Whyme hat zu den Features und Besonderheiten von DSA4 bereits alles gesagt. Zumindest mir fällt da nichts ein, was ich spontan hinzufügen könnte.

Ich empfinde DSA4 als sehr gelungen und auf jeden Fall als Fortschritt gegenüber DSA3, habe aber auch so meine Kritikpunkte.

1. Die Einstiegshürde ist hoch. Die Charaktererstellung kann schonmal einen kompletten Tag in Anspruch nehmen, wenn man es richtig machen will - und länger, falls man sich parallel auch noch in die Regeln einlesen muss. Zum Spielen und teilweise schon bei der Charaktererstellung benötigt man jede Menge Hintergrundwissen über die Welt. Man schaue sich nur mal die Beschreibungen von Sonderfertigkeiten der Elfen an - dort wird ohne jegliche Erklärungen mit haufenweise elfenspezifischen "Fachbegriffen" herumgeworfen, die dem nicht DSA-Elfen-Erfahrenen nichts sagen und ziemlich lustig anmuten.
Die Spielwelt ist komplex aber nicht kompliziert. Auch Einsteiger dürften sich reinfinden, wenn sie gewillt sind, genug Zeit (also sehr viel) zu investieren. Und natürlich auch genug Geld, denn

2. DSA ist ziemlich kommerziell. Ich habe nichts dagegen, dass Fanpro mit DSA ein bisschen Geld verdienen will, aber ich finde die ganze Einzelboxen-Abzockerei übertrieben. Ständig muss man sich Informationen aus verschiedensten dünnen Einzelheftchen zusammenklauben, die auch gleich zusammengepasst hätten. Gerade wenn man sich noch nicht so gut auskennt, ist man öfters ziellos am stöbern. "Wo war denn noch geich..."

3. Die DSA-Welt ist sehr stereotyp. Fast jede Kultur hat irgendeine irdische Entsprechung bzw. stellt irgendein menschliches Klischee in den Vordergrund. Es macht allerdings auch Spass, damit zu spielen. Man findet sich schnell zurecht, wenn man die Klischees halt kennt (solange man sich merkt, welcher Name zu welcher irdischen Entsprechung gehört). Ich persönlich mag außerdem die "Kulturen" nicht (wie Whyme schon sagte, wählt man außer einer Rasse auch eine Kultur und eine Profession). Außer der Stereotypisierung stört mich an den Kulturen auch, dass sie noch keinen Bezug auf den speziellen Charakter nehmen, sondern erstmal alle Leute aus einer bestimmten Gegend über einen Kamm scheren. Warum habe ich z.b. als Horasianer automatisch einen Bonus auf Fechten, selbst wenn mein Charakter noch nie einen Degen in der Hand hatte?

4. Die Welt ist sehr umfassend beschrieben und lässt wenig Spielraum für Eigengestaltung. Natürlich kann man sich den als Meister immer nehmen, man kann die Weltbeschreibung einfach als Vorlage für eigene Kreativität nehmen und dann auch mal radikale Dinge an "seiner DSA-Welt" ändern. Das lässt sich dann allerdings auf keine andere Gruppe übertragen und es wird immer DSA-Profis geben, die dann sagen "Halt, das geht doch nicht, weil.."

4. Charaktererstellung ist sehr unflexibel. Die meisten Charaktere werden wohl grundsätzlich 100 Statpunkte vergeben, weil sie sich sonst im technischen Spiel benachteiligen. Die vorgeschlagenen negativen und positiven Eigenschaften sind zwar nett gedacht in dem Sinne, dass sie dem Spieler dabei helfen, seinen Charakter detaillierter auszugestalten und das auch im Spiel rüberzubringen, trotzdem trifft man immer wieder auf die selben Eigenschaften.

Zum Schluss möchte ich festhalten, dass ich trotz dieser Kritikpunkte DSA sehr gern spiele. Das Positive überwiegt doch weitaus.

Wir haben letztens in einer alten Gruppe nach mehreren Jahren mal wieder DSA gespielt. Das DSA-4-Material war da, doch saßen wir erstmal da, nur mit theoretischer Ahnung von DSA-4 und wollten *SPIELEN* und nicht 2 Tage lang Charaktere bauen. Wir haben das ganze aufwendige Prozedere kurzerhand einfach radikal abgekürzt. Die Spieler haben sich ihre Charaktere von den Werten her völlig frei so zusammengebaut, wie sie es für ihren persönlichen Lvl1-Charakter für angemessen hielten und das ganze vom Meister absegnen lassen - und schon konnte es losgehen.

Wenn man sich die Freiheit nimmt, kann man also aus jedem System etwas für sich Passendes und Spass machendes herausholen.