„Josef.“ Sagte sie. „Wir haben eine Stunde Aufenthalt.“ Es schien ihr gar nicht zu gefallen so lange auf einem Bahnhof zu warten. „Besorgst du uns bitte eine Information über den weitern Verlauf unserer Reise? Ich warte derweil in der Lounge auf dich, wo es sich hoffentlich angenehmer die Zeit verbringen lässt, als in dieser Halle hier.“ Ich hätte schwören können ihr Gedanken zu hören, die sagten nie wieder werde ich mich in einen Zug setzten.
„Ich wollte mich bereits diesbezüglich erkundigen Mutter. Doch würde ich gerne die Zeit mit Alexis verbringen wollen. Ich hole dich selbstverständlich rechtzeitig ab.“ Josef konnte wirklich geschwollen reden, anscheinend legte seine Mutter Wert darauf, oder aber er wollte sie verärgern.
„So, so und wer ist Alexis?“ Dieser Ton, der hätte einen Ziegelstein, wie Butter zerschneiden können und einen abschätzenden Blick den sie mir zuwarf, brachte Joe dazu etwas vollkommen unüberlegtes zu tun.
„Alexis, Mutter.“ Er legte einen Arm um meine Schulter und zog mich zu sich. „Alexis ist meine Verlobte.“ Ich glaube in diesem Moment, mitten auf dem Bahnsteig des Leipziger Bahnhofes, dort wo Menschen sich unterhaltend an uns vorbei liefen, wo aus den Lautsprechern die Züge angesagt wurden, hatten seine Mutter und ich ein und den selben Blick im Gesicht und beide trafen direkt Joes Augen. Und einen Moment war eine greifbare Stille um uns herum.
„Nun gut, dann lass ich dich mit deiner Verlobten allein.“ Joe’ s Mutter brach das Schweigen und lies erahnen das sie Taktgefühl besaß. Diese Eigenschaft war bei ihrem Sohn weniger ausgeprägt, sonst hätte er mit Sicherheit mich nicht in so etwas hinein geritten. „Lass. Ich trage ihn selber.“ winkte sie ab, als meine Zugbekanntschaft den Koffer seiner Mutter in die Lounge bringen wollte. Schweigend sahen wir also den trippelnden Schritten, welche so typisch für Stöckelschuhe waren, hinter her, bis sie außer Sicht- und Hörweite war. Dann drehte ich mich um und warf Joe einen entrüsteten Blick zu.
„Verlobte?“ Schnaubte ich wütend.
„Ich dachte du hättest nichts dagegen.“ Er schien ein wenig verlegen zu sein, ich war wütend, ich fühlte mich total hinters Licht geführt.
„Ich fass es nicht.“ Rief ich schockiert aus, schulterte meine Reisetasche und lies ihn einfach stehen. Doch Joe dachte gar nicht daran allein auf dem Bahnsteig zurück zu bleiben und folgte mir kurzerhand, während ich versuchte seine Gegenwart vorerst zu ignorieren. Was aber nicht so klappen wollte, da seine Nähe mir durch Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch vollauf bewusst war. Als erstes lenkte ich meine Schritte zu einem Fahrkartenautomaten , wo man sich auch Zugverbindungen holen konnte. Ich lies mir die zwei mal ausdrücken, immerhin benötigte Joe auch eine, aber als ich mich umdrehte und um ihn den Zettel in die Hand zu drücken, sah ich sein Gesicht, das etwas gehetzt wirkte und auch irgendwie zerknirscht, doch das tat meinem momentanen Gefühlen immer noch keinen Abbruch. Ich war immer noch verdammt sauer und wütend auf ihn. Im Moment nicht fähig auch nur irgend ein Wort zu sagen, schnaubte ich ihn einfach nur an. Es war ein Laut der folgendes zum Ausdruck bringen sollte: <<Nicht zu fassen.>> Dann ging ich einfach weiter und ließ ihn abermals stehen, immerhin mussten meine Eltern informiert werden das ich später ankam als gedacht und zu allem Überfluss gab mir Joe anstandslos Kleingeld, als ich in meinen Portemonnaie nur einen fünf Euro Schein fand. Als meine Mutter unterrichtet war, gab ich ihm das Restgeld und wollte ihn abermals stehen lassen, jetzt einfach nur weil ich nicht wusste wie ich reagieren sollte, nach Wut und Verärgerung kam nun Verwirrung und ich stellte mir die Frage was Joe überhaupt bezwecken wollte.
„Alexis so warte doch mal.“ Rief er hinter mir hier.
„Ich finde es ist alles geklärt oder?“ Mein Trotz regte sich. „Du hast deine Mutter schockiert und ich war zur falschen Zeit am falschen Ort und durfte das Opferlamm spielen.“ Entgegnete ich gepresst und drängte mich an ihm vorbei.
„Wer hat dich verletzt?“ Fragte Joe einen langen Atemzug später. Es musst ihm viel Überwindung gekostet haben das schon jetzt zu fragen, denn später würde er auf mich in dieser Hinsicht wesentlich feinfühliger und sanfter eingehen als jetzt. Langsam drehte ich mich zu ihm um. „Wer hat dich derart verletzt das du Menschen so scheu gegenübertrittst das du lieber wegrennst als dich dem zu stellen, auf was du triffst?“ Meine Schultern hatten sich schon längst verhärtet und meine Hand, die den Schulterriemen meiner Reisetasche hielt verkrampfte sich, während die freie sich zu einer Faust ballte.
„Das geht dich gar nichts ...“ <<an>> Wollte ich sagen, doch er lies es nicht zu. Stattdessen nahm er mein Gesicht in seine Hände, zog es sanft zu sich, beugte sich ein wenig hinunter, da ich von wesentlich kleinerer Körpergröße war als er und küsste mich sanft. Mir ging es dabei durch und durch, mir wurde heiß und das energische Herzpochen, das ich glaubte unter Kontrolle zu haben brach wieder heraus und meine Knie wurden ganz weich, ich wunderte mich schon das ich überhaupt noch stand, als er von mir abließ.
„Bist du jetzt bereit mit mir zu reden?“ Fragte er lächelnd.
„Ja.“ Nickte ich. „Wenn wir uns irgendwo hinsetzten könnten.“
„Hast du Hunger? Dann lad ich dich zu Mc Woof ein.“ Ich nickte nur , ein Glück das er sagte er würde mich einladen, sonst wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, das er es überhaupt vor hatte. Während Joe anstand, was ich als gerechte Strafe empfand, immerhin war er teilweise für meinen derzeitigen Gemütszustand verantwortlich, suchte ich uns einen guten Nichtraucherplatzt und sehr weit weg von der Raucherecke.
„Das ist kein Scherz?“ Begann ich zwischen zwei Bissen Mc Chicken und dem Kauen.
„Nein.“
„Keine Trotzreaktion gegenüber deiner Mutter?“ Ich aß danach etwas von den Pommes.
„Nicht direkt.“
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht was ich davon halten soll.“ Seufzte ich auf und widmete mich meiner Cola Light, denn ich wusste wirklich nicht was ich nun mit dieser ganzen verfahrenen Situation machen sollte. Am liebsten hätte ich schon längst Nein oder Vergiss es gesagt, aber mein Herz ließ dies nicht zu. Immer wenn ich dazu ansetzten wollte, hämmerte es so laut und vernehmlich als wolle es sagen ich lebe, ich will nicht sterben. Es ging einfach nicht, ich konnte nichts in dieser Richtung sagen. „Aber warum dann? Was hat dich dazu gebracht, wenn nicht in direkter Linie deine Mutter zu verärgern?“
„Spürst du es nicht?“ Fragte Joe. „Spürst du nicht das Gefühl deines Herzens, deines Bauches wenn du mich siehst? Fühlst du nicht wie deine Knie nachgeben, wenn du nur daran denkst mich zu küssen? Mir geht es jedenfalls so. Dein reiner Anblick lässt bei mir die Glocken läuten.“ Ich war knallrot geworden, nicht nur das er meine Gefühle in der selben Heftigkeit erwiderte wie ich sie ihm gegenüber empfand, nein er hatte eben gerade mir seine Liebe gestanden ohne es direkt zu sagen.
„Das tut nichts zur Sache.“ Entgegnete ich widerwillig.
„Das heißt du sagst nein?“ Ich machte den Fehler in seine Augen zu schauen, welche mich flehend ansahen.
„Ja.“ Sagte ich.
„Nein.“ Revidierte ich meine Aussage. „Ich meine... Ich fühle mich geschmeichelt das mir so etwas überhaupt passiert, doch ich stelle mir das anders vor.“ Ich machte eine kurze Pause. „Ich stelle es mir romantischer vor, als auf einem Bahnsteig vor deiner Mutter und dann noch nicht mal gefragt zu werden. Nein du musst mich ja gleich als deine Verlobte vorstellen. Ich werde gerne gefragt bevor mich jemand als etwas vorstellt was ich nicht bin.“ Dann schwieg ich endgültig und hoffte das ich meine Gefühle gut zum Ausdruck bringen konnte.
„Einverstanden. Du sollst gefragt werden. Und...“ Er lächelte geheimnisvoll. „Es wird ein unvergesslicher Moment für dich werden. Nur muss ich sicher sein, möchtest du meine Verlobte sein?“ Nachdenklich saugte ich am Strohhalm meines Getränkes und lächelte, meine Antwort war doch schon längst klar.
„Ja klar, warum auch nicht.“
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