Herz aus Eis
Prolog:
Sanft und lautlos wie eine Schneeflocke landete die vom Mondlicht beschienene Gestalt von außen auf dem Sims des weit geöffneten Fensters. Die weißen Vorhänge bauschten sich im warmen Nachtwind. In der Luft hing ein süßlich – metallischer Geruch nach Kupfer und obwohl die Nacht warm war, bildete der Atem der Gestalt weiße Wölkchen als wäre es eiskalt. Aber im Grunde war es das auch, denn es herrschte eine seltsame kühle Unwirklichkeit, die das Herz zu Eis erstarren ließ. Das kalte Mondlicht enthüllte die grausame Szenerie einer von Blut umgebenen Schönheit, die weiß wie Schnee auf dem Boden ihrer Wohnung lag. Hätte man das Blut angefasst, dann hätte man mit Schrecken festgestellt, dass es noch warm war. Das Leben war gerade erst aus dem Körper der Frau gewichen.
Die Gestalt am Fenster machte einen Schritt nach vorn. Das Mondlicht ließ nun seltsame schwarze Stellen im Blut und auf dem Körper der Frau sichtbar werden, die wie Verunreinigungen wirkten. Sie sagen fast aus wie schwarze, dicke Schneeflocken, die auf den leblosen Körper herabgerieselt waren.
Zu spät! dachte die Gestalt. Ich muss mich beeilen...
1.Kapitel
Die Nacht wurde vom Geheul der Polizeisirenen durchdrungen. Niemand achtete sonderlich darauf. Las Vegas war laut und eine Stadt die nie schlief, also fielen solche Dinge nicht groß auf. Die Menschen in den zahllosen Spielcasinos, Nachtclubs, Hotels, Restaurants, Bars und anderen Etablissements merkten noch nicht einmal, dass wieder einmal etwas in der Stadt passiert war. Die Sirenen erstarben, als sie ihren Zielort erreichten. Ein kleines Haus am Stadtrand in einem nicht ganz so vornehmen aber auch nicht heruntergekommenen Viertel. Um das Haus standen schon mehrere Polizeiautos und ein Krankenwagen. Ein gelbes Band mit der Aufschrift „Crime Scene – Do not cross“ sperrte das ganze ab. Eine kleine Anzahl von Schaulustigen hatte sich auf der anderen Straßenseite versammelt. Sie hatten bemerkt, dass niemand aus dem Haus herausgetragen worden war, sondern dass die Sanitäter mit leeren Händen und ein wenig blaß um die Nase zurück gekommen waren. Es sah so aus als würde kein Krankenwagen mehr benötigt werden.
Das erste was Gil Grissom tat als er am Tatort aus seinem Wagen stieg, war sich die Leute genau zu betrachten. Ob wohl einer von ihnen etwas wichtiges gesehen hatte oder sogar selbst der Täter war? Doch die Menschen sagten selten die Wahrheit, Beweise logen jedoch nie, sagte er sich immer wieder, und lebte auch danach. Er wusste nicht, was ihn erwarten würde, als er auf das Haus zuging, nur dass es ein Mord war. Und wie jedes Mal würde der Täter reichlich Beweise am Tatort zurückgelassen haben.
In der Eingangstür des kleinen Hauses standen Jim Brass und Catherine Willows, zwei seiner Kollegen.
„Ah, Gil“, begrüßte die hübsche blonde Frau ihn. Er nickte ihr nur kurz zu wandte sich aber dann direkt an den Polizisten.
„Was haben wir hier, Brass?“, fragte er so kurzangebunden wie immer.
„Angela June, 26 Jahre, nicht verheiratet, liegt dort oben im ersten Stock in einer Lache ihres eigenen Blutes. Ihre Mitbewohnerin Mary May und der Vermieter Samuel Smith haben sie anscheinend gefunden woraufhin der Vermieter den Notruf alarmiert hat“, erklärte Brass ganz sachlich wie immer die Lage. „Gehen sie ohne mich da hoch“, fügte er aber noch hinzu. „Das einmal zu sehen war mir genug. Ich werde statt dessen den Vermieter und die beiden Mieterinnen Mary May und Betty Johnson befragen.“
Der Anblick, der sich den beiden Ermittlern von der Spurensicherung bot, war grauenvoll. Wenn man diesen Beruf ausübte, sah man schon einiges, was einem den Verstand rauben konnte, doch etwas derart grausames hatte man selten und musste schon von einem kranken Geist zeugen.
Angela Junes Zimmer lag ganz am Ende eines langen Flures im ersten Stock des Hauses. Die Tür stand weit offen und direkt wenn man das Zimmer betrat, sah man die junge Frau auf einem roten Teppich liegen. Doch wenn man einen längeren Blick auf die Szene warf sah man, dass der Teppich einmal schneeweiß gewesen sein musste.
Die Luft war übelkeiterregend mit dem Geruch nach Kupfer erfüllt, denn das Blut der Frau musste fast vollständig in den Teppich gesickert sein. Die Wand war mit Blutspritzern übersät.
Catherine musste ein Würgen unterdrücken und versuchte, durch den Mund zu atmen, um diesen Gestank nicht mehr so intensiv wahrnehmen zu müssen.
Grissom stellte seinen Alukoffer mit den Utensilien zur Untersuchung des Tatorts an der Tür ab und öffnete ihn. Er holte ein paar Handschuhe und eine Kamera heraus und machte sich daran, den Tatort zu fotografieren.
Angela lag auf dem Rücken und ihr Körper war von oben bis unten mit einem scharfen Gegenstand aufgeschnitten worden, als hätte sie jemand ausweiden wollen. Ausdruckslos blickten ihre braunen, offenen Augen zur Decke. Ihre Hände waren gefaltet und lagen über einer großen Wunde auf dem Brustkorb, der aufgebrochen worden war.
Catherine schluckte und ihr wurde wieder übel. Doch sie riss sich zusammen und sagte mit Entsetzen in der Stimme: „Es sieht aus als hätte jemand ihre Hände nachträglich so arrangiert.“
Grissom nickte zustimmend. Wären die Hände die ganze Zeit so gefaltet gewesen, wäre der Täter nie an ihren Brustkorb gekommen ohne die Hände auch zu verletzen.
Gil schoss davon einige Fotos und meinte dann zu seiner Kollegin: „Sieh mal.“
Er deutete auf den Boden vor ihren Füßen. Catherine sah Fußspuren aus Blut auf dem Teppich, die Richtung Flur führten. Vielleicht stammten sie vom Täter.
„Die Fußspuren gehen nicht auf dem Gang weiter“, meinte Grissom nachdenklich und widmete sich den Blutspritzern an der Wand.
„Der Täter muss hier ganz schön gewütet haben“, sagte Catherine und blickte sich weiter im Raum um. Es gab auf den ersten Blick nichts ungewöhnliches in dem kleinen Wohnzimmer zu sehen. Das Fenster stand sperrangelweit offen und die Gardinen bauschten sich im lauwarmen Nachtwind.
Links von der Eingangstür war ein dicker Vorhang, der diesen Raum von einem anderen abtrennte.
Catherine nahm ihren großen Alukoffer in die Hand und schob den Vorhang zur Seite. Dahinter fand sie ein kleines, schmales Schlafzimmer. Auch hier war das Fenster weit geöffnet und der Wind spielte mit den Vorhängen.
Das erste was ihr unangenehm auffiel als sie den Raum betrat war die seltsame Kälte als würde die Wärme der Nacht trotz des geöffneten Fensters nicht hinein gelangen können. Das ganze Zimmer kam ihr so kühl vor, als müsste sie jeden Moment sehen wie ihr Atem kondensierte. Sie fröstelte und vermutete, dass die Klimaanlage wohl zu kalt eingestellt oder defekt war.
Sie schaute auf das schmale Bett, das ganz zerwühlt war und fragte sich, was der Täter dieser jungen Frau wohl noch angetan haben mochte, bevor er sie auf brutalste Art und Weise getötet hatte.
Sie musste sich jetzt voll und ganz darauf konzentrieren, Beweise zu finden, die der Täter hier zurückgelassem hatte.
Neben dem Bett stand ein Nachttisch mit einer Lampe darauf und daneben eine blaue Vase mit einem hübschen, weißen Muster, in der rote Rosen waren. Sie sahen noch ziemlich frisch aus. Die junge Frau musste sie erst kürzlich hier hin gestellt haben. Neben einem Buch lag ein kleiner, weißer Briefumschlag auf dem Nachttisch.
Catherine stellte ihren Koffer auf dem Boden ab und nahm Handschuhe heraus. Vorsichtig nahm sie den Umschlag, der bereits geöffnet war und holte eine mit Schnörkeln verzierte Karte heraus. Es stand nicht viel darauf, aber es reichte aus, um die Ermittlerin noch einmal frösteln zu lassen:
„Rote Rosen werden schwarz...
Sie weinen Blut und fallen wie Schnee herab...
Die Königin mit dem Herzen aus Eis bringt den Tod!“
Der letzte Satz sah wie eine Warnung aus. Was hatte das zu bedeuten? Vielleicht war das eine Spur, die zum Mörder führte.
Catherine drehte die Karte um und auf der Rückseite stand „Rosenkönig“ in der selben gleichmäßigen Handschrift wie auf der Vorderseite. Darunter war aufgedruckt die Adresse des Geschäftes zu lesen aus dem die Rosen und die Karte stammten.
Catherine nahm eine kleine durchsichtige Tüte, die zur Sicherstellung von Beweismitteln diente, und steckte den Umschlag samt Karte hinein. Vielleicht war es möglich im Labor Fingerabdrücke davon zu nehmen.
Sie verstaute die Tüte sicher in ihrem Koffer und schaute sich dann weiter um. Mit dem UV Licht untersuchte sie das Bettlaken nach Körperflüssigkeiten und wurde auch schnell fündig. Sie würde das Laken vorsichtshalber mit ins Labor nehmenm, um nichts zu übersehen.
Als sie das Kissen zur Seite schob, sah sie etwas schwarzes darauf liegen. Sie legte die Lampe zur Seite und holte eine Pinzette aus ihrem Koffer. Behutsam packte sie das kleine, schwarze Indiz und hielt es vor ihr Gesicht, um es näher zu betrachten. Es war das Blütenblatt einer Rose. Merkwürdig daran war, dass es pechschwarz war und so nicht zu den roten Rosen auf dem Nachttisch gehören konnte. Jemand musste aus irgendeinem Grund Rosen schwarz gefärbt haben und das war noch nicht so lange her, denn das Blatt zeigte keine Spuren von Verfall. „Rote Rosen werden schwarz...“, dachte sie und ihr lief es kalt den Rücken herunter.
Catherine verstaute das Blütenblatt in einer zweiten Tüte und legte diese in ihren Koffer. Die restlichen Rosen würde sie vorsichtshalber ebenfalls als Beweis mitnehmen.
Sie wollte gerade zu der Vase greifen, als durch das geöffnete Fenster ein verdächtiges Geräusch an ihr Ohr drang. Von diesem Moment an lief alles wie schon unzählige Male in diversen Übungen simuliert ab. Sie zog ihre Waffe aus dem Holster, eine 15 – schüssige 9 Millimeter und trat mit der Waffe in der rechten und der Taschenlampe in der linken Hand vorsichtig an das Fenster. Sie lugte, Lampe und Waffe im Anschlag, um den Fensterrahmen, genau darauf bedacht einen potentiellen Angreifer möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Sie leuchtete in den Garten, dessen Anblick ziemlich trostlos war. Er war nicht sehr groß und in einem verwahrlostem Zustand. Im Moment schien er als Stellfläche für 2 große Mülltonnen zu dienen.
Als der Lichtkegel auf eine dieser Tonnen fiel, wurde Catherine schnell klar, von was sie sich hatte aus der Ruhe bringen lassen, denn sie blickte geradewegs in das erschreckte Gesicht eines Waschbären. Erleichtert, dass sich die Situation so gefahrlos geklärt hatte, schaltete sie ihre Lampe wieder aus und steckte die Waffe zurück in das Holster. Sie konnte sich dabei ein Lächeln nicht verkneifen, da sie bei sich dachte: Nicht auszudenken was Grissom gesagt hätte, wenn ich dem armen, kleinen Kerl ein Loch in den Pelz gebrannt hätte.
Doch dieses Lächeln verschwand als ihr Blick auf die Fensterbank fiel und sie die schmalen Kratzer in dem Holz bemerkte. Sie fragte sich, was es wohl damit auf sich hatte, konnte aber keine Erklärung dafür finden. Deshalb machte sie vorerst nur ein Foto davon und widmete sich dann endlich der Sicherstellung der Vase mit den Rosen.
Die Durchsicht des Nachttisches und die des Kleiderschrankes ergab keine neuen Erkenntnisse und auch auf dem Boden vor dem Bett und um das Bett herum gab es nichts Auffälliges.
Catherine war mit ihren Untersuchungen im Schlafzimmer fertig und ging zurück ins Wohnzimmer.
„Stop!“ rief Gil aus als sie in dem Durchgang war und sie zuckte unweigerlich zusammen. „Schau mal nach unten.“
Catherine blickte zu Boden und sah kleine Blutspritzer auf dem weißen Teppich unter dem Durchgang.
„Der Vorhang war geschlossen als wir das Zimmer betraten“, erinnerte sich Grissom. „Und es waren keine Blutspritzer darauf.“
„Das bedeutet der Vorhang war zur Tatzeit offen und jemand hat ihn nach der Tat zugezogen“, führte sie seinen Gedanken zuende. „Vielleicht der Täter.“
Gil nickte bestätigend.
„Sieh dir das hier mal an“, sagte sie dann und hielt ihm den Umschlag mit der Karte darin hin. Er holte die Karte heraus und las das Gedicht. Seine Stirn legte sich in Falten.
„Ein seltsames Gedicht“, war seine Meinung dazu. „Die Handschrift ist ordentlich und ebenmäßig fast schon kalligraphisch. Wir sollten den Blumenladen besuchen, der auf der Karte angegeben ist. Vielleicht erinnert sich jemand an das Gedicht.“
„Vielleicht hat der Täter die junge Frau geliebt und sie hatte ein Herz aus Eis und musste deshalb sterben“, mutmaßte Catherine.
"Jetzt nicht mehr", erwiderte Grissom trocken. "Sie hat kein Herz. Es wurde entfernt."
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Soweit das erste Kapitel. Die Geschichte wird etwas länger. Kritik ist durchaus erwünscht.
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So den letzten Satz habe ich noch hinzugefügt und ein paar Schreibfehler verbessert. Ich werde das Kapitel erst einmal so belassen, obwohl ich durchaus nützliche Anmerkungen bekommen habe. Ich muss aber erst mal im Gesamten überlegen ob ich das ändere oder nicht.
Ich denke, dass ich heute Abend das nächste Kapitel präsentieren kann.
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