Here be spoilers!
Vielleicht hast Du das Ende falsch verstanden? Dieses ist die einzige Quantenrealität in der Colter (Jake Gyllenhall) überlebt und die Einzige in der er durch das MacGuffin (den Sourcecode Device welcher das Wechseln in oder Erschaffen einer anderen Quantenrealität erlaubt) nicht wieder in seine ursprüngliche Quantenrealität zurückgeholt wird. In allen Anderen wird er getötet - durch die Bombenexplosion, durch den Zug welcher ihn überfährt, durch den Bomber welcher ihn mit der Schusswaffe tödlich verwundet.
Viele Zuschauer haben anscheinend auch nicht verstanden dass die Captain Goodwin (Vera Farmiga) welche am Ende von Colter eine Textmitteilung bekommt nicht diejenige aus seiner ursprünglichen Quantenrealität ist, sondern aus seiner letzten Quantenrealität in der er im Körper von Sean Fentress weiterlebt. Sie hat keine Kenntnisse von den Vorkomnissen in der ursprünglichen Quantenrealität - die hat nur Colter.
Diese Thematik von Paralleluniversen/Zeitreisen ist nicht gerade neu in der Science Fiction, in einem zukünftigen technisch fortgeschrittenen Universum wie Star Trek fällt es uns natürlich leichter die Existenz eines macguffin wie der sourcecode Maschine zu schlucken als in einem Film welcher in der Jetzt-Zeit spielt. Das war auch eines der Probleme beim verwandten Tony Scott-Thriler "Deja vu".
Der Begriff "source code" ist eben auch irreführend, wird dadurch doch nicht nur in Colter, sondern auch im Zuschauer die Vorstellung verankert dass wir es lediglich mit einer Computersimulation zu tun haben in der es vollkommen egal ist ob bei jedem Durchgang alle Passagiere sterben. Von Seiten Dr. Rutledges macht es absolut Sinn Colter diese Lüge aufzutischen, da es ihm völlig egal sein kann wie viele Menschen in dem Paralleluniversum sterben - er braucht Colter um die Atombombenexplosion in Chicago zu verhindern, einen Colter der Zeit damit verschwendet die Passagiere oder auch nur Christina (Michelle Monaghan) zu retten, das kann er nicht gebrauchen.
In der ursprünglichen Quantenrealität sind die Bahnpassagiere immer noch tot, nur Chicago konnte gerettet werden. In einer der anderen Quantenrealitäten (dort wo Colter vom Zug überfahren wird) lebt Christina weiter aber alle Menschen im Zug und in Chicago sterben. In den restlichen Quantenrealitäten sterben alle im Zug und in Chicago. Nur in der finalen Quantenrealität überleben sowohl die Fahrgäste als auch die Leute in Chicago.
Ein Happy End ist es somit nur für Colter und die Christina in dieser Quantenrealität. Alle Anderen enden "tragisch".
Was Deinen zweiten Kritikpunkt angeht:
Das macht für mich durchaus Sinn. Anders Breivik, um ein RL Beispiel zu nehmen, zündete mehrere Bomben im Osloer Regierungsviertel bevor er seinen eigentlichen Terroranschlag auf der Insel startete. Warum? Weil Behörden und Polizei dadurch abgelenkt wurden und ihre Kräfte dort konzentriert wurden. Auch im Film wählt der Attentäter zuerst ein kleineres Ziel um für Ablenkung zu sorgen um ungehindert seinen Hauptplan zu verwirklichen.Am nervigstens am ganzen Film, unabhängig davon wo man das Ende setzt, ist für mich, daß der erste Anschlag überhaupt keinen Sinn hat.
Klar muß man bei solchen Filmen einiges als gegeben hinnehmen, aber das war für mich schlecht verdaulich
Nebenbei dient der Zuganschlag für ihn auch dazu sich seiner Identität zu entledigen (deshalb lässt er seine Brieftasche zurück) um nach dem Anschlag ein Leben unter neuer Identität führen zu können.
Das einzige Defizit dieses Bombenplots ist dass wir nicht erfahren wieso die Behörden in der ursprünglichen Quantenrealität (wo der Anschlag auf den Zug schon stattgefunden hat) bereits wissen dass ein noch größerer Anschlag bevorsteht. Durch Colter hätten sie es erst bei dem Durchlauf erfahren können wo er am Ende angeschossen wird und den Atompilz sieht.
Es ist allerdings durchaus möglich dass hier "off screen" die Behörden auf anderem Wege zu dieser Erkenntnis gelangt sind und deshalb die Evakuierung von Chicago einleiten. Also kein prinzipieller Logikfehler - es wird nur einfach nicht erklärt.
Dem letzten Kritikpunkt stimme ich zu - das Aufspüren des Attentäters ist ziemlich vorhersehbar. Vielleicht ist das auch der politischen Korrektheit Hollywoods geschuldet, aber ich habe es nun schon einige Male gesehen dass der domestic terrorist - also der weiße, amerikanische Terrorist - dem bösen, bärtigen Muslim vorgezogen wird und Letzterer lediglich als ziemlich durchsichtiger red herring platziert wird (hier in Form eines arabisch aussehenden Geschäftsmannes der von Colter in die Bahnhofsstation verfolgt wird).
Fazit und Spoilerende:
Diesen kleineren Schwächen ungeachtet hat mich Source Code gut unterhalten - 90 Minuten sind genau das richtige Format um die Wiederholungen nicht eintönig werden zu lassen. Der Spannungsbogen wird von der ersten Minute an bis fast zum Ende hin durchgehalten. Die schmissige Musik erzeugt gleich von Anfang an ein Gefühl des Zeitdrucks. Alle Darsteller machen einen soliden Job, wie man es von Profis wie Gyllenhall und Farmiga natürlich auch nicht anders gewöhnt ist. Michelle Monaghan gibt mal wieder, wie in jedem anderen Film in dem ich sie gesehen habe, den süßen Sidekick.
Alles in Allem eine fast Runde Sache - 7,5 von 10 Schrödinger's Katzen.
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