Nachdem ich gerade wieder zufällig an Requiem for a Dream denken mußte, komme ich nicht umhin, etwas über diesen Film zu schreiben, der in Deutschland noch nicht mal gelaufen ist.

Der Film beginnt mit einer seltsamen Szenerie: Wir treffen die Omi Sara Goldfarb (Ellen Burstyn) und ihren Sohn Harry (Jared Leto) der gerade im Begriff ist, ihren Fernseher zum Pfandleiher zu bringen, damit er genug Geld hat, um sich Drogen zu kaufen. Obwohl sich Sara wehrt, ist eigentlich klar, daß sie vor ihrem Sohn Angst hat, wenn er in diese Laune gerät.
Was tut sie? Sie schließt sich in ihrem Schlafzimmer ein und das Bild verwandelt sich einen Splitscreen, wo wir beide in Close-ups sehen; Sarah, an die Tür gepresst und Harry, der den festgeketteten Fernseher (Sara: "It's not for you, it's for the robber", als Harry wütend wird) entfernen will und sie gibt schließlich auf und gibt ihm den Schlüssel. Dann treffen wir auf Tyrone (Marlon Wayans) und sie verscachern den Fernseher beim Pfandleiher. Später sehen wir, daß Sara diesen zurückkauft.

Requiem for a Dream ist ein Film, wie er düsterer und intesiverer kaum sein könnte, ein Film über die Frage, wieviel es einen kostet, der Wirklichkeit zu entfliehen und in ein besseres Leben zu tauchen und er zeigt auch, daß niemand davor gefeit ist.

Es geht ums Konsumieren, seien es Drogen, Fernsehen, Essen.

Wir sehen den Niedergang der Sara Goldfarb, die sich in die Fernseh-Welt der Show "The Tappy Tibbons Show" flüchtet, ihr eigenes Selbst hineinprojeziert und jemand anderes sein möchte. Eines Tages erhält sie einen Telefonanruf, das sie bereits "gewonnen" hat und in die Show eingeladen wird. Aber wie geht das, ein Gewinner zu sein? Für Sara gibt es nichts anderes mehr, als diesen Moment, wie es sein wird, wenn sie in der Fernsehshow auftritt. Sie will ihr rotes Kleid anziehen, daß Kleid, das sie das letzte Mal bei der Graduierung ihres Sohnes anhatte. Doch sie ist zu dick geworden. Ein Arzt, der diese Bezeichnung kaum verdient, verschreibt ihr Diätpillen und Anti-Depressiva. Und hier beginnt der Niedergang. Sara findet sich in einem nicht enden wollenden Teufelskreis aus Psychopharmaka, Wahnvorstellungen, körperlichem Verfall und dem endlosen Warten auf die ausbleibende Einladung.

Parallel dazu wird die Geschichte ihres Sohnes Harry erzählt, der scheinbar mit seiner Freundin Marion (Jennifer Connelly) und seinem Kumpel Tyrone einen perfekten Deal gemacht hat: sie verkaufen solange Drogen, bis sie Marions Karriere als Modedesignerin finanzieren können. Wie naiv sie doch sind! Sie landen ebenfalls in einer nicht enden wollenden Abwärtsspirale aus Drogen, der Mafia, der Polizei und einem erschreckendem Porno-Drogen-Ring, in dessen Fängen Marion schließlich enden muß, weil sie Geld für Drogen braucht.

Alle Charaktere in diesem Film verbindet die Suche nach einem Ausstieg, einer Flucht vor sich selber und der Suche nach dem Thrill.

Darren Aronofsky, der Macher des ebenfalls grandiosen Mathe-Kunstfilms hat mit diesem Film sich selber und das absolute Gros sämtlicher Regisseure übertroffen. Die Eskapaden seiner Hauptcharaktere werden oft surreal dargestellt. So sieht man zum Beispiel die aufgrund ihres Medikamentenkonsums hyperaktive Sara in ihrer Wohnung aufräumen, dabei werden ihre Bewegungen superschnell gezeigt (wie Coyote, wenn er irgendwas baut, um Roadrunner zu erwischen), während die Kamera langsam von der Seite durch ihre ansonsten statische Wohnung fährt.

Man sieht beeindruckende Bilder, die die Handlung wie selten zuvor in einem Film unterstützen.

Ein unglaublicher Film über die Unfähigkeit, in dieser Welt zu bestehen und den Erwartungen gerecht zu werden, der euch ebenso von der filmischen Seite her begeistern wird, euch aber sprachlos und schockiert, vielleicht sogar entsetzt zurückläßt.

Die wirklich brilliante Ellen Burstyn verkörpert die bemitleidenswerte Sara Goldfarb so glaubwürdig und intensiv, daß es besser nicht geht. Eine der besten schauspielerischen Leistungen, die ich je gesehen habe.

Auch Scary-Movie-Witzbold Marlon Wayans weiß unerwarteterweise voll zu überzeugen und Jared Leto, der für die Rolle extrem an Gewicht verloren hat, ist genau so wie Connelly hervorragend mit seiner Rolle verwachsen.

Einziger Wehrmutstropfen: der Film hat es bislang nicht nach Deutschland geschafft, was für mich fast einem Sakrileg nahekommt, damit ist er nur Leuten mit soliden Englischkenntnissen zu empfehlen. Diese aber müssen zugreifen, der Film ist auf DVD erschienen. Eine deutsche Synchronisation existiert, soweit ich weiß, leider nicht.

Allerdings sollten zarte Gemüter gewarnt sein: der Film nimmt einen wirklich mit und hat eines der negativsten und schlimmsten Enden, die ein Film wohl haben kann. Das ist wahrer Horror, nicht dieser Kindergartensplatterschwachsinn, wie er sonst geboten wird.

Zu guter Letzt muß ich noch zwei weitere Dinge über den grünen Klee loben (das hat dieser Film aber auch wirklich verdient):
Der Soundtrack, obwohl simpel gehalten, ist immer perfekt und baut auf einem unwiderstehlichen Geigenthema auf.
Und die Website zu dem Film (möge sie noch lange online bleiben) ist bislang das coolste und passenste, die ich je gesehen habe, mal wirklich was interaktives; ihr solltet aber Experimentierfreude mitbringen!

Check it out at http://requiemforadream.com

Fazit:
Auf meiner Benotungsskala von maximal 5 Sternen gibt es 6.


(Geändert von Glottisfly um 9:22 pm am Aug. 16, 2001)