SPOILERWARNUNG FÜR MEINE KRITIK

So, habe Nemesis heute gesehen - gleich zwei Mal hintereinander (das war zuletzt bei Episode II der Fall).
Dieses kleine Faktum offenbart schon, das ich die Meinung diverser Kritiker nicht teilen kann - denn wer gibt zweimal 6 € für einen Schinken aus, der einem Magenkrämpfe verursacht?

Traditionell in meinen Reviews beginne ich mit den weniger erfreulichen Merkmalen der zu bewertenden Ware.
Über den Soundtrack möchte ich nur ein paar Worte verlieren: Dieser enttäuscht mich ebenso, wie der von Insurrection - was u.a. daran liegen mag, das bestimmte Passagen fast 1:1 aus Insurrection abkopiert wurden. Ja, das Kopieren von sich selbst beherrschen nicht nur andere Sountrack-veteranen wie Hans Zimmer oder John Williams. Prinzipiell ist das ja nicht schlecht - solange das Original, von dem man abkopiert, wenigstens gut ist - was aber, wie schon erwähnt, bei Insurrection einfach nicht der Fall war. Beide Filme erreichen hier allenfalls eine Standartwertung, kein Vergleich zu den kreativen Themes von Generations und besonders First Contact.

Ebenso unangenehm fällt die gesamte Nebenhandlung über Data und seinen positronischen Bruder B4/Before (im Deutschen dümmlich übersetzt als "Bevor" statt "B-4/Be Vier") ins Gewicht. Hier hatte die Beteiligung von Brent Spiner am Script (er entwarf die Data-nebenhandlung) eher negativen Einfluss. Fast möchte man meinen, da saß ein kleiner Egozentriker vom Formate eines William Shatners an der Story, der sich selbst in den Vordergrund zu schreiben versuchte.
Alles in allem ist die Geschichte um B4 für die Entwicklung des Films einigermaßen überflüssig (was bei nur 115 Minuten kostbarer TNG-Präsenz - auf die man noch dazu vier Jahre warten musste - einer Verschwendung gleichkommt), und tut dem Film auch in anderer Hinsicht nicht gut. Denn B4 erinnert mehr an Jar Jar Binks als an Data's "coolen" und sadistischen Doppelgänger Lore. Kurzum: Er nervt einfach nur jeden, der das erste Lebensjahrzehnt überschritten hat.

Data selbst bereichert den Film - wie schon im Vorgänger Insurrection - wieder um einige spassige und auflockernde Momente.
Doch auch die überflüssige Nebenhandlung um ihn und sein alter Ego, sowie seine heldenhafte Selbstopferung am Ende des Films (ja, ich habe nicht umsonst SPOILER in die erste Zeile geschrieben) können über eines nicht hinwegtäuschen: Der wahre Star des Films ist nicht Data, sondern natürlich....

Shinzon. Er gesellt sich in eine Reihe zu den charismatischen "villains" der Filmserie, wie General Chang, und v.a. natürlich Khan. Kein Vergleich zu einer schwachen Figur wie Ru'afu oder der pseudolüsternen Borgschlamp....königin. Nein, Ladies and Gentlemen, ein echter Bösewicht! Einer auch, der sich nicht durch weibliche Verführungskünste oder Picards - zweifellos zitatwürdiges - Geschwafel von der Verbesserung der Menschheit beeindrucken lässt. Er verfolgt unbeirrt seinen Plan, und ermöglicht so als Picards alter ego (genaugenommen: jünger ego) auch einen Einblick in Picards eigene, wenig ruhmreiche Vergangenheit (der Kenner erinnert sich an die TNG-Episode, in der Picard seine Zeit an der Akademie noch einmal durchleben darf). Zudem wird die interessante Frage aufgeworfen: Wird der Charakter eines Individuums durch sein soziales Umfeld bestimmt? Oder sind es nicht doch die Gene, die den Ton angeben. Diese Message ist zweifellos wertvoller als die eher aufgesetzt wirkende Moral, derer sich noch in Insurrection ausgiebig (und z.T. kitschig) bedient wurde.

So ist dieser Film etwas weniger Patrick Stewart, und dafür mehr Tom Hardy (Shinzon), was der TNG-Movieserie so gut tut, wie seinerzeit "Der Zorn des Khan".
Überhaupt sind die Parallelen zu Khan vielfältig. Beide Männer - Khan wie Shinzon - teilen mit ihren Counterparts Kirk und Picard eine gemeinsame Geschichte. Beide Männer verfügen über eine Superwaffe, mit der sie ihre Ziele skrupellos verfolgen. Beide Männer, in die Ecke gedrängt und von Hass zerfressen, wählen am Ende den Selbstmord durch Einsatz ihrer Superwaffe, um ihre Widersacher mit in den Tod zu reissen. Und - zu guter Letzt - in beiden Filmen kommt es zu einem Katz und Maus-Spiel in einem Sternennebel, aus dem nur einer als Sieger hervorgehen kann.

Die Crew der Enterprise fügt sich harmonisch in das Gesamtbild ein, wie sie es (die storytechnischen Schwächen aussen vor gelassen) auch schon in Insurrection tat. Man hat wieder das gute alte Gefühl, das dies eine Familie ist, die da nun schon seit 15 Jahren über Fernsehbildschirme und Kinoleinwände flimmert. Und fast überkommt einen Wehmut, wenn man daran denkt, das dieser Film vielleicht das Ende dieser filmischen Gemeinschaft darstellt. Und dieses Gefühl wird sich bei möglichen Nachfolgerfilmen mit der Janeway- oder Archer-crew wohl nicht mehr einstellen.

Kommen wir zu guter Letzt zu der obligatorischen SFX-Bewertung. Die SFX können zwar nicht mit "Monstern" wie Star Wars mithalten, bleiben aber auf gewohnt hohem Star Trek-Niveau.
Die Ground-combatszenen mit dem Allroader wecken Assoziationen mit James Bond, und wirken in einem 24th Century Film etwas altbacken (mit mehr Budget wäre hier ein Hovercraft-fahrzeug wesentlich beeindruckender gewesen) und deplaziert. Zumal diese Szene auch nur zum Selbstzweck besteht, d.h., eine Grunddosis an Action in einen Star Trek-Film zu packen.
Die Enterprise in der Raumschlacht hingegen gefällt mir sogar deutlich besser als in Insurrection, dem man doch die Herkunft aus dem Computer alzusehr ansah. Fans, die schon die Fights in Teil II oder Teil VI mochten, werden auch diesen Film lieben, denn er bietet im Vergleich zu den anderen TNG-Filmen am meisten Space-combat, der auch ordentlich inszeniert wurde. Der effektmäßige "Star" des Films ist in diesem Fall - wie schon bei den Darstellern, nicht Picard's schlanke und elegante Enterprise, sondern Shinzons dornenbewährtes Tarnschiff Scimiter (das mich besonders in der Frontansicht ziemlich an ein Dominion-battleship erinnerte). Auch die neuen, moderner aussehenden romulanischen Warbirds machen eine gute, wenn auch kurze Figur. Endlich einmal eine richtige Armada an Schiffen (wie in DS9) zu sehen, bleibt uns aber auch hier abermals verwehrt.


Fazit: Man sollte sich nicht zu sehr von Reviews beeinflussen oder abschrecken lassen. Ich habe jegliche Infos rund um den Film bewusst gemieden, um nicht voreingenommen hineinzugehen. Gebt dem Streifen eine Chance, und ihr werdet 2 Stunden gut unterhalten werden. Denn Euch wird der beste TNG-Film nach First Contact geboten, der in bester Tradition der "geraden" Filme der Star Trek-Serie steht. Darüber hinaus ist es vielleicht die letzte Chance, unsere TNG-Crew auf der Leinwand und in Aktion zu erleben. Und alleine das sollte für einen Fan den Gang ins Kino schon zur Pflicht machen.

Note: 2