Es gibt keine Zensur in Deutschland, und das würde ich - von einigen Ausnahmen abgesehen - auch tatsächlich so unterschreiben. Allerdings muss man sich dann fragen, was Zensur denn überhaupt ist. Nach deutschem Rechtsverständnis ist Zensur dann gegeben, wenn man ein Werk VOR der Veröffentlichung einer staatlichen Einrichtung zur Durchsicht vorlegen muss.
Das beste Beispiel für tatsächlich existierende Zensur sind Schülerzeitungen. Keine Ahnung, wie oft das vorkommt, aber ich kann mir gut vorstellen, dass an einigen/vielen staatlichen Schulen jede Ausgabe erst dem Rektor vorgelegt werden muss, ehe sie in den Druck geht.
Wird ein Werk aber nach Veröffentlichung gesperrt, entfernt oder was auch immer, weil es gegen geltendes Recht verstößt, ist das keinesfalls Zensur, nicht einmal dann, wenn die rechtlichen Bedenken aus der Luft gegriffen sind.
Zur Diskussion an sich:
Wir leben doch angeblich (und IMHO auch faktisch, zumindest im Großen und Ganzen) in einem Rechtsstaat. "Im Zweifel für den Angeklagten" ist dann aber nicht nur ein geflügeltes Wort, es ist ein unabdingbares Prinzip. Es geht einfach darum, das Risiko zu minimieren, einen Unschuldigen zu bestrafen. Dass dadurch auch Schuldige unbestraft bleiben, ist der Preis dafür. Das mag unbefriedigend sein, aber vermutlich auch nur deshalb, weil wir das eine für selbstverständlich halten und auf das andere dann mit ebtsprechender Empörung reagieren. Doch Beispiele aus jüngster Vergangenheit (Stichwort Guantanamo) zeigen, wie empfindlich wir reagieren, wenn die "Selbstverständlichkeit" nicht mehr gegeben ist.
Ich will damit nicht Kidesmissbrauch und Terrorismus vergleichen. Es geht dabei um die rechtlichen Prinzipien. Maßnahmen gegen ein gesellschaftliches Übel durchzudrücken, deren Wiksamkeit fraglich ist und gleichzeitig Bürgerrechte einschränkt, ist günstigstenfalls bloßer (Wahl-) Aktionismus, im schlimmsten Falle aber Wegbereiter für ein politisches Klima, das wir vermutlich alle nicht wollen.
Bestrebungen zur schleichenden Verminderungen der Bürgerrechte gibt es auch in Deutschland nicht erst seit gestern, dazumuss man sich nur die Forderungen von Politikern wie Schäuble oder Beckstein der letzten Jahre ansehen. Sicher würde man in Deutschland keine Zustimmung für ein Gefängnis wie Guantanamo erhalten. Hier geht man etwas subtiler vor. Man nimmt dieselben "Totschlagargumente" (KiPo, Terrorismus, Amokläufe) und macht sich über Dinge her, die der breiten Bevölkerung nicht so wichtig erscheinen, sei es aus mangelndem Interesse oder aus mangelndem Sachverständnis: Internet, Computerspiele, Paintball...
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