Zitat Zitat von Dr.BrainFister Beitrag anzeigen
Mein Eindruck ist bisher jedenfalls, dass viele Kapitalismuskritiker zwar einen Gesinnungswandel von Wirtschaft und Politik fordern, aber selbst nur in sehr geringem Umfang dazu bereit sind, etwas an ihren eigenen Lebensgewohheiten zu ändern - das übliche Outsourcen von Eigenverantwortung eben.
Ein authentischer Kritiker lebt das, was er predigt.

Deshalb finde ich zum Beispiel Al Gore unglaubwürdig, den "Klimapapst", der mehrere Villen besitzt und mit einem Privatjet um die Welt fliegt während er Normalbürgern gegenüber Verzicht und Nachhaltigkeit predigt. Jeder Mensch kann sich um eine wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Lebensweise bemühen. Das bedeutet nicht, als Hermit im Wald zu leben und sich von Baumrinde zu ernähren - bereits kleinere und die Bequemlichkeit wenig einschränkende Änderungen wie die Reduzierung des Fleischkonsums oder regelmäßig das Rad statt dem Auto zu benutzen haben einen Effekt. Das schont die Umwelt, die eigene Gesundheit, den Geldbeutel und mit dem freiwerdenden Geld kann man z.B. bei seinem Ökobauern ein gutes Stück Fleisch kaufen statt den Industriemist von Wiesenhof und Co. - und fördert nebenbei noch die heimische Wirtschaft. Unsere heutige globalisierte Wirtschaft ist fast durchgehend auf Quantität und nicht auf Qualität gebürstet, allerdings gibt es in praktisch jeder Produktgruppe Nischenunternehmen die teurere, aber dafür nachhaltigere Produkte anbieten.

Was Reiner schreibt ist natürlich nicht falsch, die politisch-gesellschaftliche Ebene ist mindestens ebenso wichtig, wie die Private. Dass durchgreifende Veränderungen hin zu einer sozialeren und nachhaltigeren Gesellschaft möglich sind zeigt uns das kleine Island, welches in der Finanzkrise einen gänzlich anderen Weg gegangen ist und sich nun wieder im Aufwind befindet. Natürlich würde Jeder von uns sich so ein breites Bürgerengagement auch hier in Deutschland wünschen, allerdings ist der Leidensdruck wohl einfach noch nicht groß genug da Deutschland im Vergleich zu Island, Griechenland oder Spanien bisher vergleichsweise glimpflich durch die Finanzkrise geschlittert ist. Einen radikalen Bruch mit dem Sozialstaat hat es hier noch nicht gegeben, eher einen graduellen Abbau Desselben.

Zitat Zitat von Reiner Beitrag anzeigen
"Damals waren die sozialen Unterschiede so ausgeglichen wie nie mehr im historischen Verlauf. Wer viel hatte erwarb den Wohlstand durch Arbeit und nicht durch leistungslosen Zins."
Ich kenne die Quelle dieser Aussage nicht, ich bezweifle jedoch stark dass die sozialen Unterschiede im Mittelalter geringer waren als Heute. "Wer viel hatte" erwarb diesen Wohlstand durch Geburt, nämlich durch Adelsprivilegien, dieser Wohlstand war ein ebensolcher Selbstläufer wie der Zinseszins auf große Kapitalvermögen Heute, denn Adel und Kirche besaßen praktisch das gesamte Land welches die Bauern für diese Lehnsherren gnädigerweise bewirtschaften durften (gegen Gebühr, versteht sich - siehe den Kirchenzehnt). Eine Bürgergesellschaft aus selbstständigen Kaufleuten, Angestellten usw. gab es nämlich im Mittelalter weitestgehend noch nicht, die kam erst mit der Industrialisierung vor rund 200 Jahren auf. Die damalige Machtelite waren König, Adel und Kirche und sie quetschten den Bauernstand aus wie eine Zitrone. 99 % der mittelalterlichen Gesellschaft lebte in Quasi-Sklaverei ohne irgendeine wirtschaftliche Selbst- und politische Mitbestimmung.

Kaum ein gangbares Vorbild für unsere Zukunft, es sei denn Du sehnst Dich danach für Kurfürst KT zu Copy and Paste-berg auf dessen Latifundien Spargel zu stechen.