"Multikulti" mag bisher zwar nicht so funktionieren wie ich es mir wünschen würde, aber zu sagen, es wäre bereits gescheitert, zeugt von starker geistiger Kurzsichtigkeit. Jeder, der sich nur ein bisschen mit Geschichte beschäftigt, wird schnell feststellen, dass solche Entwicklungen nicht innerhalb von 50 Jahren zu vollziehen sind. Seit wann sind wir in Deutschland denn auf Multikulti-Kurs? Das hat mit den 68ern langsam begonnen, wurde dann durch die Wirren der Nachwendezeit ausgebremst (dabei mussten erstmal Ossis und Wessis zueinander finden, Ausländer wirkten bei diesem schwierigen Prozess auf viele überforderte Kleingeister nur wie ein Störfaktor) und auch nach dem 11. September 2001 gab es einen neuen Schub zurück in Richtung Fremdenfeindlichkeit. Das Zusammenwachsen unterschiedlichster Kulturen ist kein linear verlaufender Vorgang, der über kurze Zeit mit klar planbaren Maßnahmen herbeigeführt werden kann. Wir brauchen dafür Geduld und vor allem gegenseitigen Respekt. Es wird uns langfristig nicht weiterbringen, immer nur mit dem Finger auf "die Anderen" zu zeigen und dabei die Nase zu rümpfen. Alle großen Veränderungen der Menschheitsgeschichte waren nur mit viel Mühe und Zeit zu erreichen. Einige Leute sind allerdings so egozentrisch in ihrem Denken, dass sie es nicht akzeptieren können, dass komplexe zwischenmenschliche Probleme sich nicht innerhalb ihrer Lebensspanne lösen lassen. Sie wollen einfach ihre Ruhe haben und in ihrem kleinbürgerlichen Alltag von niemandem gestört werden. Mit politischen oder ethischen Idealen hat das überhaupt nix zu tun, sondern nur mit dem Wunsch nach einem bequemen, überschaubaren Leben.
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