soooo.....nach längerer Abstinenz durch Lateinvorkurs und Ausflug nach Berlin kommt hier nochmal was von mir

Can nobody hear me?
Kann mich irgendjemand hören? Ich glaube nicht. Und wenn, dann ignoriert man mich. Das Studium beginnt nächsten Monat. Vermisse die Schule, haben alle gesagt. Das war die chilligste Zeit deines Lebens, haben alle gesagt. Das Leben als Student macht erst richtig Spaß, haben alle gesagt. Sie glauben, wenn ich nun ausziehe, verliebe ich mich endlich mal.
Ich vermisse die Schule. Aber nicht, weil ich so viel Freizeit hatte. Nicht weil es die schönste Zeit meines Lebens war. Nicht wegen dem Mobbing, nicht wegen einer ersten großen Liebe, die nie kam. Wegen den wenigen Freunden, die ich hatte. Wegen den vielen schönen Stunden mit meinen Freunden. Wegen dem unweigerlichen Kontakt, den ich jeden Tag mit ihnen hatte.
Nun, sechs Monate nach dem Abi, bin ich einsam. Einsamer als je zuvor. Ich fühle mich immer nur als ein Teil von etwas, von dem ich mich eigentlich schon längst abkapseln wollte. Ein Individuum, das bin ich, keine Person, die man mit einer anderen über einen Kamm scheren und als eins betrachten kann, auch wenn sie das gleiche Erbgut hat.
Zwei oder drei wissen das. Sie behandeln mich als Individuum. Doch trotzdem bin ich einsam. Nie kann ich etwas alleine machen. Nie habe ich Zeit für mich. Immer muss ich Rechenschaft über alles ablegen, was ich tue. Immer muss ich mich kritisieren lassen. Ich habe Angst, dass das Heft, in das ich meine Gedanken schreibe, gefunden wird. Ich habe Angst, das alles auffliegt. Ich habe Angst, dass es so weiter gehen wird. Ich habe Angst, dass ich auch noch meinen besten Freund verliere. Er hat auch einen Studienplatz- allerdings im Osten, hunderte von Kilometern entfernt. Da kann man sich nicht mal eben auf eine Cola verabreden.
Ich werde nachgeahmt. Ohne Rücksicht auf Verluste. Ich schaffe Infos ran- sie stellt es als ihren Erfolg dar. Ich suche mir ein Studienfach aus- sie nimmt das Selbe, weil es ihre grandiose Idee war und gar nicht von mir beeinflusst wurde. Ich suche die ersten Fachbücher raus, bestelle und lese sie- sie liest sie nicht. Lieber liest sie irgendeinen Roman zum hundertsten Mal.
Sage ich ihr meine Meinung, bin ich egoistisch. Ich bin immer alles Schuld. Nie wird die Schuld bei anderen gesucht. Immer bin ich es. Der Müll in ihrem Zimmer? Das war ich. Der Bluterguss in meinem Knie vor zwei Jahren? Das war ich selbst. Ich habe ja provoziert weil ich sie nicht vorbeilassen wollte. Ich habe mich selbst getreten, das ist sogar noch besser. Die vier in ihrer Facharbeit? Das war ich am besten auch noch, auch wenn sie es nicht ausspricht.
Ich reiße immer alles an mich, sagt sie. In Wahrheit ist sie nur zu faul und ich muss alles alleine machen. Bittet man sie um einen einzigen Text, so bekommt man den erst eine halbe Stunde bevor alles fertig sein muss oder muss ihn sich noch extra mit einem Stick holen kommen, statt dass sie ihn per Email sendet. Letztlich hätte man ihn auch selbst schreiben können, so viel wie man ihn überarbeiten muss. Planung für den Urlaub? Ich mach das schon, sagt sie. Drei Wochen vor der Reise ist immer noch nichts geplant, das musste ich dann auch alleine machen. Das Gemotze, das ich zu viel plane, das kann ich mir anhören. Wem gehört das Geld in der Spardose? Ich habe genau Liste geführt, wann ich was reingeworfen habe. Der Großteil war von mir. Ich htäte nur das ganze Geld an mich gerissen, weil ich bin ja so oder so ein Lügner. In Wahrheit war ich jede Woche hart dafür arbeiten.
Liebe? Ein einziges Mal war ich verliebt. Wochenlang habe ich jeden Tag mit ihm geschrieben. Sogar nach dem Training, obwohl wir uns keine zwei Stunden vorher noch gesehen haben. Ich habe mich nicht getraut, ihm etwas zu sagen. Letztlich hat er es erraten. Nie konnte ich allein mit ihm etwas machen. Ein Freund hat angeboten, etwas mit meiner Schwester zu machen. Eine Freundin bot an, dass ich was mit ihr mache, als Tarnung, um mich mit ihm zu treffen. Doch alles war unmöglich. Wenig spüter war es vorbei. Er hatte eine andere, ich fragte mich, ob ich mir das nicht alles nur eingebildet habe. Bin ich überhaupt fähig, jemanden zu lieben? Kann ich mich allein eiterentwickeln oder werde ich immer nur ein Teil von etwas sein, wie in den letzten zwei Jahrzehnten auch?
Can nobody hear me? Kann mich jemand hören? Kann mich jemand verstehen?