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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erinnerungen (zum Jahresende)



Reiner
16.12.2006, 16:18
ERINNERUNG:

Es begab sich vor einigen Jahren, das eine aussergewöhnliche SF-Serie, in Australien produziert, unglaublich treue Fans hervorbrachte. Diese Serie hieß FARSCAPE und durfte nur zwei Staffeln lang im deutschen Free-TV laufen. Das genügte jedoch um Aufmerksamkeit zu erregen.

International erregte jedoch das Absetzen der Serie nach Staffel 4 (5 Staffeln waren geplant) noch viel mehr aufsehen.

Nachdem man schon mal gehört hatte, das Star Trek´s Ende in den frühen 70igern eine Welle der Sympathie und des Engagements vieler Fans diese Serie als Franchise rettete, so erlebt man diese in dieser Form nie wieder ... bis zum Tage als das plötzliche Ende von Farscape verkündet wurde.

Auf der PKWs - DVD mit dem Special kann man die echten Tränen von Claudia Black erleben als das Team in Australien davon erfuhr.

Die Welle der Entrüstung und des weltweiten Engagements war gigantisch und so noch nie dagewesen. Viele Aktionen ähnlicher Art für andere Serien verebbten schnell - doch bei Farscape war es anders.

Alles began mit dieser Anzeige, welche auch die Mannschaft in Australien erreichte und erneut zu Tränen rührte:


Eine Anzeige im Sydney´s „The Daily Telegraph“:

“To the Farscape
Cast and Crew

We are touched by life and the people we know. In return, we touch the lives of
others by the things we do, who we are.

Occasionally, who we are reaches beyond the ordinary to give a glimpse of the
extraordinary. To offer a remarkable vision.

Farscape is more that a hero’s journey. It is the story of each of us. It is an
experience of wonder, a quest for family, a renewal of hope. A realization that we
are more than we knew.

Everyone can be their own kind of hero.

This is your gift: to envision the story and bring it to life. A moving story filled with
love, and trials, and tears. You imagine a universe and invite us to believe.

We do. We believe in you.”


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Das war der Beginn einer beispiellosen Aktivität die es erreichte Firmen zu finden die eine Mini-Serie mit dem Finale von Farscape finanzierten.

The Peacekeeper Wars - brachte ein würdiges, scaperlikes Ende der Serie.


Heute bleibt nur die Erinnerung und die DVDs im Regal, doch wenn man sieht wieviele Fans weltweit der Serie heute immer noch die Treue halten (und Neue dazukommen), so kann man durchaus weiter hoffen, dass Henson Co. eines Tages dieses Franchise wieder aufnehmen wird - das als Ausblick zum neuen Jahr ...

... und in diesem Sinne:

Ein Frohes Weihnachtsfest und ein gesundes Neues Jahr 2007 !!

Reiner
16.12.2006, 16:40
Und das urteilte noch 2002 in der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) nach dem Absetzen von FARSCAPE:


Captain Kirk hatte mehr Glück

Auf, auf, zum Marsch nach Washington: Wie die Fans der
Science-fiction-Serie "Farscape" ihr Juwel retten wollen

So also hat man sich das vorzustellen, wenn Zivilcourage und
Medienbewußtsein sich im Kampf gegen Senderunrecht amalgamieren: Eine
wortgewaltige Schriftstellerin namens Caitlin R. Kiernan, deren Romane und
Erzählungen (unter anderem "Silk" und "Threshhold") unter Kritikern
zeitgemäßer dunkler Phantastik viel gelten, gibt, weil sie weiß, wie das
geht, soviel Pedal wie möglich und schreibt aus dem Stand einen
ergreifenden Aufruf zugunsten einer bedrohten, inzwischen wohl endgültig
abgesetzten Fernsehserie auf dem amerikanischen Spartenkanal
"Sci-Fi-Channel" namens "Farscape", schwingt öffentlich Reden zur Sache und
macht mit der Aufforderung, den Text so schnell wie möglich so weit wie
möglich zu verbreiten, das halbe Internet verrückt.

"Farscape", ein in Deutschland bisher rund zwei Jahre lang von Sat.1
gezeigtes, prinzipiell unendliches Fortsetzungsepos um die Abenteuer eines
bei astronavigatorischen Experimenten in Erdnähe durch ein Wurmloch ans
andere Ende des Kosmos gesaugten Astrophysikers namens Crichton, seines
lebenden und denkenden Raumschiffs Moya und eines ausladenden
Humanoidariums kulturell, kognitiv und sozial äußerst fremdartiger
Außerirdischer, ist, schreibt zumindest Kiernan, nicht einfach nur - was
wenige Kenner bestreiten würden - bestes phantastisches Bildschirmkino auf
der Höhe der Zeit, sondern "im Gegensatz zum allermeisten, womit wir durch
die Leuchtröhre abgespeist werden, Kunst. Ich weiß wohl, daß ,Kunst' für
einige Leute in der Science-fiction-Fangemeinde ein schmutziges Wort ist -
aber andererseits sind schmutzige Wörter etwas, wovor man sich bei
,Farscape' nie gefürchtet hat; man war nicht einmal darum verlegen, sich
für die Serie eigene schmutzige Ausdrücke auszudenken, um die ver@%$§ten
Fernsehzensoren zu überlisten."

"Farscape", soviel steht fest, Kunst hin oder her, war seine vier
bisherigen Staffeln lang fast ohne Ausrutscher und Durchhänger
intelligentes, amüsantes, originelles Fernsehen - erwachsen, dialogbewußt,
sexy (Claudia Black, Darstellerin der streitbaren Crichton-Partnerin Aeryn
Sun, hat eben erst einen britischen Zuschauerpreis als attraktivste Frau im
"Genrefernsehen" gewonnen und eher verwundert angenommen) und vor allem neu
in seiner Darstellung von Außerirdischen, die statt Ausländer mit
Latexmasken wirklich Geschöpfe waren, deren Motive sich kaum auf etwas, was
wir kennen, zurückführen ließen und deren Charaktere sich nicht in ihrer
Haltung zum menschlichen Helden ("Freund" oder "Feind") erschöpften.

Die Absetzung hat nicht nur Kiernan auf den anklägerischen Plan gebracht:
Zuschauer demonstrieren friedlich, aber unter Tränen vor dem Sender, der
erklärt hat, das Ende der Sendung läge an undurchsichtigen Finanzengpässen.
Die Entscheidung scheint irreversibel, im Augenblick kämpfen die Fans auf
Websites wie der neu eingerichteten "www.savefarscape.com" nicht mehr um
eine Fortsetzung im gewohnten Rahmen, sondern um die Freigabe der Rechte
und einen Neustart bei einem anderen Sender. Die ganze Situation ist mit
mehr Pathos aufgeladen als die Oberammergauer Passionsspiele: Für den
vorgestrigen Samstag hatte das strategische Oberkommando der
Schadensbegrenzer eine landesweit koordinierte Reihe von Rallyes an
symbolträchtigen Orten der Vereinigten Staaten organisiert, darunter der
Vorplatz des Nationalen Luft- und Raumfahrtmuseums in Washington.

Wie selten und inspirierend das ist, was sich da auf dem Schauplatz einer
Popkultur abspielt, die ihr massendemokratisches Versprechen in Wahrheit
nur sehr selten gegen den Willen einer nahezu allmächtigen, rein
angebotsorientierten Kulturindustrie behaupten kann, wie außergewöhnlich
der Fall ist, so deprimierend er wahrscheinlich ausgeht - das alles kann
man sogar in Jahren messen. Das letzte Mal nämlich, daß so etwas aus
vergleichbarem Anlaß geschah, datiert auf den Dezember 1966 zurück, vor
nunmehr sechsunddreißig Jahren.

Damals versammelte der hyperaktive Literat, Erzähler und
Hollywood-Drehbuchautor Harlan Ellison ein "Komitee" um sich, das neben
illustren Namen aus der Welt der literarischen Filminspiration wie Richard
Matheson ("The Incredible Shrinking Man") und Robert Bloch ( "Psycho") auch
von der Kritik gerühmte Autoren phantastischer Literatur auf die Beine
brachte, darunter den Ikonoklasten Philip José Farmer und Theodore
Sturgeon, der in seinen Kurzgeschichten als erster sprachliche und
bildliche Vexierspiele um das Angstthema "Sexualität" in die
technikverliebte amerikanische Phantastik einführte. Zweck der so
hochkarätig besetzten Kabale, die sofort nach Gründung mit der forcierten
Herstellung von Formbriefen und der Ausübung wohldosierten Telefonterrors
begann, war die Rettung einer zu diesem Zeitpunkt unmittelbar von
quotenbedingter Absetzung bedrohten obskuren Serie über menschliche und
nicht ganz so menschliche Astronauten in der fernen Zukunft, die mit einem
Raumschiff namens "U.S.S. Enterprise" aufgebrochen waren, um neue Welten,
neues Leben und neue Zivilisationen zu erforschen: "Star Trek".

Die Logistik, der sich die militanten Freunde von Mister Spock und Captain
Kirk bedienten, um die nach Quotenmaß wie angeschossen hinter zahlreichen
weit weniger aufregenden Serien herhinkende Show zu retten, hätte für einen
echten Aufbruch ins Weltall gereicht: Die Empfänger gleich des ersten
Rundschreibens, sowohl in Fankreisen bereits namhafte Personen wie
sympathisierende Meinungsmultiplikatoren, wurden mit präzisen strategischen
Vorgaben aufgefordert, ihrerseits Protestbriefe zu schreiben: "Wichtig:
benutzen Sie keine Formbriefe, vermeiden Sie die in diesem Schreiben
benutzten Wendungen" - und senden Sie die an "a.)Lokale Sendeanstalten, die
,Star Trek' ausstrahlen, b.) Sponsoren und Anzeigenkunden, c.) lokale und
überregionale Fernsehkolumnisten der Zeitungen und d.) an ,TV Guide' und
andere Fernsehmagazine".

Daß das Unternehmen Erfolg hatte, beweisen heute zahlreiche, nicht immer
sonderlich inspirierte Klone der Star-Trek-Mutterserie von "Deep Space
Nine" bis "Voyager", gegen die sich gegenwärtig frische, gescheite
Konkurrenten wie eben "Farscape" oder die angesichts der soeben
ausgestrahlten Pilotfolge sehr vielversprechende neue Weltraum-,
Kolonisations- und Verstrickungsserie "Firefly" des "Buffy"- und "Angel"-
Erfinders Joss Whedon behaupten müssen.

Nach dem Ende von "Akte X", der großen Ufo-Verschwörungsoper, die in den
neunziger Jahren visuell und erzählerisch Maßstäbe gesetzt hatte und
zuletzt leider zunehmend der leeren Gebetsmühlenautomatik ihrer zentralen
Themen und Motive erlegen war, konnten Freunde des Genres in "Farscape"
vier Staffeln lang die große Wohnzimmerhoffnung spekulativer Popkunst aus
dem Geist der technischen Romanze liebgewinnen. Wenn, wie die Retter
wollen, eine Wiederbelebung gelingt - oder wenigstens ein abschließendes
"Special", das die wichtigsten Handlungsfäden zum den Abschied
erleichternden Knoten schürzt -, hätten die Fans auf vergleichsweise
billige Weise die Kulturindustrie gezwungen, ausnahmsweise ein Wort über
die Lippen zu bringen, das man dort ansonsten planmäßig zu hassen scheint:
Nachfrage.

DIETMAR DATH
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2002, Nr. 232 / Seite 40

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Happy End:
Eine sehr gut geschriebene Beurteilung, und ja Herr Dath ... die Fans haben es tatsächlich noch geschafft!
:)