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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sex Mission (1983)



The Scout
12.05.2011, 22:42
Ha, da habe ich in einem alten Thread eine Erwähnung des Films Sexmission gelesen, ansonsten aber keinen Thread dazu. Das forderte mich doch gerade dazu heraus, einen neuen Thread zu eröffnen und eine schon etwas ältere Besprechung von mir zu diesem Film zu posten. :alien_laugh:


Film: Sex Mission (Seksmisja)
Polen, 1983

An was denkt man, wenn man von einem Film mit dem Titel „Sex Mission“ hört? Zunächst vermutlich an einen Film der nach 24 Uhr spätnachts auf einem der Privatsender läuft und einer FSK-18-Beschränkung unterliegt. Doch weit gefehlt, bei "Sex Mission" handelt es sich um einen polnischen Science-Fiction Film, der in unserem östlichen Nachbarland längst Kultstatus erreicht hat. Das sollte Grund genug sein, einmal einen Blick über die Oder hinweg in unser zweitgrößtes Nachbarland zu werfen, um mal zu sehen was sich dort so in Sachen Sci-Fi in der Vergangenheit getan hatt.

Zunächst zur Handlung: Im Jahr 1991 werden die Personen Max und Albert für einen wissenschaftlichen Versuch für geplante drei Jahre eingefroren. Für diesen Art Winterschlaf wird der Begriff „Hibernisation“ verwendet. Als sie wieder aufwachen sind ihnen die Umstände ihres Schlafes und der Zustand der Welt zunächst unbekannt. Alles erscheint seltsam und befremdlich. Mit der Zeit stellt sich dann heraus, dass sie bis ins Jahr 2044 geschlafen haben.



Aufgrund eines kurz nach ihrem Einfrieren ausgebrochen Krieges wurde ihr Experiment vergessen. Durch eine von ihrem Professor entwickelten biologischen Waffe sind dabei alle Männer getötet worden und nur die Frauen überlebten. Diese haben sie in Ihren Hibernisatoren wieder entdeckt und wieder ins Leben zurückgeholt. Die Frauen dieser Zeit leben unter der Erde in einem totalitären Staat, welcher durch die so genannte „Frauen Liga“ gegründet worden war. In diesem Staat herrscht eine Ideologie, die Männer zu Feinden der Frauen erklärt und alles Männliche als das Böse schlechthin darstellt. Die Propaganda verfälscht die Geschichte, stellt alltägliche Dinge (z.B. einen Korkenzieher) in absurder Weise als Folterinstrument der Männer für die Frauen dar und selbst die Bibel wurde entsprechend umgedeutet (So verführte laut dieser Propaganda Adam Eva im Paradies mit dem Apfel und Kain erschlug seine Schwester Abla).
Zunächst wissen die Verantwortlichen im Frauenstaat nicht, was sie mit den Männern anfangen sollen und es kommt zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen zwei Forschungsabteilungen. Die Männer indes benötigen einige Zeit um genau zu verstehen was vor sich geht und welche Situation nun herrscht. Es steht zur Debatte die Männer geschlechtlich um operieren zu lassen. Einem Entschluss eines Tribunals zur Operation versuchen sich die beiden Männer mit Flucht zu entziehen. Dabei gelangen sie hinter das wahre Geheimnis des Frauenstaates.


Was also gibt es zu diesem Film zu sagen? Oberflächlich betrachtet behandelt der Film auf eine sehr überzogene Weise den Geschlechterkonflikt und die Themen Feminismus und Patriarchat. Der Film verliert leider etwas an Humor in der Übersetzung und so kommt der Humor der deutschen Version in teilweise etwas plump rüber. Überhaupt wurden einige Passagen in der deutschen Synchronisationsversion verändert, so dass an manchen Stellen Personen andere Aussagen treffen als im Original. Außerdem wurde die deutsche Version teilweise geschnitten, Passagen verschoben oder weggelassen. In manchen Fällen steht dann durch die etwas missglückte Übersetzung der Slapstick-Humor im Vordergrund, was dem Film aber eigentlich nicht gerecht wird.


Wer in einem Land mit parlamentarischer Demokratie wie selbstverständlich mit einer relativ großen Freiheit aufgewachsen ist, dem erschließt sich vermutlich nicht gleich die hintergründige Botschaft und das hinter der Geschichte versteckte Thema. Der Film ist in Polen absoluter Kult, in anderen (vor allem westlichen) Ländern wurde und wird der Film kaum wahrgenommen. Ob der Film in der DDR ähnlich verstanden und aufgenommen wurde, ist mir nicht bekannt. In Polen versteht zumindest jeder – zumindest in der Generation die vor 1990 aufgewachsen ist, die Botschaft des Filmes.

Dazu möchte ich an dieser Stelle eine Erklärung beifügen die die Bezüge dieses Filmes zur polnischen Geschichte aufzeigen. Nach 1945 geriet Polen in die sowjetische Einflusszone und dem Land wurde von der UdSSR ein kommunistisches Regierungs- und Gesellschaftssystem aufgezwungen. Mit diesem System waren – in den einzelnen Phasen unterschiedlich Stark – Unterdrückung und Einschränkungen der Freiheit und damit auch der Meinungsfreiheit verbunden und Kritik am System war öffentlich nicht möglich. So entwickelte der polnische Film seine ganz eigene Art heikle politische und gesellschaftliche Kritik der Gegenwart in oberflächlich unverfängliche Geschichten zu verpacken und so an der Zensur vorbei zu manövrieren.
Sexmisja ist einer dieser Filme die auf der Oberfläche einer unverfänglich wirkenden Komödie Kritik am kommunistischen System verfremdet, aber so dass sie noch von den polnischen Zuschauern verstanden werden kann. Als der Film im Mai 1983 erschien lagen die politischen Unruhen um die Solidarnosc-Bewegung seit Ende der 70er-Jahre nicht lange zurück und das Kriegsrechte seit 1981 war noch (bis Juni) offiziell verhängt. Polen befand sich 1983 in einer Zeit in der die Unterdrückung der Freiheitsrechte und der Meinungsfreiheit durch das kommunistische Regime wieder zugenommen hatte. Allgemein eine bedrückende und beängstigende Zeit für die Menschen in Polen. Da wirkte dieser Film, der auf eine einfache und komödiantische Art in einer simplen Satire das System adabsurdum führte wie eine geistige Befreiung von den allgegenwärtigen Zwängen.

Auf einer Metha-Ebene transportiert der Film politische Themen dieser Zeit, aus einer sehr spezifisch polnischen Sicht. Der totalitäre Staat der Frauen war natürlich eine Anspielung auf das totalitäre System der Kommunisten. Die Verfälschung der Geschichte und der Bibel durch die „Frauen Liga“ ist eine Parallele zu der offiziellen, verfälschten Interpretation der Geschichte durch die kommunistische Regierung. Die absurde Propaganda des Frauenstaates stellt auf symbolische Art die verlogene Propaganda der kommunistischen Regierung dar. So hat der Film noch weitere versteckte und symbolische Anspielungen auf die politischen und gesellschaftlichen Zustände im Polen der frühen 80er Jahre, deren Beschreibung im Detail an dieser Stelle sicher zu weit führen würden.
Und was den Sex in "Seksmisja" betrifft, für einen polnischen Film der 80er Jahre ist er tatsächlich sehr freizügig was die Darstellung der weiblichen Brust betrifft.

Mit welchem Resümee soll ich also diese Besprechung beenden? In Polen ein absoluter Kult ist Sexmission sicher ein interessanter Film für Sci-Fi-Begeisterten die sich auch nicht scheuen ältere Sci-Fi-Filme aus dem nicht-angel-sächsischen Raum anzuschauen. Ob deutsche Interessierte von dem Film ähnlich begeistert sind wie die polnischen Zuschauer ist kaum zu sagen, aber vielleicht trägt die Besprechung zu einem besseren Verständnis des Filmes bei.