Soviel Jahre, und das nur weil er wert darauf gelegt hat wa auf den teller kommt. Na ja, Dann doch lieber ´n Freispruch?"Mitte 2008 ist er draußen"
Kannibale beim Urteil ohne Regung
Von Julia Ranniko und Michael Evers, dpa
Mit versteinertem Blick lässt der Mann im dunklen Anzug die Urteilsbegründung über sich ergehen. Gut eineinhalb Stunden lang hört der "Kannibale von Rotenburg" dem Vorsitzenden Richter aufmerksam zu, in seiner ausdruckslosen Miene lassen sich keinerlei Gefühlsregungen ablesen. Sichtbar zufrieden tritt sein Verteidiger Harald Ermel wenige Minuten später im Saal D 130 des Kasseler Landgerichts vor ein Meer von Mikrofonen und verkündet: "Das ist ein Punktsieg für uns. Mitte 2008 ist er wieder draußen."
In dem bizarren Prozess hat die Strafkammer den Angeklagten Armin Meiwes am Freitag wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Weil der 42-Jährige jedoch ein "Mustergefangener" sei, sagt Ermel, könne er möglicherweise bereits nach zwei Dritteln der Haftzeit auf freien Fuß kommen. Vor Gericht hatte Meiwes detailliert geschildert, wie er im Frühjahr 2001 einen Berliner Ingenieur auf dessen Wunsch entmannt, getötet, zerlegt und zu großen Teilen aufgegessen hat. Der Ausgang des Verfahrens galt zu Beginn des 14. Verhandlungstags als völlig offen.
Der Fall sei rechtlich sehr komplex, räumt Richter Volker Mütze denn auch gleich zu Beginn seiner Ausführungen ein: "Hier fehlen schlicht die Erfahrungswerte." Die Forderungen von Anklage und Verteidigung wies Mütze gleichermaßen ab. Für den Angeklagten, lässt Mütze durchscheinen, wäre die Unterbringung in einer Psychiatrie am sinnvollsten. "Die Hilfe, die er braucht, wäre im Maßregelvollzug besser gewährleistet." Weil Meiwes jedoch trotz einer schweren seelischen Abartigkeit als voll schuldfähig gilt, sei eine Einweisung nicht möglich.
Seit seiner Jugendzeit habe sich der 42-Jährige immer tiefer in seinen Wunschträumen vom "Schlachten, Zerlegen und Verspeisen von Menschen" verstrickt, erklärt der Richter. Über die Faszination für Bilder von Unfallopfern sei er schließlich bei Kannibalen-Foren im Internet gelandet. Nächtelang habe er in Chats mit Gleichgesinnten, in einer erschreckenden "Subkultur", verbracht. In der realen Welt dagegen - völlig abgeschottet von seinen perversen Fantasien - sei er "der nette Junge von nebenan" gewesen: freundlich, nett, hilfsbereit.
Auch während des knapp zwei Monate dauernden Prozesses wirkte der Mann mit der hohen Stirnglatze und den tief liegenden Augen stets korrekt, beflissen und höflich. Immer wieder schimmerte bei dem ehemaligen Berufssoldaten aber auch eine andere, eine aggressive Seite durch. Besonders schockierend für die Beobachter war jedoch der muntere Plauderton, in dem Meiwes über blutrünstige Details und das langsame Sterben seines Opfers sprach. "Ich dachte, ich säße einem Wissenschaftler gegenüber, der ein Experiment macht", fasste der Gefängnispsychologe die Gefühlskälte des Angeklagten zusammen. Wie sich Meiwes selbst sieht, will er in seiner Lebensgeschichte schreiben, die während der Haft entstehen soll.
Das Publikum wirkt bei der Urteilsverkündung ebenfalls seltsam unbeteiligt: Kein Raunen geht durch den Saal, kein Getuschel ist zu hören. Das Interesse an dem "einsamen Wolf", wie sich Meiwes selbst einmal genannt hat, ist in Kassel offensichtlich abgeflaut - nur knapp 30 Interessierte stehen am Morgen in der eisigen Kälte vor dem Eingang zum Gericht. Im Saal, der beim Prozessauftakt noch überfüllt war, bleiben sogar einige Plätze leer.
akzent





Zitieren
Als Lesezeichen weiterleiten