ich finde die auszeit schmidts traurig, verlustig, jedoch sogar bizarr witzig (wegen seiner art, abzugehen). traurig jedoch nicht wegen des personenkults.
übrigens sind für mich die leute, die sofort "personenkult" schreien, sobald man einem kulturschaffenden in deutschland seine wertschätzung verdeutlicht genauso plemm-plemm wie die, die sobald einer ihrer lieblingskulturschaffenden abtritt so tun als wär aller tage ende.
wieso und weshalb ich denke, dass die schmidt-show im privat-tv höchstes kulturgut war/ist, werde ich zu späterem zeitpunkt erläutern.
hier erstmal ein paar vielgeistige fakten meiner derzeit meist abonierten zeitung, der taz:
Medienticker
Roger Schawinski (58), neuer Sat.1-Geschäftsführer, hat sich was einfallen lassen. Er wird die "Harald Schmidt Show" ab 19. Januar als Wiederholung senden, "bis das Nachfolgeformat gefunden ist". Das Projekt nennt er "Die legendären Sendungen". Da bahnt sich was an: Die gestrige Folge mitgerechnet gibt es 1.355 "legendäre Sendungen." (taz)
CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag
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Ebenfalls abgrenzen möchte ich mich bei dieser Gelegenheit gegen den studierten Harald-Schmidt-Fan. Nachdem ihm sein Feuilleton lang und geduldig erklärt hatte, warum er die Sendung schauen darf und was daran gut ist, tat er SAT1 auf der Fernbedienung hinter das Erste (wg. Tagesschau) und arte (wg. allem und überhaupt) auf den dritten Knopf, schaute die Sendung und murmelte dabei "selbstreferentiell, selbstreferentiell" oder "hey, intelligente Unterhaltung" und dachte bei sich: "Ob Schmidt diese Suzana gepoppt hat? Hoppla, falscher Gedanke." Irgendwie versuchte jeder auf seine Art, Schmidts Lieblingszuschauer zu werden. Zumindest klangen die Leserbriefe immer so.
Als Oberschlaumeier tu ich jetzt BBC World (Top Gear) auf drei. Gleich hinter Pro7 (Die Simpsons).
DAS MÜSSEN SIE WISSEN
"Gebühren für Schmidt", so heißt die taz-Anregung zur Rettung der Harald Schmidt Show durch eine ARD-Übernahme. Begründung: Die Öffentlich-Rechtlichen haben auch mal Gelegenheit, die Gebühren wirklich sinnvoll anzulegen. Und die ARD hat zwar "Beckmann", aber andererseits eben auch ein gewisses Interesse an intelligenten, zukunftsfähigen Formaten. Das taz-Anliegen wird nach derzeitigem Stand unterstützt vom WDR-Chef Fritz Pleitgen ("Ich bin an Harald Schmidts Rückkehr zu uns höchst interessiert") und übrigens auch von Hans-Hermann Tiedje (WMP EuroCom AG).
Günter Struve, NDR-Unterhaltungschef, ließ gestern ausrichten: "Harald Schmidt ist ein hervorragender Protagonist, aber im Moment führen wir keine Gespräche mit ihm." Die letzten beiden Tage zuvor hatte er exakt dasselbe sagen lassen. Muss man sich Sorgen machen? Bei SPD-Olaf Scholz fing das auch so an. Irgendwann nannte man ihn nur noch "Scholzomat".
Würden Sie Gebühren für Harald Schmidt zahlen? Wenn ja, wie viel? Gibt es einen teilgesellschaftlichen Grundkonsens, dass Schmidt und seine Show im Bereich intelligente Unterhaltung zur Grundversorgung gehören? tazzwei@taz.de
alles entliehen von
Ein Abtritt als Auftritt
Der TV-Zyniker Harald Schmidt tritt ab, macht sich über die angeblich drohende Arbeitslosigkeit seiner Mitarbeiter lustig - und erklärt damit einmal mehr den Unterschied zwischen Zynismus und Zynismus
von ARNO FRANK
Ist denn nicht bald mal wieder gut mit dem Thema Schmidt? Ist denn die Wunde seiner Demission inzwischen nicht genug geleckt oder, je nach Standpunkt, ausreichend mit Salz bestreut worden? Gleich griechischen Klageweibern üben sich derzeit die Feuilletonisten in Kondolenz. Dabei wäre der Endspurt der "Harald Schmidt Show" eher ein Fall für Experten in Sachen Inlands- oder Sozialpolitik. Denn was, so fragte am Mittwoch bang die Bild-Zeitung, wird eigentlich aus seinen Mitarbeitern?
Als er am 30. Juni 2003 in die 5-Tage-Woche ging, da begründete Schmidt diesen Schritt mit seiner "Liebe zu Deutschland" und zum Bruttosozialprodukt. Als er nun seinen Mitarbeitern das Ende der Show eröffnete, gings sofort um Auflösungsverträge für die etwa 100 Angestellten der Produktionsfirma Bonito.
Dass die Firma weiter bestehen und unter anderem Sendungen wie "Was guckst du?" mit Kaya Yanar produzieren wird, spielt dabei kaum eine Rolle. Die klassische Situation der betriebsbedingten Kündigung ist ein gefundenes Fressen - nicht nur für den scheinheiligen Boulevard, sondern auch für Sankt Schmidt selber. In der Show am Dienstagabend irrte er denn auch durch die Flure des Studios, um in einem entlegenen Winkel in die "Manuel Andrack Show" zu platzen. Die Französin Nathalie eilte mit gepackten Koffern an ihm vorbei. Draußen auf dem Parkplatz telefonierte er später, lässig am Jaguar lehnend, per Handy einen BMW herbei, um seine Mitarbeiter zum Arbeitsamt zu schicken - sie hatten vorher ihre Hände an einer brennenden Mülltonne wärmen dürfen.
So lässt sich seine Kardinaltugend, der Zynismus, gegenwärtig wie unter einem Brennglas beobachten. Wer Zynismus ganz klassisch als "herausfordernd verächtliches Verhalten gegenüber geltenden Moralnormen" definiert, der kommt hier auf seine Kosten: Arbeitslosigkeit ist nur dann lustig, wenn man sie sich leisten kann. Schmidt kann. Und auch seine Mitarbeiter werden wohl kaum "verzweifelt auf ein TV-Comeback ihres Noch-Chefs" warten müssen (Bild).
Die theatralische - weil auf groteske Weise überhöht zynische - Inszenierung der Kündigungswelle spiegelt dagegen in bester satirischer Tradition nur den ganz realen Zynismus jener, die nun öffentlich Krokodilstränen vergießen über das Schicksal von Andrack, Zerlett & Co. Und damit nebenbei ganz ordinären Neid auf einen Moderator schüren, der angeblich 40.000 Euro pro Sendung kassiert hat.
"Wer den Zynismus nicht sieht, wenn unsere Presse zwischen Sektreklamen von Folterungen in Südamerika berichtet, der wird ihn auch in der Theorie vom Mehrwert nicht wahrnehmen, selbst wenn er sie hundertmal gelesen hätte", sagte einmal der glücklose Teilzeitmoderator Peter Sloterdijk.
Wo wir beim Mehrwert sind: Die zweite Ausgabe der "Harald Schmidt Show" nach der Ankündigung ihres Auslaufens zum Jahresende sahen 1,79 Millionen Menschen. Gut doppelt so viele wie sonst. Und die Verantwortlichen bei Sat.1 verzichten auf den Mercedes-Stern ihres Senders - sie werden noch früh genug merken, dass sie eigentlich in einem Hyundai sitzen.
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11.12.2003 taz zweite Meinung 105 Zeilen, ARNO FRANK S. 16
in taz-Bremen, -Hamburg, -Nord, -Frankfurt, -Köln, -NRW, -Ruhr S.14
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