"Moby Dick" ist meiner Erfahrung nach ein Werk, an dem sich die Meinungen polarisieren. Sieht man davon ab, daß ein Großteil der Leute, die sich überhaupt noch zum Lesen bequemen, mit dem Stoff nichts anfangen können, kenne ich nur absolute Liebhaber und Ablehner der Geschichte um Ehrgeiz, jugendlicher Abenteuerlust und Selbstfindung. Woran es wohl liegen mag, daß die Grauzone so schmal ist? Vielleicht, weil es so schwer fällt, Sympathien für einen der Protagonisten zu entwickeln? Weder die Raserei des gequälten Tieres, noch die kalte Rachsucht des Kapitän Ahab oder die naive Neugier des jungen Ismael sind sonderlich attraktiv für Leser, die es gewohnt sind, sich auf die handelnden Figuren und nicht auf die Handlung an sich zu konzentrieren. Wie sähe die Konstellation wohl aus, hätte Melville seine Legende heute erzählt?