Genau. Wenn die Sprache selbst nicht mehr so viele Ausdrucksmöglichkeiten böte, käme man auch seltener in die Verlegenheit, zensieren zu müssen..

Solche ewig keuschen Fanatiker gibts ja auch in Deutschland nicht gerade wenige. Hier schaffen sie es zum Glück noch nicht einmal, den Sexualkunde-Unterricht wirkungsvoll zu sabotieren. Dass sie in den USA ein ganzes Kontroll-Gremium besetzen, ist schon erschreckend und sollte nicht unterschätzt werden, auch wenn die Welt ausserhalb des Schulunterrichts sich wenig darum kümmert. Aber ich sehe die Gefahr, dass eine "klinisch reine" Erziehung das Gegenteil des Gewollten erreicht, nämlich unter Umständen radikalisierend wirkt. Das Verbotene ist immer interessanter als das Erlaubte. Wenn man etwas ständig vorenthalten bekommt, fängt man automatisch an, einen Reiz darin zu finden, es dennoch auszuprobieren.

Gut zu beobachten ist das vorallem an Familien in denen die "keusche Erziehung" weitergeht. Da nützt es auch nichts, wenn das Internet und das Fernsehen "schmutzig" und "versaut" sind, wenn man gar keinen erlaubten ungefilterten Kontakt zu diesen Medien bekommt.

Ich bin in der Stadt Herrnhut zur Schule gegangen, die vielleicht einigen vom Namen her was sagt (da kommen die Adventssterne und die Herrnhuter Brüdergemeinde her). Dort hat sich in den letzten Jahren eine Gruppe von christilichen Charismatikern zusammengefunden, denen der Herrnhuter Glaube noch nicht radikal genug war und die deshalb unbedingt ihr eigenes Süppchen kochen mussten. Sie haben versucht, auf den Unterricht Einfluss zu nehmen, Kinder kamen mit zensierten Schulbüchern in die Schule (herausgerissene Seiten, geschwärzte Texte) und es wurde über alle Ebenen hinweg versucht, Einfluss zu nehmen. Die Kinder bekamen vorallem eine Sexualmoral eingeimpft, die irgendwie der Zeit ein paar Jahrhunderte hinterherhinkt. Sex zum Spass ist unkeusch, Sex vor der Ehe unrein, Lust zu empfinden unnatürlich. Verhütungsmittel verpönt. Kein Wunder, dass die früh und lebenslang verheirateten Frauen jedes Jahr dauer-schwanger waren. Die Kinder, mit denen man die Schulbank teilte, waren in jedem Fall alles andere als "normal". Meistens waren sie "stille Wässerchen", die aber bei näherem Hinsehen von inneren Konflikten fast zerissen wurden und zu spontanen Ausbrüchen neigten. Wenige hatten die Moralvorstellungen ihrer Eltern übernommen und versuchten, diese zu leben, waren selbst Fanatiker eines radikalen Glaubens, die meisten wollten von alledem ausserhalb ihres Elternhauses nichts wissen und nur weg von diesem "Gelaber" und integrierten sich selbstverständlich in das "schutzige" Jugendleben, das für sie noch einen grösseren Reiz haben musste, als für andere, dabei grundsätzlich alle an Exzessivität um Längen übertreffend.

Ich kann es mir kaum vorstellen: Ehemalige Klassenkameradinnen sind jetzt bereits verheiratet und haben drei Kinder. Unter diesen Radikalen wird vielleicht ein Gleichheitsideal des Menschen vor Gott propagiert, aber die Frau ist erst recht zur "Hausfrau" verdammt, deren Lebensinhalt darin besteht, möglichst viele kleine Kinder zu möglichst keuschen grossen Kindern zu erziehen und immer die Küche sauber zu halten. Eine Toleranz gegenüber anderen (andersdenkenden) Menschen ist auch nicht zu beobachten, im Gegenteil nennen sich diese Charismatiker gern sogar selbst "Seperatisten", weil sie mit all dem Unrat des weltlichen Lebens nichts zu tun haben wollen...