosten abdecken - gerade auf dem Land. Generell ist die Pauschalierung - pro Kassenpatient gibt es glaube ich 20 Euro im Quartal, völlig egal wie oft dieser zu seinem Arzt kommt - geradezu darauf angelegt ältere Patienten zu benachteiligen, da diese eben öfter krank werden als Jüngere und der Arzt mit ihnen nur Verluste macht. Jeder Arzt der ältere Kassenpatienten aufnimmt und sich vielleicht sogar länger als die pro Besuch von der Kasse vorgesehenen 5 Minuten für sie Zeit nimmt, ist letztlich der Depp der Geld verliert. Wer sich Zeit nimmt ist der Dumme, das bleibt bei den Ärzten haften.

Ein aktuelles Beispiel:
Ich war heute in einem größeren Krankenhauskomplex, da ich zum Radiologen musste. Als ich fertig war und wieder ging wurde in die Aufnahme ein Patient in seinem Krankenbett gekarrt. Dieser Patient wirkte ganz schön heruntergekommen, hatte einige ziemlich große Blutergüsse und trug eine Windel. Sein würdeloser Zustand war so für Jedermann voll einsehbar, was leicht hätte vermieden werden können wenn man ihn einfach zugedeckt hätte. Für solche einfachen Details, die den Patienten aber Würde zurückgeben und das Gefühl gut aufgehoben zu sein, ist in unserem durchrationalisierten Gesundheitswesen aber gar keine Zeit mehr, da Ärzte und Pfleger nur noch gestresst sind und jeder Handgriff über das Nötigste hinaus schon einer zu viel ist.

Der unbedeckte Mann in seiner Windel erinnerte mich da, wie er so reingeschoben wurde, frappierend an ein Stück Vieh dass zum Schlachter gekarrt wird.

Ich habe jedenfalls der Klinik mal eine kritische Mail geschrieben, bin gespannt ob eine Antwort zurückkommt.


Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich hatte Heute Vormittag einen Termin in Ihrer Radiologie, welcher sehr schnell, freundlich und professionell abgewickelt wurde. Als ich allerdings fertig war und mich zum Gehen aufmachte, wurde mein guter Ersteindruck Ihres Hauses nachdrücklich eingetrübt. Aus dem Aufzug vor Ihrer Aufnahme wurde ein älterer Patient auf seinem Krankenbett gerollt, dieser hatte einige große Blutergüsse an seinen Beinen und trug eine Windel. Es wäre aus meiner Sicht das Mindeste gewesen, den Mann mit einer Decke zu bedecken. Es sind gerade solche vermeintliche Kleinigkeiten, die dem Patienten ein Stück seiner in dieser Lage ohnehin arg strapazierten Würde zurückgeben.

Wenn das Budget vorhanden ist um sich Millionen Euro teure CTs und MRTs anzuschaffen und dort täglich unter großem Kostenaufwand hunderte Patienten durchzuschleusen, sollte es doch auch möglich sein einem alten Mann eine Decke zu spendieren. Ein Mindestmaß an Würde steht auch jenen Patienten zu die vielleicht nicht mehr selber darauf aufmerksam machen können.

Ich würde mich freuen wenn Sie diese Kritik an die verantwortliche Stelle in Ihrer RoMed Klinik weiterleiten.

Mit freundlichem Gruß,

greeen
18.02.2011, 05:13
@ OT


Aus ganz ähnlichen Urinstinkten beurteilen wir vermutlich den Tod von Frauen ("Frauen und Kinder" - nicht "Kinder und Frauen" - die Frauen sind an erster Stelle) als tragischer verglichen mit dem Tod von einfachen Männern.Nicht wirklich. Kann mir keiner erzählen, dass er fremde Frauen bevorzugt rettet, wenn eigene Familienmitglieder sich in der gleichen Notsituation befinden. Bin sicher, dass es unser evolutionäres Erbe ist die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen; danach entscheidet die Gefährlichkeit der Situation und der "Gesamtnutzen" (darüber kann man streiten, gibt in der Biologie noch andere "Bezeichnungen" dafür) darüber, ob wir bereit sind anderen auch noch eine helfende Hand zu reichen.
Diese "Frauen und Kinder zuerst! - Regel" (http://de.wikipedia.org/wiki/Birkenhead_%28Schiff%29) ist noch gar nicht so alt. Hat auch vermutlich eher etwas mit Disziplin (damals) und verordnetem Edelmut (immer noch) zu tun. Wobei es eigentlich an der Zeit wäre, das gründlich zu hinterfragen, wenn es denn wirklich mal ansteht. Es gibt sicher Situationen, in denen insgesamt mehr Menschen gerettet werden könnten, wenn auf derartig zeitraubende und unpraktikable "Selektionsprozesse" verzichtet würde. Alles andere legt nah, dass Männer weniger wert sind als Frauen (den Edelmut mal ausgeklammert).



Journalisten sollten sich eigentlich bemühen solche subjektiven, gefühlsbetonten Wortbausteine zu unterlassen, sie tun es dennoch in der Regel nicht.Da gebe ich Dir Recht: Unabhängig davon, dass ich Kinder in eine besondere Gruppe einteile, ist die tendenziöse Berichterstattung teilweise ein Schlag ins Gesicht. Zuletzt gestern: "Anschlag: Es waren vier Frauen unter den Opfern". Natürlich ist das furchtbar - aber ist es tatsächlich erwähnens- und beklagenswerter als die männlichen (offenbar) Standardopfer? Geht schon leicht in Richtung pervertiert.

DerBademeister
18.02.2011, 17:57
@ OT

Nicht wirklich. Kann mir keiner erzählen, dass er fremde Frauen bevorzugt rettet, wenn eigene Familienmitglieder sich in der gleichen Notsituation befinden. Bin sicher, dass es unser evolutionäres Erbe ist die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen; danach entscheidet die Gefährlichkeit der Situation und der "Gesamtnutzen" (darüber kann man streiten, gibt in der Biologie noch andere "Bezeichnungen" dafür) darüber, ob wir bereit sind anderen auch noch eine helfende Hand zu reichen.
Diese "Frauen und Kinder zuerst! - Regel" (http://de.wikipedia.org/wiki/Birkenhead_%28Schiff%29) ist noch gar nicht so alt. Hat auch vermutlich eher etwas mit Disziplin (damals) und verordnetem Edelmut (immer noch) zu tun. Wobei es eigentlich an der Zeit wäre, das gründlich zu hinterfragen, wenn es denn wirklich mal ansteht. Es gibt sicher Situationen, in denen insgesamt mehr Menschen gerettet werden könnten, wenn auf derartig zeitraubende und unpraktikable "Selektionsprozesse" verzichtet würde. Alles andere legt nah, dass Männer weniger wert sind als Frauen (den Edelmut mal ausgeklammert).


Da gebe ich Dir Recht: Unabhängig davon, dass ich Kinder in eine besondere Gruppe einteile, ist die tendenziöse Berichterstattung teilweise ein Schlag ins Gesicht. Zuletzt gestern: "Anschlag: Es waren vier Frauen unter den Opfern". Natürlich ist das furchtbar - aber ist es tatsächlich erwähnens- und beklagenswerter als die männlichen (offenbar) Standardopfer? Geht schon leicht in Richtung pervertiert.

In jedem Fall wird unterstellt, dass der Tod von Frauen tragischer ist und eher an unser Mitgefühl appelliert als der Tod von Männern. Das ist insbesondere dort wo Frauen eine Exotenerscheinung sind, z.B. beim Militär, immer wieder zu beobachten - man erinnere sich nur an die propagandistische Ausschlachtung der zeitweilig entführten amerikanischen Soldatin Jessica Lynch (http://de.wikipedia.org/wiki/Jessica_Lynch) im Irakkrieg. Dieses Tränendrüsenprinzip ist natürlich umso mächtiger, je jünger und attraktiver die Dame in Schwierigkeiten ist. Siehe auch Missing white woman syndrome - Wikipedia, the free encyclopedia (http://en.wikipedia.org/wiki/Missing_white_woman_syndrome)

Das ist allerdings ein eigenes Thema was nur am Rande etwas mit Braini's Diskussionsbeitrag zur Altersdiskriminierung zu tun hat.

Simara
21.02.2011, 22:51
Interessantes Thema. Mir ist auch schon aufgefallen, dass alte Leute am Rande der Aufmerksamkeit sind. Immerhin war es die heute Rentnergeneration, die damals nach dem Krieg den Wiederaufbau gemeistert hat. Stichwort Trümmerfrauen. Genau diese Trümmerfrauen dümpeln jetzt am Existenzminimum herum. Und das, obwohl sie so viel für die Republik getan haben. Soviel zum Thema reiche Rentner.
Von den Jugenlichen heutzutage haben haben viele (lassen wir die Hartz-4-Kinder mal außen vor) so viel Geld wie keine andere Generation vor ihnen. Bescheidenheit ist keine Tugend mehr.

Natürlich kann man argumentieren, dass die alten Leute ihr Leben gelebt haben. Stimmt ja auch ... in gewisser Weise. Und junge Leute haben ihr Leben noch vor sich. Mit Komasaufen? :hmm:

Naja, alles was ich damit sagen will ist, dass die Aufbau-Generation gerne untern Teppich gekehrt wird. Ich finde das undankbar.

.

DerBademeister
22.02.2011, 00:40
Deren Renten waren allerdings noch vergleichbar sicher verglichen mit denen der folgenden Generationen.

Man kann hier auch volkswirtschaftlich gesehen nichts "ansparen" für zukünftige Zeiten, es kann immer nur verteilt werden was eben aktuell von der arbeitenden Bevölkerung erwirtschaftet wird. Da diese immer kleiner wird und immer mehr nicht Arbeitende immer länger zu versorgen hat, muss sie auch immer produktiver werden um das zu kompensieren.

Im Schnitt hatten die Alten nie so viel Vermögen wie Heute - aber da liegt eben der Hund begraben, im Schnitt. Wenn ein Rentner 9 Orangen besitzt und der andere Eine, besitzen Beide im Schnitt Fünf. Wie bei allen anderen gesellschaftlichen Gruppen ist das Grundproblem wohl die ungerechte, ungesunde Verteilung dieser Vermögen. Die Albrechts, Schleckers und Co. sitzen buchstäblich auf hunderten Milliarden unangetasteter Privatvermögen während immer mehr Alte Zeitung austragen oder Pfandflaschen sammeln müssen um ihre karge Rente aufzubessern.

Dr.BrainFister
26.02.2011, 20:41
...
Ein aktuelles Beispiel:
Ich war heute in einem größeren Krankenhauskomplex, da ich zum Radiologen musste. Als ich fertig war und wieder ging wurde in die Aufnahme ein Patient in seinem Krankenbett gekarrt. Dieser Patient wirkte ganz schön heruntergekommen, hatte einige ziemlich große Blutergüsse und trug eine Windel. Sein würdeloser Zustand war so für Jedermann voll einsehbar, was leicht hätte vermieden werden können wenn man ihn einfach zugedeckt hätte. Für solche einfachen Details, die den Patienten aber Würde zurückgeben und das Gefühl gut aufgehoben zu sein, ist in unserem durchrationalisierten Gesundheitswesen aber gar keine Zeit mehr, da Ärzte und Pfleger nur noch gestresst sind und jeder Handgriff über das Nötigste hinaus schon einer zu viel ist.

Der unbedeckte Mann in seiner Windel erinnerte mich da, wie er so reingeschoben wurde, frappierend an ein Stück Vieh dass zum Schlachter gekarrt wird.

Ich habe jedenfalls der Klinik mal eine kritische Mail geschrieben, bin gespannt ob eine Antwort zurückkommt.
Hast du von dem Krankenhaus inzwischen eine Antwort auf deine E-Mail bekommen?

DerBademeister
26.02.2011, 20:52
Nö, habe ich aber auch nicht erwartet, hätte mich gewundert wenn da eine Rückmeldung kommt.

Wir sind übrigens das Land mit der höchsten Dichte an radiologischen Geräten, nirgendwo sonst wird soviel geröngt oder in die Röhre geschoben. Hier werden vermutlich viele Milliarden verpulvert die anderswo fehlen, z.B. bei der Patientenpflege. Radiologen sind mit Abstand die wohlhabendsten Ärzte mit einem Verdienst von durchschnittlich 300.000 Euro im Jahr - der so wichtige Allgemeinarzt, dieser angebliche Lotse durch unser Gesundheitssystem, steht am anderen Ende der Verdienstskala - er muss sich mit einem Drittel begnügen.

Dr.BrainFister
27.10.2012, 11:52
Die Fälle von Altersarmut scheinen immer mehr zu werden. Hier eine interessante Doku zu dem Thema:


http://www.youtube.com/watch?v=oHHOp0Lf6Ak

Mediathek-Link: Die Armuts-Rentner | NDR.de - Fernsehen - Sendungen A - Z - 45 Min - Videos (http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/videos/minuten619.html)

Ich bin mal gespannt, wie sich die Altersarmut entwickelt haben wird, wenn ich reif für die Rente bin. Für mich ist jedenfalls auch Altersarmut eine Form von Diskriminierung. Sie ist letztlich oftmals die Konsequenz eines Renten-/Sozialsystems, in dem die Wertschätzung der Lebens- und Arbeitsleistung von Menschen sehr ungleich verteilt ist. Es kommt nicht darauf an, wieviel ein Mensch tatsächlich geleistet hat, sondern ob er einem Beruf nachging, in dem eine überdurchschnittlich hohe Vergütung gezahlt wurde.

DerBademeister
30.10.2012, 15:55
Vielleicht hat das auch etwas damit zu tun dass diejenigen welche die politischen Entscheidungen treffen überwiegend verbeamtet sind und somit keine Erfahrungen mit Altersarmut machen werden. Ein lokales Beispiel: Unser Landrat in meinem Landkreis geht nun mit Mitte 50 in den krankheitsbedingten Ruhestand nachdem er sich die letzten sieben von zehn Jahren seiner Dienstzeit mehr schlecht als recht mit einer wiederkehrenden Gehirnerkrankung durch den Job gekämpft hat um seinen Pensionsanspruch zu erreichen - der liegt nun nach 10 Jahren schon bei 2500 Euro im Monat nur für diesen einen Posten. Das erreicht mein Vater nicht annähernd trotz 40 Beitragsjahren, von denen viele an der Beitragsbemessungsgrenze waren (er war Abteilungsleiter in einem mittelständischen Unternehmen).

Müssten sich die (Wahl)beamten im höheren Dienst mit ihren Luxuspensionen und Rundumversorgung dem stellen was einem Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft blüht wenn er zu alt ist, dann sähen die Entscheidungen sicher anders aus. So erhöht man sich lieber alle naslang die Abgeordnetendiäten (2013 gibt's wie schon dieses Jahr wieder 300 Euro mehr - womit sich auch die Pensionen entsprechend erhöhen).

Ich glaube Hans Olaf Henkel hat bereits die Rente mit 70 gefordert - das wäre dann noch einmal eine weitere deutliche Rentenkürzung, so wie auch die Rente mit 67 eine Rentenkürzung ist. Ich kann mir nicht vorstellen dass dieses System in 30 Jahren noch so tragbar ist, wenn wir uns auf das Rentenalter zubewegen. Der Trend wird ob mit SPD oder CDU weiter hin zur Demontage der gesetzlichen Rente und zum Bewerben der Privatvorsorge gehen, da beide Parteien personell eng mit der privaten Versicherungswirtschaft verknüpft sind und die Rentenversicherungen eine Goldgrube darstellen die langsam gehoben wird (Maschmeyer sprach von einer Ölquelle die nun angebohrt ist und sprudelt).

Da die Hälfte der Bevölkerung allerdings keinerlei Vermögen hat kann sie gar nicht privat vorsorgen, selbst wenn sie wollte - es ist schlicht kein Einkommensplus frei um dieses in eine private Rentenversicherung oder sonstige Altersvorsorge anzulegen. Diese Bürger sind also völlig auf die gesetzliche Rente angewiesen.