Zitat Zitat von Thandor Beitrag anzeigen
Aber ist doch so bequem mit der AfD: Endlich mal einer, der denen da oben kontra gibt. Da ist der Stempel Protestpartei sofort aufgedrückt und Protest ist ja genau das, was viele gerne gegen die da oben ausdrücken möchten. Wofür die AfD im partikulären denn eigentlich steht, außer der "Raus aus dem Euro"-Haltung, ist doch quasi keinem AfD-Wähler bewusst oder bekannt.
Auf meine Frage an zwei AfD-Wähler heute, warum sie die denn gewählt hätten, war die Antwort "aus Protest gegen Merkel". Na, das war ja 'n grandioser Erfolg.
Hätten diese Menschen die Linkspartei gewählt - also die einzige Partei im Bundestag, die für Jedermann nachprüfbar immer gegen Merkels zestörerischen Euro-Kurs gestimmt hat - dann wäre die Oppositionsmehrheit bei der Wahl noch deutlich größer, da die Linkspartei über 10 Sitze verloren hat dieses Mal. Vor Allem aber hat die Linkspartei, anders als die AfD, ein tragfähiges Gegenkonzept einer anderen Europolitik, jenseits des populistischen "Wir schaffen ihn einfach ab". Herr Lucke weiß auch dass Deutschland (bzw. unsere Geldelite) als der größte Profiteur der Eurokrise nicht einfach den Euro abschaffen will, wird und kann, ohne unser Wirtschaftssystem so massiv zu schocken wie seit dem Krieg nicht mehr - und wenn er das tatsächlich nicht weiß, dann sollte er seinen Professorentitel schleunigst zurückgeben.

Für mich macht er jedoch in vielen Fragen einfach gute Mine zum bösen Spiel. Er flirtet mit den Ausländerhassern von der rechtsradikalen Seite wenn er Flüchtlinge als Bodensatz bezeichnet, mit den Europahassern aller Lager wenn er den Euro abschaffen will und mit den Sarrazinfans wenn er dem faulen Sozialhilfepack ans Leder will - ein klassischer Populist.

Bis sich eine Partei gründet, marktradikaler als die FDP und erzkonservativer als die CSU, war es ohnehin nur eine Frage der Zeit. Diese Menschen fühlen sich von Schwarz und Gelb immer weniger repräsentiert, sehnen sich nach einer einfacheren Zeit ohne EU-Gedöns, Banken-Bailouts und Asylantenströme zurück. Lucke wird sich angesehen haben was in den USA mit der Tea Party funktioniert hat und in Großbritannien mit der UKIP und hat dieses Erfolgsrezept kopiert, hat dann überraschend schnell eine tragfähige Organisation aufgebaut. Übrigens auch einige junge Menschen angesprochen, genau wie der libertäre Ron Paul in den USA. Beinahe hätte er aus dem Stand weg den Bundestagseinzug geschafft.

Auch wenn er knapp an seinem Ziel gescheitert ist, ist er dennoch für mich der eigentliche Sieger der Bundestagswahl, denn er hat von allen Lagern Wähler hinzugewonnen und das sind Wähler deren Frust über ihren sinkenden Lebensstandard nicht einfach verpuffen wird - im Gegenteil, die von mir angesprochenen Probleme (Asylanten, Bailouts, Eurokrise) werden in den nächsten vier Jahren weiter eskalieren, da es mit Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün anders als mit Rot-Rot-Grün eben keine Korrektur der selbstmörderischen Europolitik der Kanzlerin geben wird.

Ich glaube nicht dass die AfD eine der typischen Eintagsfliegen (erinnert sich noch jemand an die Schill-Partei?) ist die einfach wieder vergeht. Ich rechne im Gegenteil damit dass sie sich, beflügelt vom Beinaheeinzug, jetzt konsolidieren und nächstes Jahr im Mai ins Europaparlament einziehen werden. Auch bei den Landtagswahlen der nächsten Jahre werden sie ein Wörtchen mitzureden haben. So lange sie dann nicht selbst in Regierungsverantwortung kommen, können sie bequem weiter gegen Euro und Asylanten wettern und damit Wähler für sich gewinnen.

Eine Postdemokratie in der die etablierte, seit 30 Jahren eingespielte, austauschbare Fünferbande CDUCSUFDPSPDGrüne die drängenden Probleme unserer Zeit nicht anpackt hat es nicht besser verdient. Wer die Rattenplage unserer Zeit (und das sind die Bankster und Spekulanten, nicht Asylanten und Sozialhilfeempfänger) nicht anpackt und zusieht wie die Ratten Häuserblock um Häuserblock infizieren, der soll sich nicht wundern wenn die Menschen irgendwann nach einem Rattenfänger schreien.

Der Schrei wurde nun erhört.