Gestern Abend habe ich mich tatsächlich in den kommerziell erfolgreichen und von der Kritik ausnahmslos als intelligentesten SF-Streifen seit Plan 9 From Outer Space titulierten Film Solaris gewagt...


...und leider muss ich zugeben, dass dieser Film mich beeindruckt hat. Alleine Kalvins Zeit auf der Erde ist es wert sich diesen Film anzugucken. Soderbergh erzählt diesen, in der Vorlage Lems nicht enthaltenen Teil sehr fragmentarisch, mit irrititierenden Schnitten, fast ohne Zooms und einem großen Gespür für Kalvins Gefühle.
Fast immer ist George Clooney im Zentrum des Bildes, andere Figuren sind nicht oder nur kaum zu erkennen. Dabei gibt es meist einen frontalen Blick auf ihn und danach einen Blick auf seinen Rücken (d.h. 180° Wendung, aber ohne Drehung, kaum fade out-Zeit).
In dieser Zeit ist der Film sehr still und sehr kalt, er wirkt befremdlich, zieht den Zuschauer aber dennoch in seinen Bann.

Auf Solaris angekommen wird Soderberghs Interpretation erstmal schwächer. Die CGI-Szenen wirken etwas lieblos, die etwas eigenwillige Farbwahl von Solaris selbst überzeugt nicht. Trotz scheinbarer Hommages an 2001 - A Space Odyssee (Außendesign der Station; Kalvin in seinem Helm im Raumschiff) wirkt der Film zum ersten Mal nicht perfekt. Wenn Clooney auf Solaris rumläuft wird die paranoide Atmosphäre des Buches - vielleicht bewußt - verfehlt. Es wirkt alles nicht chaotisch genug.
Allerdings ist der Film an diesem Punkt immer noch großartig, denn Soderbergh behält größtenteils seinen kalten Stil bei. Angesichts des sterilen Innendesigns der Station wirkt dieser hier fast noch überzeugender.

Snaut ist, besonders wegen dem Schauspieler, sehr überzeugend, auch wenn manchmal sein Verhalten im Gegensatz zur Atmosphäre steht und damit die Bindung des Zuschauers an den Film gelockert wird. Dr. Gordon, eine neue Figur angelehnt an Sartorius, ist ebenso interessant, wenngleich das Buchvorbild auch hier wieder überlegen ist.

Mit dem Auftreten von Kalvins Frau Rheya erreicht Solaris seinen Höhepunkt. In einem Traum Kalvins wird die Begegnung der Beiden erzählt. Dabei gibt es (falls mich meine Erinnerung nicht trügt) zum ersten Mal Musikuntermalung und die ist wirklich geglückt.
Dies sind die vielleicht besten Momente von Solaris, wenn Soderbergh Gegenwart und Vergangeheit durch die Erinnerungen der Charaktere vermischt und dabei eine traumähnliche Atmosphäre schafft. Es scheint fast, als ob er sich in der Geschichte verliert, sich in seine Bilder verliebt und dadurch sein vorher so streng eingehaltener Stil aufweicht. Der Film verliert (wenn man denn so will) seine eigenen physikalischen Gesetze und schwebt nunmehr.

Zurück auf den Boden der Tatsachen kommt der Zuschauer wenn die Minmalhandlung weiter geht. Der Anti-Prosonen-Generator (?), der die 'Imitate' zerstören soll, bewirkt den zentralen Konflikt des Films: Ist Rheya wirklich Rheya oder ist sie nur ein Produkt von Kalvins Phantasie? Und damit verbunden die Frage: Können sich Rheya und Kalvin wieder lieben?
Dieser Konflikt ist sicherlich fesselnd, stellt er doch essentielle Fragen nach der menschlichen Erinnerung, doch leider schafft es Soderbergh hier weder der inhatlichten Tiefe von Lem's Solaris gerecht zu werden, noch die Intensität seines Films zu halten.

Das Ende unterscheidet sich ebenfalls von der Vorlage, doch ist dies hier nur angebracht. Während Lem die Lovestory in die wohl großartigste First-Contact-Story ever einbaute, stellt Soderbergh die Liebe zwischen Rheya und Kalvin ins Zentrum und lässt den Ozean im Hintergrund. Somit muss sein Solaris auch andere Wege gehen, was letzten Endes zu dem anderen Finale führt.


Insgesamt erreicht Solaris nicht die philosophische Tiefe des Buches, ist aber trotzdem der wohl intensivste Science Fiction-Film seit langem.
Oft ändert Soderbergh Details (oder auch mehr) von der Vorlage. Diese Änderungen sind dem Original fast ausnahmslos unterlegen, meist jedoch nötig. Ehrlich gesagt ist es mir auch lieber, wenn ein Regisseur eine Vorlage nicht nur interpretiert, sondern die Vorlage regelrecht für seine Zwecke missbraucht. Nur so kann Soderbergh hier eigene Akzente setzen und seinem Film eine Daseinsberechtigung geben.