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Reiner
03.09.2007, 09:48
Zur Diskussion freigegeben:

Diktatur des Kapitals



Der Wahlkampf in Deutschland beginnt schon sehr bald wieder.

„Schwarz, Rot, Grüne sowie Gelb alles schimpft auf die Linke ... und manchmal heisst es in einigen Bundesländern: „Wir haben die bösen Ex-Kommunisten zur Macht eingeladen.“
So ein Kommentar in einer grossen deutschen Sonntagszeitung vergangener Tage.

Böse?
Wie polemisch diese Einstellung doch ist.

Doch was ist wirklich böse für die Menschen und die Gesellschaft?
Was hat in Wahrheit zu der Überreaktion von Islamisten gegen das „böse“ Amerika geführt?

Nein, nicht die friedliebenden, gelassenen und warmherzigen Amerikaner selbst, sondern deren Ideologie vom „American way of life for the world.“

„Making money“ ist die Devise, doch das geht immer auf Kosten der Schwächeren. „Making money“ ist niemals pro Gemeinwohl und zum Wohle von sozialer Gerechtigkeit.

Wir haben es „live“ erlebt, als die Luftfahrtgesellschaften der USA nur wenige Tage nach den Terrorangriffen auf New York und Washington abertausende Mitarbeiter auf die Strasse setzten, weil kurzfristig die Nachfrage nach Flugreisen rapide einbrach.

Soll das unsere Zukunft sein?
Soll das zum Wohle der Volkswirtschaft sein?
Motiviert das Menschen sich zu engagieren?
Wollen wir so miteinander umgehen?
„Shareholder value“ um jeden Preis!

So also sieht die Zukunft in den Köpfen der Mächtigen in der globalisierten Welt wirklich aus. Toll, es lebe und regiere das Kapital... der Mensch interessiert uns herzlich wenig!

„Kampf dem Terrorismus“ so die USA, doch es ist nur der Kampf gegen eine andere Vorstellung von Gesellschaftsordnung und Wertevorstellung.

Die Diktatur des Kapitals hat im Rahmen der Globalisierung zuerst die ärmsten Gesellschaften erreicht. Dabei wundern wir uns nur warum die Wut darauf nun ganz besonders groß ist – seltsam.

Lippenbekenntnisse sind es nun, die Besserung für diese Menschen geloben, doch es werden Lippenbekenntnisse bleiben, solange das was deutsche Millionäre an amerikanischer Einstellung so lieben, die neidlose Bewunderung ihres Reichtums, weiterhin die Mentalität der führenden Weltmacht bleibt.

Solange man lieber Millionäre für ihren Ferrari bewundert, statt sich Gedanken und Sorge über die Armen und Vergessenen zu machen, solange wird es keine wirkliche Gerechtigkeit auf dieser Welt geben.

Solange man sich zudem mit steuerlich absetzbaren Spenden für sein Reichtum „freikaufen“ kann, solange wird die Lüge neben dem Kapital mitregieren.

Unsere Medien sind nichtsdestotrotz, eigentlich als Plattform der Kritik und Kontrolle gedacht, auch weiterhin abhängig vom Gegenteil des Gesagten. Ein Widerspruch der es kaum erlaubt deutliche Kritik am Gesamtsystem zu äußern, da man ja selbst aus ihr erwachsen und finanziell davon abhängig ist.

Weiterhin abhängig von ständig zu steigernden Umsatzzahlen, abhängig von immer weiter zu steigernden Gewinnen. Der Mitarbeiter ist und bleibt nur so lange interessant, solange er zur Produktivitätssteigerung beiträgt. Der Begriff des „Humankapitals“ ist allein schon eine Kapitulationserklärung.

Wohin führt uns das alles?

Wir erleben tagtäglich das wir immer weniger für unser mühsam verdientes Geld erhalten (man nennt es Inflation), wir erleben gleichzeitig das wir auch immer weniger für unsere Steuern vom Staat erhalten (man nennt es Steuererhöhung).

Doch irgendwer verdient daran!

Es ist eigentlich so simpel:
Die Wenigen die mehr haben, wollen immer mehr und die Vielen die wenig haben, denen wird weiter immer mehr genommen.

Wohin das führt haben wir in diesen Monaten erlebt. New York ist ein schreckliches Beispiel für Unzufriedenheit und Gerechtigkeit auf der Welt. Die Wall Street auf der einen und die Bettler unter der Brücke auf der anderen Seite.

Argentinien auch, aber auf andere Weise. Eine hungernde Bevölkerung hat sich die Lebensmittel aus den Supermärkten irgendwann einfach genommen - so weit kann es gehen. In Argentinien hat die Welt erstmals erlebt wohin eine freie, unkontrollierte Marktwirtschaft führt... zur Ausbeutung der Menschen. Fasst ist es schon wieder vergessen.

Eine traurige Bilanz muss leider bleiben:
Solange das Kapital regiert und solange jede Kritik an der freien Marktwirtschaft in den Medien verpönt ist, solange wird es immer weniger soziale Gerechtigkeit in der Welt geben!


Professor Heinz-J. Bontrup, Wirtschaftswissenschaftler an der FH Gelsenkirchen, formuliert es so:
„Unternehmen kannibalisieren sich gegenseitig, wenn sie nur dem Gesetz des Wettbewerbs folgen.“

„Das Wettbewerbsprinzip kennt nur Begierde und Macht als die Triebkräfte der Welt.“

„Die Neigung zum Monopol entspringt der Grundnatur des kapitalistischen Erwerbs.“

„Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt, sondern er ist nur Mittel zum Gewinnmachen.“


Keine gute Aussichten!?!

Eine positive Vision für die ferne Zukunft habe ich jedoch:
„Erst wenn der letzte Baum gefällt, und die letzten Rohstoffe der Erde ausgebeutet wurden, hat auch die Ausbeutung des Menschen sich überholt!“

Positive Vision?
Nicht wirklich, aber immerhin ein „Ende-Datum“!



Und so findet man ebenfalls Ursachen:

Das Dilemma des Zinskapitalismus
(Es folgen Zitate aus dem aktuellen Buch von Günter Hannich, Copyright-Hinweis am Schluss dieser Zeilen)

„Der Wucherer ist mit vollstem Recht verhasst, weil das Geld hier selbst die Quelle des Erwerbs und nicht dazu gebraucht wird, wozu es erfunden ward. Denn für den Warenaustausch entstand es, der Zins aber macht aus Geld mehr Geld. ... Der Zins aber ist Geld von Geld, so dass er von allen Erwerbszweigen de naturwidrigste ist.“
(Aristoteles, griechischer Philosoph)



Unsere Weltordnung gilt heute offiziell als sicher und als große Errungenschaft, erlernt aus den Fehlern der Geschichte. Nach dem Scheitern des Kommunismus und dem Ende der Ost-West-Konfrontation scheinen keine Alternativen zum kapitalistischen System mehr denkbar zu sein. Diese sogenannte „Beste aller Welten“ zeichnet sich nach Meinung der Verantwortlichen durch stetiges Wirtschaftswachstum und Stabilität aus, was langfristig allen Menschen der Welt zu einer glücklichen Zukunft in friedlicher Umgebung verhelfen soll.

Was die Medien in diesem Zusammenhang gerne vergessen, sind die Hintergründe des Systems. Wer jedoch diesen Funktionsmechanismen auf die Spur gekommen ist, erkennt, dass unsere Geldordnung den entscheidenden Faktor in der Menschheitsentwicklung darstellt. Der Kapitalismus ist dabei auf ständige Expansion angewiesen, andernfalls kommt es zum schnellen Zerfall. Wie ein Krebsgeschwür muss das Finanzsystem immer größere Teile der Gesellschaft vereinnahmen, um selbst am Leben zu bleiben. Da jedoch in einer endlichen Welt kein unendliches Wachstum möglich ist, muss die Gesellschaft wie wir sie kennen zum Zusammenbruch verurteilt sein, solange die Zerstörungsmechanismen nicht beseitigt sind. Alle großen Kulturen sind am falschen Geldsystem zugrunde gegangen und es gibt keinen Grund, warum heute die Entwicklung anders verlaufen sollte.
...
Der auffälligste Hinweis darauf, dass das Finanzsystem auf einen Zerfall zusteuert, stellt die auseinaderklaffende Schere zwischen Geldvermögen und Verschuldung dar. Jeder Euro, welcher heute als Vermögen existiert, ist verzinst angelegt. Durch den Zins wächst das Geldvermögen jedes Jahr weiter an. Damit Zinserträge weiter fließen können, muss das angewachsene Geld wieder verliehen werden. Was der eine als Zinsgewinn hat, muss ein anderer als Verschuldung verbuchen. Es entsteht also ein Verschuldungszwang, indem die Zinsgewinne automatisch zu einer ansteigenden Gesamtverschuldung führen müssen. Ein Schuldenabbau ist deshalb niemals möglich. Im Gegenteil: die Schulden müssen bis zum Bankrott explodieren.
...
Ein „Wegsparen“ der Verschuldung, wie es heute in Politik und Medien propagiert wird, ist jedoch volkswirtschaftlich unmöglich.
...
In diesem System hat die große Mehrheit der Bevölkerung wenig Möglichkeiten, langfristig einer Verarmung zu entgehen. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich zunehmend.
...

Obige Zeilen sind das einleitende Kapitel und weitere Zitate aus dem erschreckend spannenden und leider realistischen Buch des Diplom-Ingenieurs und Finanzexperten Günter Hannich, „Börsenkrach und Weltwirtschaftskrise – Der Weg in den 3. Weltkrieg“ (Erschienen im Kopp-Verlag, ISBN 3-930219-34-4).

Reiner
03.09.2007, 16:00
Hinweis:

Die Amerikaner haben sicher nicht den Kapitalismus erfunden, und das soll auch keine Schelte auf die Amis werden oder sein, denn die Menschen sind dort grundsätzlich positiv.

Nur USA ist ein Beispiel wie weit man dem „Glauben an den Kapitalismus“ verfallen sein kann. Ein anderes Beispiel ist die Auslegung der Islamisten, die wiederum etwas anderes in ein anderes Extrem auslegen.

Kaff
12.09.2007, 21:54
Keine Ahnug, kommt immer auf die Menschen an. In der Firma, in der ich jetzt angefangen hab, wird man jedenfalls aus Mensch behandelt. :) Man ist per du mit der Geschaeftsfuehrung. Es gibt regelmaessig Unternehmungen, es wird darauf geachtet, dass sich die Mitarbeiter gern haben, Entspanungsmoeglichkeiten aehrend der Pausen (Tischtennis, Wii). Am Abend wird noch ein Bierchen/anstaediges Getraenk getrunken. Dann wird halt noch etwas gespielt/geschwatzt/ geld verdient wird natuerlich auch. Es gibt noch viel zu wachsen.

Naja, die Firma ist jetzt nicht so gross...rund 300 Mitarbeiter weltweit, werden aber staendig mehr. Zeigt aber, es geht eben auch anders. iehgt natuerlich an der Mentatlitaet (hier der Niederlaendischen) So kann auch Kapitalismus Spass machen, da muss man nicht nach irgendwelchen Revolutionen schreinen, die eh schief gehen, weilsie nur Opportunisten anlocken.

Teylen
13.09.2007, 10:01
Nennt man sowas nicht Socialising zur Foerdung der Human Ressources und einer Corporate Identitiy? Die verflachung der Fuehrungshirachien dient doch hauptsaechlich dazu den zuvor geschuetzten Arbeiter in staerkeren Kontakt zum Markt, den Kunden zu bringen und damit massivst unter Erfolgsdruck zu setzen.


Es gibt noch viel zu wachsen.
Gibt es das? Muss es das geben?
Muss man als Arbeiter fuer die Firma leben? Sich von ihr die Freizeit und Entspannung diktieren lassen? Den sozialen Umgang nach Feierabend? Muss man zwanghaft staendig weiterwachsen und dafuer dann als Arbeiter einbussen hinsichtlich geregelter Arbeitszeiten und persoenlicher Freizeit hinnehmen?

Das was du dort beschreibst ist amerikanischer Kapitalismus in Rohform.
Der Arbeiter wird soweit gebracht das er die Ausbeutung seiner Ressource dem Chef selbst vorschlaegt.


In der Firma, in der ich jetzt angefangen hab, wird man jedenfalls aus Mensch behandelt
Wird man das wirklich?
Nach der Beschreibung wuerde ich schaetzen eher nicht, denn ein Mensch definiert sich nicht allein durch die Arbeit.
Nur so als eventuelles Indiz: Gibt es bei euch Ueberstunden oder wird einfach erwartet das man "dafuer das es noch soviel zu wachsen gibt" auch gerne einmal (unbezahlt) laenger bleibt?


@Rainer:
Ich denke nicht das die Islamisten keine Kapitalisten sind.
Viel mehr das der clash zwischen Amerika und Islam ein Kampf um Ressourcen und eine kapitalistische Vormachtsstellung ist.


Der Begriff des „Humankapitals“ ist allein schon eine Kapitulationserklärung.
Menschen sind kein Kapital. Dann waeren sie ja Geld wert.
Menschen sind Ressourcen (Human Ressources) die nach der Investition in den Kopfwert dafuer da sind Kapital zu schoepfen / erzeugen.

Ich denke nicht das das System zusammenbricht, da man schafft die Ressourcen zur eigenem Verbrauch auch noch zu motivieren und die Armen,... an denen verdient dann die Waffenindustrie.

Reiner
13.09.2007, 12:58
... ja zum Thema Islamismus ... kann ich so unterschreiben.

Humankapital: Leider ist es eben doch so, das der Mitarbeiter nicht als Mensch zählt sondern nur was er für die Firma erwirtschaftet.

Ungleiche Chancengleichheit und Geldverteilung:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,505465,00.html

Kaff
13.09.2007, 21:20
Nennt man sowas nicht Socialising zur Foerdung der Human Ressources und einer Corporate Identitiy? Die verflachung der Fuehrungshirachien dient doch hauptsaechlich dazu den zuvor geschuetzten Arbeiter in staerkeren Kontakt zum Markt, den Kunden zu bringen und damit massivst unter Erfolgsdruck zu setzen.
Wenn du das so soehst. Was ist denn die Alternative? Grosse Hierarchien, bei denen sich die Kollegen gegenseitig unter Erfolgsdruck setzen und mobben...Also die Entscheidung zwischen diesen Wegen faellt mir sehr einfach Und ich hab normalerweise Schwierigkeiten Entscheidungen zu treffen.


Gibt es das? Muss es das geben? Natuerlich. Ich moechte ja noch eine Weile dort arbeiten. Wenn es keine neuen Kunden gibt, die neue Fetaures wuenschen haetten wir ja nicht mehr viel zu tun.


Muss man als Arbeiter fuer die Firma leben? Sich von ihr die Freizeit und Entspannung diktieren lassen? Den sozialen Umgang nach Feierabend? Muss man zwanghaft staendig weiterwachsen und dafuer dann als Arbeiter einbussen hinsichtlich geregelter Arbeitszeiten und persoenlicher Freizeit hinnehmen? Muessen muss hier keiner. Aber der soziale Umgang schmiedet zusammen und sorgt fuer besseres Betriebsklima. Passt natuerlich zu jedem, aber die werden ja beim Vorstellungsgespaech herausgefiltert. Ic kann nur von meiner Firma reden, aber die Arbeitszeiten sind an sich schon geregelt. Nur wenn ich da will spiel ich halt zwischendurch mal eine Runde Tischtennis oder mit dem Wii und arbeite dafuer etwas laenger. Und falls es doch mal Ueberstunden gibt, dann werden die abgefeiert.


Das was du dort beschreibst ist amerikanischer Kapitalismus in Rohform.
Der Arbeiter wird soweit gebracht das er die Ausbeutung seiner Ressource dem Chef selbst vorschlaegt. Was ist denn dein Gegenvorschlag? Kollegen die man nicht ausstehen kann, ein Chef der bei jeder Gelegenheit mit Entlassung droht? Eine Arbeit, die einem nicht Spass macht? Ich hab hier nicht das Gefuehl ausgebeutet zu werden...



Wird man das wirklich?
Nach der Beschreibung wuerde ich schaetzen eher nicht, denn ein Mensch definiert sich nicht allein durch die Arbeit. Natuerlich nicht. Aber wichtig ist, dass man motiviert jeden Tag zur Arbeit geht.

Nur so als eventuelles Indiz: Gibt es bei euch Ueberstunden oder wird einfach erwartet das man "dafuer das es noch soviel zu wachsen gibt" auch gerne einmal (unbezahlt) laenger bleibt?
Das wurde als wir den vertrag besprochen haben noch extra betont: "du hast deine freizeit zu haben um abzuschalten.
Die Philosophie ist doch eigentlich klar: "Ein gutes Produkt kommt von zufriedenen Mitarbeitern"
Aber Gegenvorschlaege sind gern willkommen.

Teylen
13.09.2007, 22:58
Wenn du das so soehst. Was ist denn die Alternative?
Definierte Aufgabenbereiche, eine Hirachie in der man sich auf seine Bereich konzentrieren kann ohne direkt mit dem Markt konfrontiert und in eine Panik getrieben werden.
Meiner Erfahrung fällt der Erfolgsdruck weder bei flachen Hirachien, noch wird Mobbing geringer.


Natuerlich. Ich moechte ja noch eine Weile dort arbeiten. Wenn es keine neuen Kunden gibt, die neue Fetaures wuenschen haetten wir ja nicht mehr viel zu tun.
Mir geht es weniger darum das das Kerngeschäft wegbrechen sollte, als das es mich doch etwas irritiert das doch jedes Quartal / Jahr neue, höhere Umsatzziele ausgehängt werden, das man unbedingt größer als die Konkurrenz sein muss. Man könnte doch auch einfach mit einem guten Stand zu frieden sein.

Ein weiter Punkt, wieso sollte ein Kunde direkt mit dem Entwickler um neue Features verhandeln wenn dessen Aufgabe eigentlich mehr das entwickeln ist?

Muessen muss hier keiner. Aber der soziale Umgang schmiedet zusammen und sorgt fuer besseres Betriebsklima. Passt natuerlich zu jedem, aber die werden ja beim Vorstellungsgespaech herausgefiltert.
Es ist ja noch nicht mal das man nicht sozial ist.
Das man nicht mit den Kollegen auskommen will, nur dieses ranschweißen an die Firma. Ich habe da mehr als einen erlebt der sich in dem Getriebe so sehr angespornt gesehen hat das es irgendwann zum nervlichen und körperlichen Zusammenbruch kam (in Deutschland). Wegen Überstunden, Wochende und dem Problem nicht mehr wegschalten zu können.

Gerade bei gutem Betriebsklima merke ich auch bei mir, das ich das Gefühl habe, wenn ich pünktlich gehen würde das man es negativ auffassen könnte.

Das die Beobachtung keine abstruse Phantasie oder Einzelfälle ist, zeigt andere Berichte zu Firmen Strukturen sowie entsprechende Analysen der psychischen Auswirkungen in der New Economy.

Und falls es doch mal Ueberstunden gibt, dann werden die abgefeiert.
Werden sie?
Abgesehen von dem dezenten Hinweis im Vorstellunsggespräch das es keine Überstunden gibt, gibt es Kollegen die Überstunden, teilweise Urlaubstage, über die Jahre verschleppen das - würden sie es nehem - sie knapp ein halbes bis ein Jahr weg wären.


Aber Gegenvorschlaege sind gern willkommen.
Ich fände es gut, wenn anstelle die Illusion zu schaffen das die Firma der Ort ist wo auch die Freizeit statt finden kann, beides sauber getrennt wäre.
Man braucht keinen Wii, Spiele, einen Pool in der Firma um sich mit dem Kollegen oder dem Chef zu verstehen und man kann sich - wenn man die mag - doch auch ohne socialising Zwang mit ihnen abseits der Arbeit treffen.
Als einzelner Angestellter sollte man sich nicht für Management Handlungen oder die Umsatzzahlen im vollen Umfang verantwortlich fühlen ... sondern max. soweit man sie beeinflussen kann.

Kaff
15.09.2007, 00:04
Mir geht es weniger darum das das Kerngeschäft wegbrechen sollte, als das es mich doch etwas irritiert das doch jedes Quartal / Jahr neue, höhere Umsatzziele ausgehängt werden, das man unbedingt größer als die Konkurrenz sein muss. Man könnte doch auch einfach mit einem guten Stand zu frieden sein. Nun...bin kein Wirtschaftswissenschaftler, aber ich denke schon, dass wachsende Gewinne gut sind, um fuer mehr Arbeit fuer mehr Menschen zu sorgen. Ist halt die fRage, wer die Gewinne einstreicht.


Ein weiter Punkt, wieso sollte ein Kunde direkt mit dem Entwickler um neue Features verhandeln wenn dessen Aufgabe eigentlich mehr das entwickeln ist? Nein,das soll er ja auch nicht. Fuer so etwas sind ja dann die Berater da, die solche Wuensche filtern und weiterleiten.


Es ist ja noch nicht mal das man nicht sozial ist.
Das man nicht mit den Kollegen auskommen will, nur dieses ranschweißen an die Firma. Ich habe da mehr als einen erlebt der sich in dem Getriebe so sehr angespornt gesehen hat das es irgendwann zum nervlichen und körperlichen Zusammenbruch kam (in Deutschland). Wegen Überstunden, Wochende und dem Problem nicht mehr wegschalten zu können. Aber das ist dann eher ein Problem der Person selber, die mit so etwas nicht umgehen kann. Verschiedene Menschen brauchen halt andere Arbeitsbedingungen. Also ich wuerde in einer Firma mit Gesieze, Kleiderordnung und beengten Arbeitsbedingungen zugrunde gehen. Manche brauchen dies vielleicht, um sich besser disatnzieren zu koennen von der Arbeit. Es gibt ja auch Leute, die freiwillig zum Militaer gehen. Die wuerden e sin einer locken Umgebung nicht aushalten.


Gerade bei gutem Betriebsklima merke ich auch bei mir, das ich das Gefühl habe, wenn ich pünktlich gehen würde das man es negativ auffassen könnte. Das liegt dann aber eher an dir. Denn an sich waer das ganze widerspruechlich...


Das die Beobachtung keine abstruse Phantasie oder Einzelfälle ist, zeigt andere Berichte zu Firmen Strukturen sowie entsprechende Analysen der psychischen Auswirkungen in der New Economy. Passt eben nicht zu jedem...genausogut wird man psychische Probleme bei Mitarbeitern Old-Style-Economy-Firmen finden.


Werden sie? Jo. Wollte heute noch mit einem Kollegen reden. Aber dann hab ich erfahren, dass er nicht da ist, weil er seine abfeiert.

Abgesehen von dem dezenten Hinweis im Vorstellunsggespräch das es keine Überstunden gibt, gibt es Kollegen die Überstunden, teilweise Urlaubstage, über die Jahre verschleppen das - würden sie es nehem - sie knapp ein halbes bis ein Jahr weg wären. Das liegt dann aber auch an den Kollegen. Wennsie nicht in Anspruch nehmen, was ihnen zu steht, laeuft irgend etwas falsch.

Naja, in ein paar Jahren werde ich mal sehen ob ich ausgebrannt bin. Dann kannst du ja auch gerne deinen "I Told you so"-Blick aufsetzen.

So, andere Meinungen?

ghostwriter
18.09.2007, 22:30
"Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden." - John Maynard Keynes

Das Problem des modernen Kapitalismus ist die Perfektion einer Illusion. Der Illusion von Freiheit und Selbstbestimmung. Schon in der Schule wird uns eingetrichtert, dass wir alles erreichen können, wenn wir uns nur genügend anstrengen und ausreichend lernen. Dass im wirklichen Leben gut bezahlte Jobs Mangelware sind und eben nicht jeder Professor, Chefarzt oder Topmanager werden kann, das wird von Pädagogen gerne verschwiegen. Dass sogar ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung als Fliessbandarbeiter, Putzfrau, Müllmann oder Altenpfleger arbeiten muss, erzählen uns die Politiker nicht.

Die Wahrheit, dass es nämlich in unserer Gesellschaft wenige zum Gewinner schaffen, viele dafür aber zu den Verlierern gehören, ist nirgendwo zu hören. Von der Schuld des Einzelnen wird aber umso mehr gesprochen. Man habe sich nicht genug angestrengt. Sei halt nicht begabt oder durchsetzungsfähig. Das man auch noch selber Schuld sei, auf der Verliererseite zu stehen. Dass wird dem Volk glaubhaft gemacht. Und zwar über zwei Fehlurteile:

1. Der Erfolg hängt von der eigenen Leistung ab.
Ob man aus einem Leistungsvergleich als Sieger oder Verlierer hervorgeht, hängt nur sehr mittelbar von der eigenen Leistung ab. Vielmehr steht die eigene Leistung in einer Relation bzw einem Vergleich mit der Leistung der Mitkonkurrenten. Und deren Leistung kann man nicht beeinflussen. Und das bei einer schulischen Selektion oder bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz eine bestimmte Quote an Verlierern bereits im Vorfeld feststeht ist auch klar. Ein Job, viele Bewerber. Also noch mal: ich habe keinen Einfluss auf die Zahl der Subjekte (Jobs) um die ich konkurriere, ich habe keinen Einfluss auf die Bewertungskriterien, die für deren Vergabe festgelegt werden, und ich habe keinen Einfluss auf die Leistungen der Mitbewerber. Und doch soll ich allein durch meine eigene Leistung den Erfolg bestimmen können?

2. Leistung ist eine Frage der Leistungsfähigkeit.
Jetzt hat man natürlich erkannt, dass es durchaus Menschen gibt, die sich trotz großer Anstrengungen in einem Leistungsvergleich nicht durchsetzen können. Für diese Menschen hat man sogleich eine neue Erklärung parat: sie sind durch Veranlagung nicht in der Lage genug zu leisten. Man nennt das gemeinhin mangelnde Begabung oder Intelligenz. In Wirklichkeit wird die Verantwortung für das Versagen wieder auf das Subjekt übertragen. Nicht die Lehrer haben versagt, die einem etwas nicht verständlich machen konnten. Nein. Hier hat der Schüler selber die Schuld, da er geistig nicht in der Lage sein soll zu verstehen. Er versagt, also ist er ein Versager. Von Natur aus. Da hat Gott der kapitalistischen Gesellschaft aber einen großen Gefallen getan. Wie sollten wir lauter Einsteins bezahlen. Und verdammt, wer würde dann unsere Straßen kehren ?


"Eine der schauerlichsten Folgen der Arbeitslosigkeit ist wohl die, dass Arbeit als Gnade vergeben wird. Es ist wie im Kriege: wer die Butter hat, wird frech." - Kurt Tucholsky

Ein zweites Problem hat der moderne Kapitalismus den Menschen beschert: die Massenarbeitslosigkeit. Durch den Fortschritt der Technologie werden viele Arbeiten, die früher von Menschen ausgeführt wurden, automatisiert. Ganze Firmen werden „Rationalisiert“, d.h. Personal(-kosten) werden eingespart, Menschen entlassen. Das hat für den Kapitalisten zwei Vorteile:

1. Der Gewinn wird Maximiert.
Die Gewinnmaximierung hat schon längst die gesamtgesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen abgelöst. Sie wird besonders in Aktiengesellschaften zur einzigen Unternehmensphilosophie. Wo immer mehr und mehr erwirtschaftet werden muss, wo nicht der Gewinn sondern nur die Gewinnsteigerung zählt, wird der Mensch zum bloßen Kostenfaktor.

2. Arbeitnehmerrechte werden abgebaut.
In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wo der Mensch nur als Kostenfaktor gesehen wird, drängen die Unternehmen und deren Nutznießer auf eine Senkung der Personalkosten und Abschaffung von Arbeitnehmerrechten. Und die Arbeitnehmer arbeiten freiwillig mehr, verzichten auf Lohn und geben Mitbestimmungsrechte auf. Neue Arbeitsformen entstehen: Leiharbeiter, 1 € Jobber, Daueraushilfen und Dauerpraktikanten. Alles aus Angst vor Arbeitslosigkeit und Harz IV.


"Im Kapitalismus beutet der Mensch den Menschen aus, im Kommunismus ist es genau umgekehrt." - Benjamin Tucker

Und was ist nun die Alternative? Der Kommunismus war zwar eine nette Idee, die aber nicht funktioniert hat. Ist der Kapitalismus doch die einzig vernünftige Gesellschaftsform?

Auf jeden Fall läuft etwas schief in unserer Gesellschaft. Und der Kapitalismus wandelt sich in eine Form der Diktatur. Der Diktatur des Kapitals. Der Diktatur des mehr besitzen als…, des schöner sein als…, des schlauer sein als …
Wo viel nicht genug, und das Mehr zum höchsten Ziel wird, stimmt etwas nicht mit unserer Einstellung.

Es ist nie falsch, sich Gedanken über eine bessere Gesellschaft zu machen!
Lasst uns heute damit beginnen.


"Der Kapitalismus hat nicht gesiegt. Er ist bloß übrig geblieben." – Graffiti an der Universität Leipzig, 1990

Reiner
19.09.2007, 11:56
"Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden." - John Maynard Keynes

....


"Der Kapitalismus hat nicht gesiegt. Er ist bloß übrig geblieben." – Graffiti an der Universität Leipzig, 1990

Wie wahr wie wahr - leider.

PS: Gestern Themenabend auf ARTE dazu. Genial

http://www.arte.tv/de/woche/244,broadcastingNum=803411,day=4,week=38,year=2007 .html

Dune
19.09.2007, 14:24
Lasst mich mal eins klarstellen: Ihr sitzt in einer beheizten Wohnung, trinkt wahrscheinlich den guten Markenkaffee aus dem Lidl, tragt Kleidung von C&A und sitzt auf einem mehr oder weniger teurem Bürostuhl. Während ihr das tut, surft ihr auf eurem Laptop/PC im Internet und lest/schreibt Berichte über den bösen Kapitalismus.

Wenn wir ehrlich sind, hat absolut niemand in diesem Thread das Recht, sich über Kapitalismus zu beschweren.

Reiner
19.09.2007, 19:58
Lasst mich mal eins klarstellen: Ihr sitzt in einer beheizten Wohnung, trinkt wahrscheinlich den guten Markenkaffee aus dem Lidl, tragt Kleidung von C&A und sitzt auf einem mehr oder weniger teurem Bürostuhl. Während ihr das tut, surft ihr auf eurem Laptop/PC im Internet und lest/schreibt Berichte über den bösen Kapitalismus.

Wenn wir ehrlich sind, hat absolut niemand in diesem Thread das Recht, sich über Kapitalismus zu beschweren.

Doch, ... denn es steht jedem frei etwas dagegen zu tun.

Man kaufe Autos made in Germany; oder man gehe auf den Markt mit Obst von Bauern der Umgebung.

Man achte darauf woher etwas kommt was man kauft.
... der Käufer hat mehr Macht als er denkt und nutzt.

Dazu kommt: Man kann sich engagieren, z.B. bei ATTAC

usw. ff. etc.

Einfach gesagt: Das Geld war mal für den Menschen da und nicht umgekehrt. Es steht nirgends geschrieben, das die heutige Wirtschaftsform nicht veränderbar sein soll, ... auf alle Fälle erkennen immer mehr Menschen, das sie dringend verbesserungswürdig ist!

ghostwriter
19.09.2007, 23:09
Wenn wir ehrlich sind, hat absolut niemand in diesem Thread das Recht, sich über Kapitalismus zu beschweren.

Keiner hat behauptet alles am Kapitalismus und an Marktwirtschaft wäre schlecht.:D

Aber es gibt Entwicklungen (Globalisierung, Turbokapitalismus, Working Poor) die nicht in Ordnung sind. Und wenn die Menschen niemals über eine Verbesserung der gesellschaftlichen Umstände nachgedacht hätten, würden wir heute noch für einen Lehnsherren Fronarbeiten verrichten.:undecide:

Also: open your mind. ;)

Dune
20.09.2007, 11:23
Doch, ... denn es steht jedem frei etwas dagegen zu tun.

Man kaufe Autos made in Germany; oder man gehe auf den Markt mit Obst von Bauern der Umgebung.



Äh, ich glaube du verwechselst gerade Kapitalismus mit Globalisierung. Ich sehe da doch einen Unterschied.




Dazu kommt: Man kann sich engagieren, z.B. bei ATTAC


Organisationen, die zu kollektiver Gewalt aufrufen um 'die Welt zu verbessern' sind bei mir schon in vornerein unten durch.

Reiner
20.09.2007, 11:32
Äh, ich glaube du verwechselst gerade Kapitalismus mit Globalisierung. Ich sehe da doch einen Unterschied.




Organisationen, die zu kollektiver Gewalt aufrufen um 'die Welt zu verbessern' sind bei mir schon in vornerein unten durch.


1. Globalisierung ist eine Folge des ungezwungenen Kapitalismus. Waren die Märkte früher lokal regelbar, so bedeutet die Macht von internationalen Firmen einfach die Möglichkeit sich den Produktionsstandort dort auszusuchen wo es am billigsten ist. Also etwas was ein kapitalistisches Unternehmen immer tut. Die Grenzen sind nun für Firmen kaum mehr da. Lediglich der Angestellte kann und möchte eben nicht gerne seine Heimat aufgeben.

2. ATTAC: Ist ausdrücklich friedlich. Selbst der CDU-Mann Heiner Geisler ist Mitglied, ausdrücklich weil man gerade friedlich agiert. ATTAC ist für die Tobin-Steuer und eine demokratische Kontrolle der internationalen Finanzmärkte.

http://de.wikipedia.org/wiki/Attac

Reiner
30.10.2007, 18:12
Und wie zur Bestätigung: SPIEGEL online heute ...

Party für Reiche

Über Jahre hinweg haben die Notenbanken die Welt mit billigem Geld überschwemmt - und damit die Wohlhabenden noch wohlhabender gemacht. Jetzt droht die Inflation. Und die macht die Armen ärmer.

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,514436,00.html

Hmpf
07.11.2007, 02:04
(Jup, ich bin zurück, nach langer Abwesenheit, und stürze mich gleich in den Anti-Kapitalismus-Thread. *g*)


Lasst mich mal eins klarstellen: Ihr sitzt in einer beheizten Wohnung, trinkt wahrscheinlich den guten Markenkaffee aus dem Lidl, tragt Kleidung von C&A und sitzt auf einem mehr oder weniger teurem Bürostuhl. Während ihr das tut, surft ihr auf eurem Laptop/PC im Internet und lest/schreibt Berichte über den bösen Kapitalismus.

Wenn wir ehrlich sind, hat absolut niemand in diesem Thread das Recht, sich über Kapitalismus zu beschweren.

Hmm. Interessant. Solange es mir gut geht, darf ich mich also nicht über den Kapitalismus beschweren? Kritisieren darf ich das System nur, wenn ich selbst zu den akut Benachteiligten gehöre? ;-)

Möglicherweise sehe ich aber, daß es auch eine Menge Leute gibt, denen es tatsächlich schlecht geht - gar nicht mal unbedingt primär hier bei uns, aber in vielen anderen Ländern, deren Armut zu unserem Wohlstand beiträgt/beigetragen hat. Und daß Zerstörung und Ausbeutung von Natur und Mensch immer noch an der Tagesordnung sind, und gute Profite bringen. Und daß wir alle gemeinsam auf einen Abgrund zurasen und keiner die Bremse zieht, solange noch Gewinn gemacht wird. Sind das illegitime Beobachtungen? Nur, weil es mir persönlich momentan noch 'gut' geht?

(Und weiter: geht es mir tatsächlich gut? Werde ich nicht z.B. dazu gezwungen, mein Leben und meine Persönlichkeit so zu gestalten, daß sie wirtschaftlich möglichst optimal 'verwertbar' sind? Vielleicht möchte ich in Wirklichkeit gar nicht wirtschaftlich optimal verwertbar sein?)

Lesempfehlung für alle hier im Thread:

http://www.amazon.de/eindimensionale-Mensch-Herbert-Marcuse/dp/3423340843/ref=pd_bbs_sr_1/028-2804779-8317345?ie=UTF8&s=books&qid=1194397377&sr=8-1

Dr.BrainFister
10.11.2007, 09:07
Lasst mich mal eins klarstellen: Ihr sitzt in einer beheizten Wohnung, trinkt wahrscheinlich den guten Markenkaffee aus dem Lidl, tragt Kleidung von C&A und sitzt auf einem mehr oder weniger teurem Bürostuhl. Während ihr das tut, surft ihr auf eurem Laptop/PC im Internet und lest/schreibt Berichte über den bösen Kapitalismus.

Wenn wir ehrlich sind, hat absolut niemand in diesem Thread das Recht, sich über Kapitalismus zu beschweren.
Hmm. Interessant. Solange es mir gut geht, darf ich mich also nicht über den Kapitalismus beschweren? Kritisieren darf ich das System nur, wenn ich selbst zu den akut Benachteiligten gehöre? ;-)
natürlich können wir uns drüber beschweren. das will duni sicherlich niemandem absprechen. aber mal ehrlich, bei den meisten von uns bleibt es doch bei dem beschweren. sich ein bisschen schöngeistig in einem thread über kapitalismus auslassen, ist recht bequem und dann sagen, dass man was dagegen tun könnte, ist uns auch allen klar... aber was tut ihr denn dagegen? mal konkret: wo sorgt ihr in eurem alltag dafür, zu diesem system eine alternative zu leben oder zumindest den benachteiligten unter die arme zu greifen? damit meine ich übrigens nicht die alljährliche schlechte-gewissen-milderungs-spende zur weihnachtszeit.

ich will mich jetzt hier nicht brüsten, aber wenn ich schon dazu auffordere, fange ich einfach mal selbst an: ich arbeitete jahrelang ehrenamtlich im sozialen und heilpädagogischen bereich und tue das immer noch sporadisch, soweit es meine zeit und mein geldbeutel zulässt. was mir dabei auffiel: bei den ehrenamtlichen-treffen war ich in meinem alter einer von ganz wenigen. überwiegend fand man dort menschen über 60. und das, obwohl sich unsere stadt wie viele andere städte deutschlands auch, viel mühe mit einer gut gemachten kampagne zum ehrenamt gab.
damit will ich übrigens nicht sagen, dass das ehrenamt die lösung allen übels wäre. gerade als mensch, der im sozialwesen tätig ist, weiß ich, welche gefahren zu viel ehrenamt birgt. denn oftmals wird das auch als einsparungsmaßnahme genutzt (was seine ursache im ürbigen auch im kapitalismus hat, denn sogar soziale arbeit ist inzwischen zum markt geworden. würde es nach parteien wie der fdp gehen, könnte man in deutschland vielleicht sogar irgendwann das überqueren eines fußgängerstreifens auf der straße zum markt machen, indem auch diese privatisiert und dem endverbraucher fußgänger zu unterschiedlichen preismodellen angeboten werden. für leute, die es ganz eilig haben und besonders oft über die straße gehen müssen, kann man dann ja eine flatrate anbieten. :) ).
das wissen aber viele gar nicht, deshalb braucht mir niemand mit dem argument "ich mach kein ehrenamt, weil ich damit arbeitsplätze vernichte!" kommen. so einfach ist der zusammenhang nämlich nicht. ehrenamt in der richtigen dosis vernichtet keine arbeitsplätze. da kann es schon reichen, wenn man in einer sozialen einrichtung 2mal im monat zu je 4 stunden mithilft: mit einem alten oder behinderten menschen etwas unternimmt, bei den tafeln essen ausgibt usw.... wie gesagt, nicht erst an weihnachten. ;)


und was macht ihr an eurem konsumverhalten? achtet ihr darauf, wie die hersteller produzieren? habt ihr lidl gemieden, nachdem die verheerenden arbeitsbedingungen bekannt worden? informiert ihr euch überhaupt über sowas?

letztens machte hier eine der letzten kleinen buchhandlungen zu. die älteste. ein tradionsladen sozusagen. es gab kaum noch kundschaft. warum? weil alle wie bekloppt zu den großen fillialen wie der maierschen rennen oder im internet bestellen. egal ob sie davon einen preisvorteil haben oder nicht. und egal ob er service dabei eventuell schlechter ist. der mann, der diese nun geschlossene bücherei betrieb, war buchverkäufer aus leidenschaft. der kannte viele titel auswändig, wenn ich ihm nur ein stichwort gab. in der maierschen sind die angestellten ohne ihren pc überfordert und viel mehr können sie einem auch nicht weiterhelfen in sachen beratung. bei amazon verlässt man sich gerne auf die rezensionsen. dass diese inzwischen manchmal gekauft und manipuliert werden, steht auf einem anderen blatt...
wenn ich ein buch nicht gleich am nächsten tag brauchte und es im web nicht deutlich billiger bekam, bestellte ich es mir immer in diesem kleinen laden (der das buch übrigens auch in der regel innerhalb von 2-3 tagen erhielt). ich will mich da nicht als leuchtendes beispiel hinstellen, aber ich bin sicher nicht der einzige, für den das so möglich gewesen wäre. allerdings kam den meisten wohl ihre eigene bequemlichkeit oder konmsumgeilheit dazwischen. schließlich bietet so ein kleiner buchladen nicht die supermegabilligen wühltische wie die maiersche, bei denen man bücher mitnimmt, die man eigentlich garnicht kaufen wollte, aber sie sind ja fast geschenkt. ;)

bewusstes konsumieren heißt nicht nur preise vergleichen, schnäppchen jagen oder den bequemsten weg wählen. es bedeutet auch, die regionalen strukturen zu unterstützen, soweit das eben möglich ist. und so schwer ist das nun wirklich nicht... wer kapitalismus-kritik zum besten gibt, sollte auch das in sein handeln einbeziehen.


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Reiner
10.11.2007, 17:34
Tja, ... auch ich bin in einem Ehrenamt: KVK ZW oder zu Deutsch Katastrophenschutzunterstützung der zivilen Stellen durch die Bundeswehr. Ein paar Reservistentage also noch für die Hilfe der Mitmenschen, wenn es heftig wird. Zum ersten mal bin ich also richtig stolz darauf, das ich damals nicht einfach nur Kriegsdienst verweigerte weil es Mode war.

Jetzt kann ich helfen, wenn es am schlimmsten kommt.


Lidl meiden wegen der schlechten Arbeitsbedingungen: Ja.
Noch schlimmer: SCHLECKER ... der Laden sieht mich auch nicht von innen!

Bücher bestellen im regionalen Laden: Ja. (Auch schon mal „als Übung“ via Amazon, weil man mal wusste was gebraucht wird) Ach, wie kann ich mich beraten und frei umsehen bei Amazon? Das geht nicht, denn man bekommt ja nur ne Vorschlagswahl nach bisherigen Bestellungen und das soll also eine Beratung sein?



„wer kapitalismus-kritik zum besten gibt, sollte auch das in sein handeln einbeziehen.“

Jawoll, denn nur so kann man den Konzernen heute noch zeigen was Konsumentenmacht ist - davor fürchten sie sich übrigens wirklich am meisten!

DerBademeister
10.11.2007, 17:54
letztens machte hier eine der letzten kleinen buchhandlungen zu. die älteste. ein tradionsladen sozusagen. es gab kaum noch kundschaft. warum? weil alle wie bekloppt zu den großen fillialen wie der maierschen rennen oder im internet bestellen. egal ob sie davon einen preisvorteil haben oder nicht. und egal ob er service dabei eventuell schlechter ist. der mann, der diese nun geschlossene bücherei betrieb, war buchverkäufer aus leidenschaft. der kannte viele titel auswändig, wenn ich ihm nur ein stichwort gab. in der maierschen sind die angestellten ohne ihren pc überfordert und viel mehr können sie einem auch nicht weiterhelfen in sachen beratung. bei amazon verlässt man sich gerne auf die rezensionsen. dass diese inzwischen manchmal gekauft und manipuliert werden, steht auf einem anderen blatt...
wenn ich ein buch nicht gleich am nächsten tag brauchte und es im web nicht deutlich billiger bekam, bestellte ich es mir immer in diesem kleinen laden (der das buch übrigens auch in der regel innerhalb von 2-3 tagen erhielt). ich will mich da nicht als leuchtendes beispiel hinstellen, aber ich bin sicher nicht der einzige, für den das so möglich gewesen wäre. allerdings kam den meisten wohl ihre eigene bequemlichkeit oder konmsumgeilheit dazwischen. schließlich bietet so ein kleiner buchladen nicht die supermegabilligen wühltische wie die maiersche, bei denen man bücher mitnimmt, die man eigentlich garnicht kaufen wollte, aber sie sind ja fast geschenkt. ;).

Wegen der Buchpreisbindung ist es bei nicht gebrauchten Büchern auch irrelevant wo man sie bestellt.

Im Grunde ist es eine Frage wie viel Geld einem der extra Service in einem Fachgeschäft wert ist im Vergleich zu einem eher anonymen Großhandel mit weniger Service und dafür billigeren Preisen durch geringere Lohnkosten und höhere Absatzzahlen. Die allermeisten Verbraucher schauen ausschließlich auf den Preis, zum einen, weil es die kapitalistische Natur des Menschen ist Güter so billig wie möglich erhalten zu wollen, zum Anderen weil jeder bei den sinkenden Realeinkommen gerne spart, wo er kann.

Damit nimmt jeder auf seine Weise an der Umverteilung des Kapitals von unten (kleiner Buchhändler) nach oben (Großhandel wie Hugendubel) teil. Das ist das Beeindruckende an diesem System - die meisten nehmen an ihm teil, obwohl davon langfristig nur eine klitzekleine Gruppe profitiert, während alle Anderen verlieren.

Man sieht das ja an den jüngst veröffentlichten Zahlen zur Kapitalverteilung in Deutschland. 10 % der Bevölkerung besitzen rund 70 % des gesamten Volksvermögens. Die reichsten 10 % besitzen also doppelt so viel Kapital wie die restlichen 90 %.

So eine fortschreitende Umverteilung von unten nach oben geht natürlich nur so lange gut wie der Staat für ein Mindestmaß an Lebensstandard für die Ärmsten sorgen kann. So lange die Menschen nur murren, vielleicht auch mal demonstrieren gehen, aber kein Drang aufkeimt das System umzustürzen.

Hmpf
11.11.2007, 00:32
Ehrenamt: Nein, und zwar weil ich im Moment mein eigenes Leben kaum auf die Reihe kriege. Prinzipiell plane ich aber, mich schon irgendwie zu engagieren, wenn ich die Dinge wieder mehr im Griff habe. Weiß aber auch noch nicht so recht, wo.

Allerdings: das ändert rein gar nichts am Problem des unserer Gesellschaft zugrunde liegenden Systems. Klar, man lindert die Symptome - aber die Ursache bleibt.

Bewußter Konsum etc.: Ja. Ich kaufe so viel wie möglich Bio (obwohl ich wenig Geld habe), lebe zu weit über 90% vegetarisch, fahre nicht Auto, lese jede Meldung, die ich über soziale und ökologische Folgen der Produktion und des Vertriebs von Produkten finden kann und versuche, all das in mein Einkaufsverhalten einzubeziehen. Vieles kaufe ich auch gebraucht, zugegebenermaßen auch, weil ich nach landläufigen Maßstäben 'arm' bin, aber die Umwelt freut sich trotzdem. (Montag krieg ich ein gebrauchtes Laptop für meine Magisterarbeit! :-))

Große Ausnahme: Ich nutze Amazon sehr viel, und zwar hauptsächlich, weil ich fast nur englisch lese und noch dazu Bücher oft gebraucht kaufe (insbesondere Fachbücher für die Uni) - letzteres tu ich aber natürlich auch gelegentlich übers ZVAB. Englische Bücher kosten im direkten Handel oft wesentlich mehr als online; manche kriegt man auch gar nicht (ja, ich bin oft auf der Suche nach sehr speziellen Sachen; muß auch öfter mal direkt in Amerika oder Frankreich bestellen).

Auch hier muß man natürlich wieder feststellen: auch mein Konsumverhalten, und sei es noch so vorbildlich, ändert am Problem an sich nichts.

Tja. Was tue ich also gegen das Problem an sich? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich bin mir nicht sicher, ob man unter den gegenwärtigen Umständen etwas tun *kann* - wenn man Marcuse glaubt, sind die Verhältnisse zu stabil, um sich ändern zu lassen und uns bleibt nur 'the Great Refusal', was gesellschaftlich letztlich auch nichts ändert, aber einem zumindest eine gewisse geistige Freiheit gewährt.

DerBademeister
12.11.2007, 00:39
Das "Problem an sich" lässt sich auf absehbare Zeit nicht besiegen, weil der Zinseszinseffekt im Kapitalismus (Leute die eine gewisse Menge x an Kapital angehäuft haben vermehren es immer weiter ohne dafür einen Finger rühren zu müssen) nur durch staatliches Eingreifen kontrolliert werden kann, dass die Verteilung der Einkommen von unten nach oben durch Transferleistungen wieder kompensiert. Diese Kompensation findet in manchen Staaten mehr schlecht als Recht statt (wie z.B. in Deutschland), und in vielen anderen Staaten gar nicht - das Kapital sucht sich einfach den bequemsten Platz aus, um sich zu vermehren.

Dieses Problem der Kapitalflucht und des ungezügelten Zinseszinseffekt ließe sich nur wirksam bekämpfen, indem eine Weltregierung ein weltweit bindendes Wirtschaftssystem mit einheitlichen Marktgesetzen durchsetzt (quasi eine EU auf Weltgröße mit deutlich weitreichenderen Kompetenzen in der Wirtschaftspolitik). Eine solche Institution kann und wird es aber zumindest in den nächsten Jahrzehnten noch nicht geben, da die vor rund 200 Jahren erfundenen Nationalstaaten nach wie vor die big players bleiben.

Man sieht es ja an der EU - zwar kennt die EU einheitliche Standards für jeden Scheiß bis hin zum Krümmungsgrad einer Banane, aber kein einheitliches Steuersystem - die Länder der EU werden von den Reichen und ihren Konzernen gegeneinander ausgespielt in einem Wettlauf um immer niedrigere Steuern für diese kleine Klientel.