Es ist doch immer wieder erstaunlich zu sehen, welche enorme Lobbymacht zahlenmäßig kleine jüdische Verbände wie der Zentralrat oder die "Konferenz europäischer Rabbiner" haben und wie sich diese Verbände anmaßen, für alle Juden im Land zu sprechen - selbst wenn sie tatsächlich nur Funktionäre einer kleinen Minderheit von "Orthodoxen" (Erzkonservativen) sind und nur deren Interessen vertreten

Was war passiert?
Ein Kölner Landgericht hatte sich erdreistet, geltendes Recht durchzusetzen - nämlich das Recht eines unmündigen Kindes (in diesem Fall eines Babys) auf körperliche Unversehrtheit und Schutz vor Körperverletzung. Ein Arzt der einen Jungen beschnitten hatte, wurde wegen Körperverletzung verurteilt, jedoch wurde die Strafe ausgesetzt da sich dieser Arzt im Verbotsirrtum befand - also nicht wissen konnte, dass seine Handlung strafbar war, da deutsche Gerichte bisher über die Körperverletzung hinwegsahen wenn diese aus religiösen Gründen erfolgte. Das Kölner LG hat mit diesem Präzedenzurteil Schluss gemacht mit der religiös verbrämten Straffreiheit der Körperverletzung an kleinen Kindern. Ärzte die in Zukunft Beschneidungen durchführen können sich nicht mehr auf diesen Verbotsirrtum berufen und müssen sich wie jede Person, die ohne Einwilligung und ohne medizinische Notwendigkeit ein Kind aufschneidet, für den Tatbestand der Körperverletzung verantworten.

Bei jüdischen Jungen wird diese Beschneidung acht Tage nach der Geburt durchgeführt, bei muslimischen Jungen in der Regel erst im Alter von sieben oder acht Jahren, also in einem Alter wo die Kinder bereits Erinnerung an so einen mitunter traumatisierenden Eingriff zurückbehalten.

Der Zentralrat der Juden beschreibt diese "Tradition" so:
In der Regel wird ein Kind männlichen Geschlechts am achten Tag seines Lebens beschnitten. Der Beschneidung (Brit mila) wird große Bedeutung beigemessen: Diese Ritual erinnert an den heiligen Bund, den Gott mit dem Stammvater Abraham geschlossen hat: „Ich werde meinen Bund errichten zwischen mir und dir und deinen Nachkommen nach dir in allen Geschlechtern als ewigen Bund" (vgl. Buch Mosis, Kap. 17,7 ff.). Durch die Beschneidung des männlichen Gliedes wird das Kind in diesen Bund aufgenommen. Sie ist auch ein Zeichen verpflichtender Gemeinschaft des einzelnen Juden mit seinem Volk. Wer daher seinen Sohn nicht beschneiden läßt und derjenige, der dies auch nach Vollendung des 13. Lebensjahres nicht nachholt, stellt sich außerhalb des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel.
Zentralrat der Juden in Deutschland

Nach Schätzungen der Rabbiner selbst ist allerdings nur jeder fünfte jüdische Junge in Deutschland beschnitten. Die meisten Juden sind eben, wie wir christlich getauften Mitbürger auch, Atheisten, Agnostiker oder zumindest säkular was das Praktizieren ihres Glaubens angeht. Die Behauptung der Rabbiner dass, wie ich Heute in meiner Tageszeitung las, die jüdischen Gemeinden in Deutschland verschwinden wenn die Beschneidung nicht per Gesetz erlaubt wird ist deshalb auch eine haltlose Übertreibung - es sind eben 90 % der jüdischen Bevölkerung bereits Heute unbeschnitten, ohne dass dies irgendeinen Einfluss auf das jüdische Leben in unserem Lande hätte.

Aus meiner Sicht geht es also vor Allem um die Sonderrechte einer kleinen, erzkonservativen Minderheit, welche Diese gerne wortgewaltig durchsetzt. Übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch z.B. in Israel selbst, wo orthodoxe Juden viele Privilegien genießen die moderaten Juden nicht zugestanden werden (z.B. Wehrdienstverweigerung). Wie die Verbreitung der Beschneidung bei Muslimen in Deutschland aussieht kann ich nicht beurteilen, allerdings bestimmen deren Verbände auch nicht den Diskurs und haben nicht annähernd die Lobbymacht wie der ZDJ. Wenn Muslime klagen und fordern kann die Politik das also getrost ignorieren, wenn Juden das tun offenbar nicht:

Reaktion auf Urteil Regierung will Beschneidung per Gesetz regeln




"Rechtsfrieden für jüdisches und islamisches religiöses Leben": Nach SPD und Grünen spricht sich die Bundesregierung dafür aus, die rituelle Beschneidung bei Jungen straffrei zu lassen. [...]

Die Bundesregierung hat sich dafür ausgesprochen, dass die Beschneidung von Jungen weiterhin "straffrei bleibt". Regierungssprecher Steffen Seibert schrieb beim Kurznachrichtendienst Twitter, man wolle "Rechtsfrieden für jüdisches und islamisches religiöses Leben in Deutschland".

"Religionsbedingte Beschneidungen bei Jungen dürfen in Deutschland nicht strafbar sein": SPD-Chef Sigmar Gabriel. (© dapd)


Zuvor hatte sich nach den Grünen auch die SPD für ein Gesetz ausgesprochen, das die religiöse Beschneidung von Jungen ausdrücklich erlaubt. "Religionsbedingte Beschneidungen bei Jungen dürfen in Deutschland nicht strafbar sein", erklärten SPD-Chef Sigmar Gabriel und die Justiziarin der SPD-Bundestagsfraktion, Brigitte Zypries, in Berlin.
Reaktion auf Urteil - Regierung will Beschneidung per Gesetz regeln - Politik - sueddeutsche.de

Wenn jüdische Funktionäre (die selbst nur eine Minderheit der Juden in Deutschland vertreten) und erzkonservative Rabbiner drohen und ein Verbot des Verstümmelns von Kindern ernsthaft als schlimmsten Angriff auf jüdisches Leben seit dem Holocaust bezeichnen, dann wissen sie, dass die Politik, insbesondere "linke" Politiker der SPD und Grünen, gar nicht schnell genug den Diener geben können. Die von Norman Finkelstein beschriebene Holocaust-Industrie und die Nazi-Keule mit der solche Funktionäre Macht aus üben, funktionieren weiterhin wie geschmiert.

Ginge es hier nicht um eine Religionsgemeinschaft würde man sich vermutlich angewidert abwenden, denn wenige Argumentationsmuster sind agitativer und demagogischer als den Völkermord an Millionen Menschen zu missbrauchen und zu instrumentalisieren um damit die Körperverletzung an Babys und Kleinkindern zu rechtfertigen.

Die Wissenschaft begrüßt das Urteil dagegen als richtigen Schritt - und zwar sowohl die Jurispudenz, als auch die Mediziner. Beschneidungen können Kinder nämlich nachhaltig traumatisieren und wie jede andere Operation auch, können sie schwerste Nebenwirkungen zur Folge haben und sogar zum Tod führen. Eine stichhaltige medizinische Notwendigkeit gibt es für diese Eingriffe nicht, welche man vom Prinzip her ebenso als Genitalverstümmelung bezeichnen kann wie die "Beschneidung" von Mädchen im muslimischen Kulturkreis.

In einem säkularen und humanistischen Rechtsstaat kann es allerdings nicht sein, dass Eltern das Recht haben eine Körperverletzung an ihren Kindern zu begehen, weder aus religiösen noch aus irgendwelchen anderen Gründen. Das Recht der noch unmündigen Kinder auf körperliche Unversehrtheit muss Vorrang haben. In unserer Gesellschaft ist es mittlerweile Konsens dass Eltern ihre Kinder nicht besitzen und nicht beliebig über Diese verfügen dürfen. Gerade die "Linken" von SPD und Grünen sollten dies verinnerlicht haben, waren sie es doch die während ihrer Regierungszeit körperliche Gewalt gegen Kinder unter Strafe gestellt haben. Nun ernsthaft ein Gesetz auflegen zu wollen dass Eltern die Erlaubnis gibt ihr Kind nicht nur zu schlagen, sondern nachhaltig und irreversibel zu verstümmeln, führt den Kinderschutz ad absurdum und muss jedem Linken und Humanisten zur Schande gereichen.

Eine echte Religionsfreiheit muss auch einem in eine jüdische oder muslimische Familie hereingeborenes Kind das Recht geben, mit dieser Religion und ihren Traditionen zu brechen. Schließlich spricht nichts dagegen demjenigen die Entscheidung über die Beschneidung selbst zu überlassen wenn er das Erwachsenenalter erreicht hat und reif genug ist um selbst zu entscheiden ob und wie er seine Religion ausleben will.

Die Herren Rabbiner wissen allerdings sehr gut, dass dann wohl nur noch sehr wenige Männer bereit wären, freiwillig und ohne Zwang und Not ihr bestes Stück bei einer überflüssigen Operation aufs Spiel zu setzen. Bereits für muslimische Jungen die mit acht Jahren beschnitten werden ist das eine traumatische und schmerzhafte Erfahrung welche die Kinder schon zu diesem Zeitpunkt sicherlich vermeiden würden, wenn sie denn gefragt würden. So viel "Freiheit" will man den eigenen Kindern dann eben doch nicht zugestehen.