Dramaturgis
Der Göttervater

Dramaturgis, die gestaltgewordene Erzählfreude, hat sich selbst erschaffen, sich sozusagen an den Haaren herbei und aus dem Nichts gezogen. Der Gott wird meistens als asketisch dargestellt, äußere Belange kümmern ihn nicht, auch Essen sieht er nur als Verschwenung von Platz in seinem Mund, aus dem es unaufhörlich hervorsprudelt.
Andere Darstellungen zeigen ihn als köerperlich sehr, nun, stabil und ausgesprochen fröhlich; in dieser Interpretation hat er eine gewisse Ähnlichkeit mit einem schwazr gekleideten Nikolaus und versammelt seine Jünger gern in launiger Runde.
Gleichgültig, welcher Darstellung man zuneigt, eines ist jedenfalls sicher: Der Mund des Dramaturgis befindet sich in ständiger Bewegung. Sein Waffen sind das Schlagende Wort und das Buch der Unendlichen Geschichten, un d er redet ohne Unterlaß. Gewürfelt wird in seinen Runden kaum, denn dazu ist keine Zeit. es heißt, manche Runde hätte in seiner Gesellschaft einen Tag und eine Nacht und wieder einen Tag damit verbracht, der glühenden Schilderung einer einzigen Szene zu lauschen. Schwache Geister brechen oft schreiend zusammen, wenn Dramaturgis sich ausläßt, was aber nicht viel hilft, denn Dramatrugis ist stocktaub. Jedenfalls wenn es um dumme Sünder geht, die seinen herrlichen Erzählfluß frevlerrisch zu unterbrechen wagen.
Einer der Vorteile, den seine Jünger imm wieder betonen: Dramaturgis ist selbstgenügsam und recht gutartig. Wenn er seine Geschichten erzählen darf, ist er bereits ganz zufrieden. tun will er eigentlich keinem was (es sei denn, man ist so empfindlich, sich über Gehörgangsentzündung zu beschweren). Alles, was er braucht, sind Zuhörer und ein wenigFlüssigkeit zum Anfeuchten der göttlichen Kehle, und schon ist man mittendrin in einem regelrechten Roman und kann sich erzählen lassen, was man sieht, was man tut, wer man ist und warum die Welt nun einmal genau so ist und nicht anders.
Indes, wer Wert darauf legt, auch mal etwas zu sagen, ist mit diesem Gott schlecht beraten. Auch wer den Wunsch hat, vielleicht selbst einmal zu entscheiden, was er tun will, könnte hier an gewisse Grenzen stoßen, denn über diese Frage ist Dramaturgis meist längst hinaus, bevor er in einer begeisterten Schilderung zum ersten Mal für einen raschen, hektischen Atemzug innehält, um nicht gänzlich zu kollabieren.
Gewissen Quellen zufolge solles komplizierte Rituale geben, um das Heilige Geschwafel zu unterbrechen. Es hat etwas mit Schokomuffins zu tun (alternativ ein Stück Pizza oder einen großen Schwamm verwenden&#33 und mit einer wahrhaft porphetischen Weisheit, den richtigen Augenblick zu erkennen, um mit den Reflexen eines Tigers der erlauchten Meisterlichkeit das Maul zu stopfen.
Die zusätzliche Befestigung des Stöpsels mit mehreren Schichten Klebeband un einem Tacker ist zu empfehlen. Dennoch gilt der Grundsatz: Schnell sprechen. Auch dies etwas respektlose Mehtode, ein wenig Redezeit zu erbitten, verschafft einem nur eine kurze Pause. Und sobald der Knebel dem Meister aus dem Mund esplodiert, legt er erst richtig los, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen.
Deckung zu suchenist dringend anzuraten.