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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : ENT: Suraks Seele (Jeanne M. Dillard)



Lars
23.08.2005, 10:12
Jeanne M. Dillard: Suraks Seele (Surak's Soul)
Deutsch von Andreas Brandhorst
Heyne-Verlag

"Als die Enterprise einen Notruf vom Planeten Oan auffängt, entschließt sich Captain Archer zu einem Rettungseinsatz. Aber das Team kommt zu spät - die Oani wurden durch eine mysteriöse Epidemie ausgelöscht. Bordarzt Dr. Phlox kann keinerlei Ursachen für den Ausbruch der planetenweiten Seuche ausfindig machen. Doch dann nimmt ein amorphes Energiewesen, das sich "Wanderer" nennt, telepathischen Kontakt mit T'Pol auf und bietet seine Hilfe an. Es behauptet, die Oani seien aufgrund einer seltenen Strahlung umgekommen. Archer gestattet ihm, an Bord der Enterprise zu kommen - eine verhängnisvolle Entscheidung ..."

(aus dem Klappentext)

Was weiterhin passiert:
Auf dem Planeten kommt es zu einem Zwischenfall - das Außenteam wird von einem noch lebenden Oani angegriffen. T'Pol greift instinktiv zur Phasenpistole und will ihn betäuben, doch der Strahl tötet den geschwächten Oani. Dieses Ereignis lässt in T'Pol den Entschluss reifen, nie wieder, auch nicht zum Zwecke der Selbstverteidigung, Gewalt anzuwenden. Damit befindet sie sich im Einklang mit der Philosophie von Surak, dem Mann, der den Grundstein für die Lebensweise der heutigen Vulkanier legte. Captain Archer ist wenig erfreut, als sie ihm mitteilt, daß sie aufgrund ihrer Überzeugung notfalls auch einen direkten Befehl zur Verteidigung von Schuff und Besatzung verweigern würde.

Während der "Wanderer" an Bord ist, ereignen sich weitere Krankheitsfälle: Doktor Phlox, Lt. Reed, Ensign Sato und andere fallen nacheinander in den komaähnlichen Zustand, in dem man auch die letzten Oani vorfand. Sato hatte offenbar beim Durchgehen der Video-Logs der Oani etwas Interessantes gefunden, konnte dies aber dem Captain nicht mehr mitteilen.

Wie sich herausstellt, ist der "Wanderer" an allem schuld: Er ernährt sich von der elektrischen Energie, die der menschliche Körper produziert. Er selbst sieht sich als friedfertiges Wesen, daß sich nur von nicht-intelligentem Leben ernährt. Nur definiert er "nicht intelligent" als "nicht telepathisch begabt", sodaß er außer T'Pol den Rest der Besatzung als Nahrung ansieht; eine Ansicht, von der auch T'Pol ihn nicht abbringen kann. Außerdem kann er tote menschliche Körper "von innen heraus" kontrollieren, was ihm die Möglichkeit gibt, die Kontrolle über die Enterprise an sich zu nehmen.

Allerdings kann der "Wanderer" nur kleine Mengen an elektrischer Energie aufnehmen; der Warp-Reaktor strahlt jedoch ein so großes elektrisches Feld aus, daß sich der "Wanderer" nicht im Maschinenraum aufhalten kann; die Koma-Patienten kommen dort wieder zur Bewußtsein. Da der Maschinenraum jedoch nicht genug Platz für alle Besatzungsmitglieder bietet (und der "Wanderer" obendrein die Lebenserhaltung für diesen Raum deaktiviert), ist die Crew weiterhin in Gefahr.

Nach einem kleinen Feuergefecht zwischen Trip (mit selbstgebastelter Elektroschock-Pistole) und dem "Wanderer" kommt T'Pol die rettende Lösung: In Erinnerung an Surak und den Menschen Gandhi, dessen Lebenshaltung Surak als seiner durchaus ebenbürtig ansah, lässt sie die Crew eine Kette bilden, indem sich alle an den Händen halten. Dadurch werden die elektrischen Energien der Besatzungmitglieder miteinander verkoppelt, und dieses Feld ist wiederum zu stark für den "Wanderer". Er kann ihnen nichts anhaben und gibt geschwächt auf. Ein vulkanisches Schiff wird gerufen, welches den "Wanderer" in Gewahrsam nimmt.

T'Pol erkennt, daß ihr Konzept der absoluten Friedfertigkeit nicht angebracht ist.

Dies ist der dritte der im ENT-Universum spielenden Romane, die ich bislang gelesen habe, und von diesen gefällt er mir am meisten. Von Aufbau her ähnelt er einer TV-Episode, z.B. der einleitende Logbuch-Antrag am Anfang. Die einzelnen Personen agieren glaubwürdig, wobei jeder der Brückenoffiziere seinen Anteil an Handlung bekommt, die Hauptakteure sind dabei T'Pol und Jonathan Archer. Was mir vor allem gefallen hat, war die Lösung des Problems: Ist sie auf den ersten Blick furchtbar naiv (wir bezwingen ein böses Wesen mittels "Händchenhalten"), so ist sie doch plausibel und eine schöne Abwechslung zu den sonst so üblichen Vorgehensweisen Diplomatie oder Trek-Tech. Da verzeiht man auch gerne, daß über verschiedene Aspekte wie z.B. die Vorgehensweise des "Wanderers" bei der Nahrungsaufnahme nicht oder nur widersprüchlich erzählt wird (Kann er nun nur eine oder gleichzeitig mehrere Personen anzapfen?).

Der Roman hat allerdings zwei deutliche Schwachstellen: der eigentlich Plot und die Erklärung für T'Pols plötzlichen völligen Gewaltverzicht.
Der Plot ist - gelinde gesagt - wohlbekannt? Abgegriffen? Ausgelutscht? Ein vermeintlich wohlgesonnenes Alien kommt an Bord, mysteriöse Zwischenfälle ereignen sich, schließlich stellt man den Übeltäter. Wie oft hat man so etwas schon einmal gelesen? Was hat die Autorin sich dabei gedacht, ausgerechnet diesen Plot, dieses "Skelett" wieder auszugraben? Glücklicherweise versteht sie es aber, dieses Gerippe mit genügend Fleisch zu versehen, sodaß die Geschichte doch noch ein netter Appetithappen wird.
Die Erklärung T'Pols für ihren vollständigen Gewaltverzicht fand ich nicht glaubhaft. Die einzelnen Erlebnisse aus T'Pols Leben sind zwar ansprechend erzählt (T'Pol verursacht als Kind den Tod eines Tieres, in ihrer Jugend zieht sie bei einer Diskussion mit Surak über die legitime Anwendung von Gewalt den kürzeren, zuletzt die Tötung eines Vulkaniers im Rahmen einer Geheimmission), ergeben aber m.E. zusammen mit einigen ihrer Überlegungen keinen plausiblen Grund, warum man selbst im Falle der Verteidigung seiner selbst oder anderer keine Gewalt anwenden darf/soll. Ein großer Schwachpunkt, wenn man bedenkt, daß dies von Titel und Schilderung und her offensichtlich ein Schwerpunkt sein soll, sowie ein Armutszeugnis für die vulkanische Logik.

Trotz aller Schwächen würde ich den Roman aber trotzdem zum Lesen empfehlen, da er solide erzählt ist, die Charaktere gut getroffen, und das Ende ... ich liebe es.