„Komm schon du Loser“ Lasses Stimme schallt grölend zu mir herüber, „erst die Klappe aufreißen, und dann kneifen oder was?“ ruft er mir höhnisch zu. „Ich habe es doch gewusst, dass du nichts drauf hast. Du bist ein Verlierer und du wirst auch immer einer bleiben!“
Konnte ich mir das bieten lassen? Würde ich es zulassen, dass er so über mich redete? Aber wie sollte ich es verhindern? Ich konnte doch nicht wirklich diese verrückte Aufgabe übernehmen! Warum habe ich es nur soweit kommen lassen?
OK, ich muß zugeben, der Mutigste in meiner Klasse bin ich noch nie gewesen. Gerne habe ich mich hinter den Anderen versteckt, wenn es mal Ärger gab. Hätte ich gewusst, was mich an diesem schicksalhaften Tag noch erwarten würde, ich wäre wohl zuhause in meinem Bett geblieben!

Alles begann wie eigentlich jeder scheußliche Schultag in meinem Leben begann. Der Wecker riß mich früh am Morgen aus dem Schlaf und erinnerte mich schmerzlich daran, dass es wieder Zeit war, sich für die Schule fertig zumachen. Und wie jeden dieser fürchterlichen Morgen, presste ich noch einmal den Kopf in mein Kissen, um damit vielleicht das Rufen meines Weckers zu unterdrücken. Doch auch, wie immer, war alles umsonst. Hätte ich gewusst, wie dieser Tag enden würde, so wäre ich wohl nicht aufgestanden. Aber mir ist leider nicht die Kraft der Vorhersehung gegeben und so schälte ich mich also langsam aus dem Bett.
Ich schlüpfte in meine No-Name Klamotten, huschte kurz ins Bad, wo ich, wie jeden Morgen, meine Katzenwäsche vollzog, dann sprang ich die Treppe hinunter in die Küche, in der schon meine Mutter auf mich wartete.
„Das wird ja immer später bei dir“ warf sie mir vor. „Wenn das so weiter geht, werde ich dich bald mal mit einem Eimer kalten Wasser wecken kommen.“
Nervös schaute ich sie an, erwiderte jedoch nichts, denn ich wusste, solche Drohungen musste man immer ernst nehmen bei ihr. Um sie wieder etwas auf den Teppich zu holen, antwortete ich: „Morgen Mama! Ist ja schon gut, es wird nicht wieder vorkommen. Morgen stehe ich früher auf, das verspreche ich dir!“
„Dein Wort in Gottes Ohren!“ antwortete sie, „Hier ist dein Lunch und nun raus mit dir, sonst ist gleich noch der Bus weg und ich muß dich zur Schule fahren.“
Ich schlug meine Beine zusammen, salutierte vor meiner Mutter, dann riß ich ihr die Lunchbox aus den Händen, schulterte meinen Schulrucksack und stürmte aus dem Haus.
Draußen begann ich zu rennen, denn der Bus stand bereits an der Haltestelle. Zum Glück verstand ich mich recht gut mit dem Fahrer, und er wartete immer einige Minuten auf mich, bevor er losfuhr. Völlig außer Atem erreichte ich den Bus, stieg ein, warf Klaus, dem Fahrer ein kurzes „Hallo“ zu, dann quetschte ich mich durch die Reihen.
Wie üblich saßen dort schon Annette und Stefan, die schon seit langen ein Liebespaar waren, außerdem der kleine Maik aus der fünften Klasse und hinter ihm....., was für ein Anblick, welche Schönheit......., Angelina.
Ich kann Euch sagen, der Anblick dieser lieblichen Person ließ mich jeden Morgen aufs neue Erstarren. Ich hielt mitten in der Bewegung inne, schaute sie an und am liebsten hätte ich ihr sofort meine Gefühle gestanden: „Oh Angelina, du bist eine Göttin, eine wunderschöne Nixe, dein lieblicher Anblick lässt alle Rosen wie Radieschen aussehen.......!“
„He, Schwachkopf, setz dich endlich und hör auf, meine Freundin so anzustarren, sonst gibt’s paar aufs Maul!“
Und direkt neben der holden Schönheit saß er, mein größter Alptraum, der mich jeden Morgen immer schwerer aus dem Bett aufstehen ließ. Oh, wie ich den Kerl haßte. Lasse.
Als wäre ich aus einem Traum erwacht, schüttelte ich kurz meinen Kopf, dann drängelte ich mich weiter nach hinten, um wie üblich in der hintersten Bank Platz zu nehmen.

Nach einer Viertelstunde erreichten wir die Schule. Geduldig ließ ich alle Mitschüler aussteigen, bevor ich es wagte, mich von meinem Platz zu erheben. Angelina und Lasse saßen noch immer in ihrer Bank und machten kaum Anstalten, den Bus zu verlassen. Verlegen musste ich dabei zusehen, wie Lasse seine Zunge tief in Angelinas Mund versenkte und angewidert lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. „Wie kann sich so eine Schönheit nur von so einem ekelhaften Kerl abschlecken lassen“ dachte ich, als ich die Beiden ungeniert beobachtete. Mein Blick ruhte auf ihnen und es fiel mir schwer, meine Gedanken in andere Richtungen zu lenken.
Endlich erhoben sie sich und langsam stolzierten sie durch den Bus nach vorne. Lasse drängelte Angelina nach draußen, dann warf er ihr noch ein kurzes „Geh schon mal vor“ hinterher und schubste sie von sich fort. Plötzlich blieb er abrupt stehen und ich, der ich sofort hinter ihm ging, prallte gegen seinen breiten Rücken.
„He du kleiner Scheißer“ bekam ich sofort zu hören. „Kannst du nicht besser aufpassen? Du siehst doch, dass ich hier stehe! Halte gefälligst Abstand von mir, du Stinker!“
„Tschuldigung“ würgte ich hervor. Langsam versuchte ich mich aus dem Gefahrenbereich von Lasses Fäusten zu manövrieren, denn ich wusste, im Hirn besaß dieser Junge nicht viel Grips, aber mit Gewalt war er immer sehr schnell dabei.
Gleich hatte ich es geschafft, gleich konnte er mich nicht mehr kriegen........, zu spät. Lasse drehte sich blitzschnell zu mir herum, packte mich am Kragen und drückte mich gegen den Bus. Nun war es wieder soweit, wie so oft würde ich sein Spielball sein, an dem er seine Wut auslassen konnte.
„Du Spanner.“ spuckte er mir entgegen, „Du bist nichts weiter als ein dreckiger kleiner Wurm. Ich habe dich beobachtet. Du starrst meine Freundin an und sicher holst du dir Abends beim Gedanken an sie einen runter. Du bist so widerlich.“
„Ich......es tut mir leid, Lasse, ich wollte dich nicht stören“, stotterte ich hervor, „bitte, es wird nicht wieder vorkommen. Laß mich jetzt gehen und ich werd deine Freundin nie wieder ansehen, ich versprech´s dir!“
„Nein“ rief er mit erhobener Stimme „das wirst du wirklich nicht.......! Du kannst es dir aussuchen. Entweder schlage ich dich jetzt so lange, bis du keine Zähne mehr in deinem hässlichen Mund hast, oder wir treffen uns heute nach der Schule zu einer kleinen, na sagen wir mal Mutprobe. Also, was sagst du?“
Was für eine Frage! Was sollte ich wohl antworten? Zähne? Oder vielleicht ein kleiner Aufschub und dann noch etwas viel Schlimmeres? Hier am Busbahnhof gab es Zeugen und somit würde mich dieser Kerl wohl nicht gleich umbringen, aber mich nach der Schule mit ihm treffen? Allein? Das konnte nicht gut enden.
Aber andererseits wollte ich meine Zähne eigentlich noch etwas behalten..... und außerdem würde ich so Gelegenheit haben, mich vielleicht doch noch irgendwie ganz klammheimlich aus der Affäre zu ziehen.......
„OK Lasse“ hörte ich mich selbst sprechen und glaubte kaum, was ich sagte, „ist schon gut, beruhige dich, ich mach alles mit, wenn du mich jetzt gehen lässt......bitte!“
„Na gut du Schleimer“ sagte er und lockerte leicht seinen Griff, „wir sehen uns dann nach der achten Stunde. Wir treffen uns an der hinteren Treppe, du weißt schon, kurz vor dem Chemieraum. Und glaube ja nicht, du könntest dich heimlich verpissen, denk dran, morgen sitzen wir wieder in einem Bus, spätestens dann krieg ich dich! Und nun schwirr ab.“
Er gab mir einen Schubs, dass ich einige Schritte zur Seite taumelte, dann ergriff ich die Gelegenheit und rannte in das Schulgebäude.

Wozu hatte ich mich da wohl hinreißen lassen? Wie sollte ich jetzt nur entkommen. Ich war schon oft Ziel von Lasses unkontrollierbaren Wutausbrüchen gewesen und musste schon einige Prügel von ihm aushalten, aber so was konnte durchaus viel schlimmer enden. Was für eine Schweinerei würde er sich wohl in seinem kleinen, schwachsinnigen Gehirn ausdenken? Das konnte nicht gut werden. Das würde auch nicht gut werden, das fühlte ich ganz deutlich. Aber wenn ich heute nicht zu ihm gehen und kneifen würde, hätte er mich spätestens morgen früh am Wickel. Also, welche Möglichkeit blieb mir noch?
„Wenn er mir doch nur am Busbahnhof schon meine Hiebe verpasst hätte, dann hätt ich’s jetzt wenigstens hinter mir!“ dachte ich.
Die Schulstunden vergingen wie im Fluge. Kaum das eine Stunde begonnen hatte, verkündete auch schon ein Läuten ihr Ende. Die Pausen verbrachte ich abseits meiner Klassenkameraden und hielt nach Lasse Ausschau. Ich wollte um jeden Preis verhindern, dass er mich noch einmal zu Gesicht bekam, vielleicht würde er die ganz Sache ja vergessen!
Als ein erneutes Läuten das Ende der achten Stunde verkündete, war mein Mut auf einem Punkt angelangt, der tiefer nicht mehr hätte sinken können. Mit hängenden Schultern und trottendem Gang ging ich die kleine Treppe herunter, die zum Chemieraum führte. Ich wusste, hier gab es für mich kein Entkommen und so war es mir lieber, Lasse würde mich jetzt hier in aller Stille fertig machen, anstatt mich morgen vor versammelter Mannschaft zu verprügeln.
Endlich am Chemieraum angelangt, erwartete ich dort bereits diesen bulligen Typen, doch von ihm war weit und breit nichts zu sehen.
Verwirrt und auch ein wenig erfreut, bzw. erleichtert schaute ich mich um, aber keine Spur von Lasse. Mit einem „puh“ entließ ich die Luft aus meinen Lungen und schlenderte gutgelaunt, den inzwischen leergefegten Flur entlang.
„Wo willst du denn hin?“ Die Stimme ließ mich bis ins Mark erstarren. „Wir habe noch eine kleine Verabredung! Hast du das etwa vergessen? Na komm schon Scheißer, du willst mir doch wohl nicht die gute Laune verderben und kneifen? Dabei hab ich mich heute schon den ganzen Tag auf dich gefreut.“
Dort, hinter der nächsten Ecke stand mein zu Fleisch gewordener Alptraum, das Monster, das menschenfressende Ungeheuer, dort stand Lasse.
Kein Ton verließ meine Lippen, nun war es wirklich geschehen. Ich war des Todes geweiht, zumindest fühlte ich mich so.
„Was bist du denn so blaß? Geht es dir nicht gut? Na komm schon, sag, dass du dich auch auf unser Treffen gefreut hast! Du wolltest mir doch schon immer mal zeigen, was für ein Kerl du bist. Und keine Angst, ich werde dir schon nicht gleich den Kopf abreißen!“ rief er mir zu und ein sadistisches Grinsen wanderte über sein Gesicht. „Jetzt komm mit, ich habe eine Überraschung für dich!“
Dann war es also soweit, ich würde meiner Strafe nicht mehr entkommen können. Wie ein Häufchen Elend trottete ich mit hängenden Schultern hinter Lasse her. Was er auch immer augeheckt haben mochte, es konnte nichts Gutes sein.
Wir verließen das Schulgebäude und wanderten über den kleinen Schulhof hin zum Busbahnhof und.....
„oh nein, lass es nicht wahr sein“, dachte ich. Dort wartete bereits eine kleine Versammlung auf uns. Lasses Freunde. Karsten, Michael, Christian und das Allerschlimmste, Angelina. Ausgerechnet Angelina.
Wenn ich vorher nicht bereits blaß gewesen war, dann war ich es wohl spätestens jetzt. Ausgerechnet meine Angebetete stand dort und würde gleich zusehen, wie ich sang und klanglos unterging. Ich stoppte kurz meinen Gang, doch Lasse schubste mich von hinten, so dass ich schnell wieder laufen mußte. Mein Hals schnürte sich zu, die Luft blieb mir weg.
Jetzt hatten wir die kleine Versammlung erreicht und Christian nahm mich in Empfang. „Wir haben eine tolle Aufgabe für dich“ rief er mir sarkastisch zu. „Du wirst dich freuen! Sieh dir das mal an!“ Er öffnete vor meinen Augen eine Tageszeitung, die er schon die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte. Er schlug den Stadtteil auf und zeigte mit dem Finger auf einen Artikel in der Mitte der Seite. Entsetzt las ich die Worte:

Wegen arbeiten an der Starkstromanlage wird am 28.05.2002 von 14.30 Uhr bis 15.30 Uhr im Stadtteil Waldesch der Strom abgestellt.

Was sollte das bedeuten? Welchen Schwachsinn hatten sich diese Assis wohl in ihrem Köpfen ausgedacht? Immer wieder schossen dieselben Gedanken durch meinen Kopf, doch ich bekam kaum Gelegenheit dazu, mir eine passende Antwort zu überlegen, denn schon bald drängelten mich die Anderen über den Busbahnhof, die verlassen daliegende Straße entlang.
Nun ging es einen kleinen Abhang hinunter, wir liefen über eine kurzgemähte Wiese. Und dann sah ich es, das Ungetüm.
Ein Starkstrommast, bestimmt 15- wenn nicht sogar 20 Meter hoch. Mehrere Drähte spannten sich zu ihm hin und von ihm weg und schlagartig wurde mir klar, was mich nun erwarten würde.
Kurz vor dem Strommast kamen wir zu stehen. „So“, rief Christian „Da sind wir. Lasse hat uns erzählt, was für ein kleiner Spanner du bist und da dachten wir, das dies hier die richtige Aufgabe für einen Spanner wäre. Und damit das ganze noch ein wenig interessanter wird, dachten wir, wir setzten noch einen kleine Preis für dich aus. Wenn du es dich getraust, da hinauf zu klettern, die Stromkabel anzufassen und unbeschadet wieder runterkommst, dann lassen wir dich für den Rest des Jahres in Ruhe und du darfst Angelina und Lasse bespannen, soviel du willst, ohne dass wir dir noch mal ein Haar krümmen. Kneifst du aber jetzt, schlagen wir dich weiterhin grün und blau, wie es uns beliebt. Ist doch eine faire Aktion, findest du nicht?“ Christian grinste mich an.
Ich schaute mich in der Runde um, mein Blick wanderte von einem Schläger zum Nächsten, dann blieb er auf Angelina, meiner liebsten Angelina hängen. Ich blickte in ihre braunen Augen, dann antwortete ich ganz automatisch, ohne recht zu wissen, was ich da eigentlich sagte: „OK, ich machs!“
Die Anderen brachen in grölendes Gelächter aus, dann rissen sie mich von dem lieblichen Anblick Angelinas fort und schubsten mich gegen das graue Metall des Strommastes.

Nun stehe ich hier, schaue nach oben und zweifle an meinem Mut. „Komm schon Du Loser“ grölt Lasse, „Erst die Klappe aufreißen und dann kneifen, oder was?“
Das ist doch Wahnsinn. Ich kann das nicht tun. Das ist mein Tod.
„Ich hab doch gewusst, dass du nichts drauf hast. Du bist ein Verlierer und du wirst auch immer einer bleiben!“
Alle lachen über mich. „komm schon her, ist schon gut, dann bleibst du eben unser Prügelknabe“ schreit mir Christian zu.
„Nein“ wie aus einer weiten Entfernung höre ich meine eigene Stimme. „Ich machs!“, sage ich noch einmal und glaube es kaum. Wie in Zeitlupe spielt sich das Geschehen um mich herum ab. Ich strecke meine Hand aus, ergreife das kalte Metall und dann beginne ich damit, den großen Mast zu erklimmen. Immer weiter, immer schneller klettere ich von den Anderen fort, höre gedämpft ihr Grölen, ihr Gelächter, ihre Rufe. Doch ich lasse mich nicht ablenken, schaue immer in die Höhe zu den Drähten empor. Immer näher kommen sie und näher.
Dann habe ich es geschafft. Oben angekommen sind nun die Stromkabel für mich greifbar nahe. Ich strecke meine Hand aus, das Grölen von unten bricht ab und Stille umgibt mich. Ich taste mich über die weißen Porzelanisolierungen hinweg. Mein Puls rast, die Wirklichkeit um mich herum schwindet. Meine Augen blicken einzig und alleine auf das Kabel.
Es ist soweit. Nur noch wenige Zentimeter trennen mich von dem, vielleicht tödlichen Strom. Ich schließe meine Augen.

Nichts. Es ist mir nichts geschehen. Meine Finger umfassen den kalten Draht. Mein Herz rast immer noch, doch eine neue Welle übermannt meinen Körper und vertreibt Angst und Schrecken aus meinem Herzen. Ich schreie und jauchse, Freude und Erleichterung durchströmen mich. Ich löse meinen Griff, strecke meine Hände in die Höhe und so laut ich kann lasse ich meine Stimme ertönen: „Ich hab es geschafft! Seht her! Ich hab es geschafft!“
Ich schaue nun das erste Mal nach unten und erblicke dort die belustigt, aber auch ein wenig respektvoll aussehenden Gesichter der Anderen.
Langsam und zittrig beginne ich mit dem Abstieg. Es erscheint mir schwieriger, den Mast hinabzuklettern, als hinauf und manchmal muß ich mich ziemlich strecken, um mit meinen Füßen sicheren Halt zu finden. Immer größer werden die Gestalten auf der Erde und dann stehe ich wieder neben ihnen.
„Respekt“ schreit mir Christian entgegen und klopft mir auf die Schulter. Auch Michael sieht mich mit ungläubigen Blick an, dann sagt er leise: „Ich hätt nicht geklaubt, dass du das machst. Das war ja Wahnsinn!“
Angelina dreht sich mir entgegen und zum Ersten mal spricht sie mit mir. „So etwas Mutiges habe ich noch nie gesehen. Das war echt super!“
Welches Lob. Schon um einmal ihre Stimme zu hören, wäre ich gestorben. Und nun höre ich ihre lobenden Worte.
„Pah“ Lasse schreit mich laut an. „Was soll das! Das war doch keine Leistung! Das hätte doch jeder machen können.“ Er schubst mich von den Anderen fort, greift an mein T-Shirt und zieht daran. „Für mich bist und bleibst du ein Verlierer, Arschloch, hast du das verstanden?“
Ich ziehe meinen Kopf zwischen meine Schultern und erwarte einen Schlag in meinen Bauch. Ich kenne die Wutausbrüche dieses Kerls und gewöhnlich fangen sie mit solchen Kraftausdrücken an.
„Moment mal“ ruft Christian. „Was soll das, Lasse? Laß ihn in Frieden, er hat gezeigt, was er drauf hat.“
„Nein“ schreit Lasse zurück, „Er ist ein Loser und er bleibt ein Loser.“
Ich kann mir das nicht mehr mitanhören. Dieser kleine schwachsinnige Freak darf mich nicht mehr beleidigen. Ich schreie ihn so laut an, das selbst die Anderen mich verwundert ansehen. „Wenn ich so ein großer Loser bin, dann klettere du doch mal da rauf und zeig uns, was du für ein Held bist!“
„Du dreckiger, kleiner Mistkerl!“ schreit Lasse zurück und holt aus, um mir mit der Faust das große Mundwerk zu stopfen.
Doch Christian hält seinen Arm zurück. „He Lasse, zeig´s ihm doch einfach. Du kannst das doch. Das machst du doch mit links! Los, es ist erst 15 Uhr, genug Zeit uns allen zu zeigen, was in dir steckt“, ruft er ihm zu.
Lasses Blick schweift zwischen seinen Freunden hin und her. Michael, Carsten und Angelina schauen ihn erwartungsvoll an. Dann erhebt er die Augen und blickt zu den Kabeln, die in schwindelerregender Höhe in der Luft baumeln.
„Laßt mich in Frieden. Ihr seid alles Arschlöcher“ antwortet er, dann rennt er davon.
---Ende----
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Diese Kurzgeschichte habe ich für die Jungendlichen und Schüler unter Euch geschrieben. Sowas ähnliches, vieleicht nicht ganz so extrem habe ich wärend meiner eigenen Schulzeit erlebt.
Viel Spaß beim Lesen