Die Frage nach der Zahl der Universen erscheint zunächst paradox, ja schlicht unlogisch. „Universum“ bedeutet soviel wie das auf das Eine gewandte, das Ganze als Inbegriff aller Teile, die gesamte Welt, das Weltall. Den Plural von Weltall gibt es nicht. Unter dem Begriff Universum fasst man einfach alles zusammen, was existiert. Aber bereits hier beginnt die erste Schwierigkeit: Was ist dieses „Alles“? Das beobachtbare Universum mit seinen Sternen und Galaxien erstreckt sich in allen Richtungen rund zwanzig Milliarden Lichtjahre weit in den Raum hinein. Inzwischen weiß man aber längst, dass das Weltall um viele Zehnerpotenzen größer sein muss als der überschaubare Teil. Dies liegt an dem Umstand, dass nur 10-36 Sekunden*) nach dem Urknall, dem Big Bang, das Weltall sich in der so genannten inflationären Phase exponentiell aufblähte und riesengroß wurde. Man geht mit guten Gründen davon aus, dass im gesamten Weltall die Materie, ähnlich in Form von Galaxien mit ihren Sternen und interstellaren Wolken, gleich verteilt ist, also auch in dem von uns nicht überblickbaren Bereich Galaxien und Sterne in gleicher Dichteverteilung vorkommen.
Verschiedene Beobachtungen deuten darauf hin, dass das Weltall vor rund zwanzig Milliarden Jahren aus einem ungeheuer heißen, superdichten Feuerball entstand. Dieser Geburtsakt des Universums wird salopp Urknall
— oder englisch: Big Bang — genannt, ein Begriff, der sich eingebürgert hat, aber manchmal vor allem bei Laien falsche Vorstellungen weckt. Wie dem auch sei, kaum ein Astronom zweifelt heute ernsthaft daran, dass das Universum, das wir heute beobachten, aus einer superheißen, überdichten Materie- und Energiekonzentration entstanden ist.
So seltsam es nun klingen mag: Die Tatsache, dass wir existieren, das Weltall beobachten und uns Gedanken über seine Entstehung machen, führt zu der Vermutung, dass der Urknall kein singuläres Ereignis war, sondern mehrmals stattgefunden hat, und zwar sogar erstaunlich häufig.
Unwahrscheinlicher Zufall
Die Existenz von mindestens einem bewohnten Planeten in den Weiten des Alls beruht offensichtlich auf einer unwahrscheinlich großen Zahl von Zufällen. Die Werte der Naturkonstanten sind aufeinander so fein abgestimmt, dass Leben mindestens einmal im Universum entstehen konnte. Ohne diese Feinabstimmung wäre die biologische Evolution nie abgelaufen, und das Weltall hätte keine Beobachter hervorgebracht. Schon im allerersten Augenblick der Geburt des Universums wurden die Grundlagen unserer Existenz gelegt. Das Verhältnis von Expansionsrate zur Stärke der Gravitation musste ein ganz bestimmtes sein. Wäre die Expansionsrate nur ein wenig größer ausgefallen, im Weltall hätte sich nie die Materie zu Sternen und Galaxien klumpen können. Und ohne Sonne gäbe es uns nicht. Wäre hingegen die Schwerkraft nur wenig größer gewesen, dann wäre das Universum nicht so alt geworden. Nach 100 Millionen oder vielleicht einer Milliarde Jahren wäre es wieder kollabiert. Aber ohne ein bestimmtes Alter des Weltalls gäbe es uns ebenfalls nicht. Denn es mussten erst Generationen von Sternen vergehen, um das Baumaterial für Lebewesen zu liefern: Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Silizium, Schwefel, Phosphor usw. wurden im Feuerball des Urknalls, in den ersten drei Minuten der Elementsynthese, nicht erzeugt. Sie sind Abfallprodukte von detonierten Sternen, die die schwereren chemischen Elemente tief in ihrem Inneren in Kernfusionsprozessen gebildet haben.
Aber auch andere Prozesse liefen in den ersten Augenblicken des Universums exakt so ab, dass sie die Vorbedingungen unserer Existenz schufen, nämlich die Materie selbst.
Im Feuerball des Urknalls herrschte ein Zustand fast perfekter Symmetrie: Strahlung, Teilchen und Antiteilchen waren im Gleichgewicht. Bei der durch die Expansion bedingten raschen Temperaturabnahme ereignete sich eine (der zahlreichen) Symmetriebrechungen, es trat ein Ungleichgewicht auf: Einige Teilchen fanden kein Antiteilchen als Partner mehr, mit dem sie in einer Kaskade von Photonen zerstrahlen konnten. Nur wenige Teilchen gingen gewissermaßen leer aus, jeweils nur eines von rund einer Milliarde anderer gleicher Sorte. Diesem Vorgang verdanken wir das Vorhandensein von (Koino-)Materie und das Fehlen von Antimaterie.
Der Zerfall der Kräfte
Noch weiteren Symmetriebrechungen in den ersten Sekundenbruchteilen des Universums verdanken wir unser Leben. Vier Naturkräfte bestimmen heute das Weltgeschehen. Die Stärken dieser Kräfte sind sehr unterschiedlich, der Physiker sagt, die Kopplungsgrößen der vier Wechselwirkungen sind verschieden groß. Die relativen Kopplungsstärken mussten ganz bestimmte Werte annehmen, um Leben im Weltall zu ermöglichen. Wäre die Kernkraft, die starke Wechselwirkung, nur ein bisschen schwächer, so gäbe es nur Wasserstoff und Helium, aber keine größeren Atomkerne. Es gäbe dann keine Lebensbausteine, die Chemie der Kohlenwasserstoffe existierte nicht. Wäre die Kernkraft jedoch größer, so gäbe es auch nicht die bekannten Strukturen in den Elektronenhüllen. Komplizierte chemische Verbindungen könnten nicht entstehen.
Ähnlich verhält es sich mit der schwachen Wechselwirkung, die für die Radioaktivität verantwortlich zeichnet. Wäre ihr Kopplungswert nur ein wenig größer, so gäbe es keine schweren Atomkerne mehr, sie wären inzwischen längst zerfallen. Die Radioaktivität ist für die biologische Evolution aber ebenfalls ein wichtiger Faktor. Sie beschleunigt die Mutation der Gene, ist also an Veränderungen der Erbinformationen maßgeblich beteiligt.
Wäre die schwache Wechselwirkung dagegen schwächer, so hätte die Evolution sich nicht mit der bekannten Geschwindigkeit vollziehen können, uns gäbe es dann wohl nicht.
Das Universum hat genau die physikalischen Parameter, die Wesen wie uns erst entstehen lassen konnten. Es gibt praktisch keine Freiheitsgrade. In ganz engen Grenzen musste das Universum sich so entwickeln, wie wir es heute beobachten, um die biologische Evolution zu ermöglichen beziehungsweise Beobachter hervorzubringen, die über seine Existenz nachdenken können. Die oben genannten Bedingungen für ein bio-genetisches, also Leben produzierendes Universum stellen keineswegs eine vollständige Auflistung dar. Noch viele weitere Eigenschaften ermöglichten erst die Bildung von Leben.
Wie ist nun die Fülle von Eigenschaften zu erklären, die das Universum besitzt, um unsere Existenz zu ermöglichen? Drei Antworten bieten sich an:
1. Die Feinabstimmungen sind rein zufällig. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Häufung von Zufällen außerordentlich gering. Aber einen Ablauf musste die Entwicklung schließlich nehmen, jeweils einen Weg einschlagen.
2. Ein Schöpfer hat das Universum nach einem ausgeklügelten Plan entworfen. Er hat es mit allen Eigenschaften und Parametern ausgestattet, die Leben entstehen lassen bis hin zu intelligenten Beobachtern.
3. Es existieren viele andere Universen, mit anderen Eigenschaften und anderen Naturgesetzen. Manche mögen dabei unserem Universum sehr ähnlich sein, andere wieder total verschieden. Allen aber ist gemeinsam, dass sie keine Lebewesen beherbergen. Der Urknall hat vielleicht beliebig oft stattgefunden.
Fast immer mit dem Ergebnis, ein unbewohntes Weltall zu produzieren. Nur einmal hat‘s geklappt: Der x-te Urknall ließ ein Weltall entstehen, bei dem die Naturgesetze und -konstanten gerade jene Eigenschaften und Werte erlangten, die zur Bildung von Leben führten.
Welche der drei Möglichkeiten trifft nun zu? Selbstverständlich ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass unser Universum einmalig ist und eine seltsame Häufung von Zufällen das Leben entstehen ließ. Diese Vorstellung bleibt aber sehr unbefriedigend. Warum wurde von den vielen Möglichkeiten gerade diese Realität?
Natürlich ist nicht a priori auszuschließen, dass ein transzendentes Wesen, eben ein Gott, das Universum nach seinem Plan so geschaffen hat, dass es intelligente Bewohner hervorgebracht hat. An diesem Punkt hört aber jede weitere physikalische Beschreibung des Weltalls auf. Gerade die Erfolge der Physik begründen sich darauf, auf einen Deus ex machina zu verzichten. Aufgabe der Physik ist es, in konsistenten Theorien die Welt zu erklären, ohne sich auf ein transzendentes, nicht weiter erklärbares Eingreifen zu berufen.
Unendlich viele Welten?
Die dritte Möglichkeit ist nun keineswegs so absurd, wie es zunächst den Anschein haben mag: Es gibt viele getrennte Universen, der Urknall war und ist kein einmaliges Ereignis, sondern die Schaffung von Universen hat häufig stattgefunden und findet immer noch statt. Das Universum ist keine singuläre Erscheinung, sondern kommt im Plural vor. Die allermeisten Universen sind dabei unbewohnt. Manche mögen unserem Universum sehr ähnlich sein in Bezug auf Alter, Größe, Konstanten und Naturgesetze, sehr viele werden aber völlig verschieden sein.
Einige Universen mögen nur wenige Minuten lang existieren, andere werden schon Billionen von Jahren alt sein. Es mag winzig kleine Universen geben von nicht einmal Atomdurchmesser sowie riesengroße, die das von uns heute überschaubare Weltall um viele Zehnerpotenzen übertreffen.
Die Vielzahl von Universen ist keine reine Denkmöglichkeit mit ausschließlich spekulativem Charakter, sondern folgt aus einer modernen Theorie, nämlich der Quantenkosmologie, fast zwangsläufig. Danach ist unser Universum aus einer so genannten Quantenvakuumfluktuation entstanden. Solche Quantenvakuumfluktuationen ergeben sich aus dem Grundprinzip der Quantenmechanik, der Heisenbergschen Unschärferelation. Impuls und Ort eines Teilchens lassen sich nicht mit beliebiger Genauigkeit ermitteln. Sie sind komplementäre Größen, ähnlich wie Energie und Zeit. Nach der Quantenmechanik gibt es demnach auch kein Vakuum, keinen absolut leeren Raum im Sinne der klassischen Physik. Ein Vakuum würde den scharf definierten Energiezustand „Null“ aufweisen, und dies wäre eine Verletzung des Unschärfeprinzips. Als Vakuum wird vielmehr ein Zustand niedrigster Energie angesehen. Das Energiepotential hat allerdings keinen fest angebbaren Wert, sondern schwankt bzw. fluktuiert um einen statistischen Mittelwert. So erhält das Vakuum eine gewisse Struktur: Es ist erfüllt von virtuellen Teilchen, die sich ununterbrochen spontan bilden und ebenso schnell wieder zerfallen. Dabei spielt das Produkt aus Unschärfe der Energie und der Zeit eine Rolle: Delta-E x Delta-t > h/2-Pie, wobei h = 6,625. 10-27 erg x s ist. Der Zerfall der Teilchen muss in der Zeitspanne Delta-t erfolgen. Je größer ihre Energie und damit ihre Masse (nach der Relation E = mc2), desto kürzer existieren die virtuellen Partikeln. Durch starke Gravitationsfelder beispielsweise können die Teilchen aber real werden, sie werden gewissermaßen spontan gebildet. Auch Raum und Zeit sind nicht kontinuierlich, sondern ebenfalls gequantelt.
Für die extrem kleinen Werte der Planck-Dimensionen von 10-33 cm für die Längendimension und 10-43 sec für die Zeit unterliegen auch Raum und Zeit der Unschärferelation. Der Ort irgendeines Ereignisses‚ kann nicht genauer als auf 10-33 cm angegeben werden, sein Zeitpunkt nicht genauer als auf 10-43 sec.
Es ist daher unmöglich, einen absoluten Zeitpunkt „Null“ festzulegen. Im Bereich der Planck-Größen verschmieren die Dimensionen von Raum und Zeit. Zwischen raumartigen und zeitartigen Distanzen kann in diesen winzigen Bereichen nicht mehr unterschieden werden. Man spricht von einer schaumartigen Raum-Zeit-Struktur. Eine Konsequenz dieses Raum-Zeit-Schaumes ist die Unmöglichkeit, Ereignisse in ihrer zeitlichen Reihenfolge zu ordnen. Innerhalb der Planck-Zeit gibt es kein Vorher und Nachher. Die Zeit läuft diskontinuierlich ab, in winzig kleinen Sprüngen, ähnlich dem Minutenzeiger einer Bahnhofsuhr älterer Bauart, der stillsteht und nur jede Minute einmal kurz verrückt.
Zeitloses Chaos
Im Quantenvakuum gibt es überhaupt keinen Zeitablauf. Er setzt erst mit dem Urknall ein, dessen zeitlicher Beginn nur auf 10-43 sec genau festzuhalten ist. Das primordiale Quantenvakuum, aus dem unser Universum durch eine Serie von Symmetriebrechungen hervorgegangen ist, hat zudem die scheinbar paradoxe Eigenschaft, dass die Zahl der Raumdimensionen beliebig groß ist, vor allem unbestimmt und ständigen Fluktuationen unterliegt. Im zeitlosen Zustand des ursprünglichen Quantenvakuums kann durch spontane Symmetriebrechung ähnlich wie der Paarbildung von virtuellen Teilchen aus einem vieldimensionalen Raum ein zehndimensionaler Raum hervorgehen. Vier dieser zehn Raumdimensionen begannen in der winzigen Planck-Zeitspanne infolge einer weiteren Symmetriebrechung zu expandieren und somit unser Universum mit drei Raum- und einer Zeitdimension aufzuspannen.
Sechs weitere Dimensionen verblieben in der submikroskopischen Planck-Größe, gewissermaßen kompaktifiziert. Sie sind für die Eigenschaften der heute existierenden Elementarteilchen verantwortlich.
Unser Universum trat also aus einer Schwankung des ursprünglichen Quantenvakuums, aus einer primordialen Quantenvakuumfluktuation, ins Dasein. Dies war ein spontaner Vorgang bzw. eine Kette spontaner Ereignisse ohne kausalen Hintergrund gemäß den Regeln der Quantenmechanik. Das primordiale Quantenvakuum hat also die Fähigkeit zur Bildung eines Universums. Man kann unser Weltall gewissermaßen als zufällige Störung der perfekten Symmetrie des Quantenvakuums ansehen. Warum sollte aber eine solche spontane Störung nur ein einziges Mal aufgetreten sein? Vermutlich kommen solche „Störungen“ häufig vor, verlaufen aber jedesmal anders. Jede dieser Störungen ist im Prinzip ein eigenes Universum. Die Frage, wann und wo die anderen Universen entstanden sind, ist unbeantwortbar. Denn die drei Raumkoordinaten und die eine Zeitkoordinate unseres Universums vermögen nur Ereignisse in unserem Weltall zu lokalisieren, nicht jedoch in andere Kosmen. Der Zeitablauf mit Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft begann erst mit dem Urknall, der unser Universum entstehen ließ. Er hat auch nur für unser Universum Gültigkeit. Andere Universen haben vielleicht vier Raumkoordinaten und zwei Zeitkoordinaten. Alle möglichen Kombinationen können vorkommen. Unser Universum dürfte aber eines der wenigen sein, die bewusstes Leben hervorgebracht haben.
Nach den bizarren Vorstellungen von Hugh Everett und anderer moderner Physiker gibt es nicht nur viele Universen, die aus dem primordialen Quantenvakuum hervorgegangen sind, sondern unser eigenes Universum spaltet sich in jedem Augenblick millionenfach in einzelne Universen auf, die sich zunächst nur wenig voneinander unterscheiden.
Halbtot - halblebendig?
Nach Everett und seinen Mitstreitern kommt nämlich allen Quantenzuständen eine Realität zu. Manche sprechen von Parallelwelten. Diese Bezeichnung ist irreführend. Besser ist die Bezeichnung Vielweltentheorie. Denn jedes neue Universum spaltet sich rechtwinkelig vom vorigen ab und befindet sich nicht „Seite an Seite“ zum anderen, eben abgetrennten Universum. Die beiden neuen Welten sind voneinander völlig getrennt und haben keine Wechselwirkung miteinander. Nach diesen Vorstellungen hat sich seit dem Urknall das Universum in einer kaum angebbaren riesengroßen Zahl von Welten aufgespalten. Im Gegensatz zur schon klassischen Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik, die (etwas simpel ausgedrückt), sagt: „Real ist nur, was beobachtet wird“, ist in der Vielweltentheorie jeder Quantenzustand real. Demnach spaltet sich auch der vielleicht inzwischen ein wenig verblüffte Leser ununterbrochen in zahlreiche weitere, ihm sehr ähnliche Personen auf, zu denen er aber nie in Kontakt treten kann. Der Unterschied mag an Schrödingers Katze, einem berühmten Gedankenexperiment, verständlich werden. Der berühmte Physiker Erwin Schrödinger (1887—1961) hat folgendes Gedankenexperiment vorgeschlagen: In einem verschlossenen Kasten sitzt eine Katze. Ferner befindet sich im Kasten ein radioaktives Präparat, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% innerhalb einer Stunde ein Alpha-Teilchen aussendet. Dieses setzt einen Mechanismus in Gang, der eine Flasche mit Blausäure zerschlägt. Zu Beginn des Experiments lebt die Katze. Der Kasten wird verschlossen und nach einer Stunde von einem Beobachter geöffnet. Mit 50% Wahrscheinlichkeit ist ein Alpha-Teilchen emittiert worden, das den Mechanismus ausgelöst hat, der die Blausäureflasche zerschlägt. Die freiwerdenden Dämpfe haben die Katze schließlich getötet. (Für Katzenfreunde: Es handelt sich um ein Gedankenexperiment, es ist nach Wissen des Autors nie ausgeführt worden). Bevor der Betrachter die Kiste öffnet, weiß er nicht, ob die Katze tot oder lebendig ist. Die Entscheidung fällt erst im Augenblick der Beobachtung.
Nach der klassischen Quantenmechanik ist die Katze vor der Beobachtung in einem Zustand lebendig-tot, die Wahrscheinlichkeitswelle tot oder lebendig hat die Werte 50% zu 50%. Im Augenblick der Beobachtung kollabiert die Wahrscheinlichkeitswelle, ein Zustand wird durch den Beobachter Realität. Nicht so in der Vielweltentheorie: Dort spaltet sich die Welt auf in eine, in der die Katze lebendig ist und in eine, in der die Katze tot ist. Dies hat zur Folge, dass auch der Beobachter gespalten wird: In Welt 1 sieht er die lebendige Katze, in Welt 2 hingegen die tote. Beide Beobachter wissen aber nichts voneinander und werden nie etwas voneinander erfahren. Dies klingt nicht nur abstrakt, sondern geradezu absurd. Wie jedoch Experimente in den 80er Jahren an der Universität Paris-Süd gezeigt haben, ist Everetts Vielweltentheorie alles andere als ein Hirngespinst. Wir müssen uns wohl daran gewöhnen, dass unser Hausverstand nur sehr beschränkt in der Lage ist, die Welt zu erfassen. Aber dass unser Universum nicht das einzige existierende ist, sondern dass es unzählige, uns niemals zugängliche Universen gibt, daran ist kaum mehr zu zweifeln.
*) 10-36 = 1 / 100 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 = 1 Hundertquintilliardstel Sekunde
( Das war das Monatsthema Juni 1997 im KOSMOS Himelsjahr. Da dies ein Buch ist, gibts keinen Link. )
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