Mond

Grau in grau erstreckten sich endlose Ebenen, die von Rissen und kleinen Kratern durchzogen waren. Staubschlieren wehten träge über den Boden. Seufzend wandte er seinen Blick von der zerkratzten Sichtluke ab, um auf die Uhr zu schauen. Der Versorgungstransport ist jetzt seit fast sieben Stunden überfällig, dachte er. Er murmelte:“Komm schon...melde dich endlich...bitte mich, die verdammte Versorgungsluke zu entriegeln...“ Er verharrte reglos, lauschte atemlos in die Leere..eine Minute, zwei, eine halbe Stunde. Danach sprang er abrupt auf, begann in der kleinen Station auf- und abzugehen.
Was dachten die auf der Erde sich eigentlich? Ihn alleine in dieser farblosen Wüste sitzenzulassen! Er hasste den ewig grauen Staub, die grauen Wände, den grauen Nahrungsmatsch aus der Tube. Gereizt schmetterte er die Faust gegen die Sichtluke und schrie:“Los, laß dich endlich blicken, oder soll ich hier verrecken!?“
Er verabscheute sein verzerrtes Spiegelbild in der Sichtluke, das so grau geworden war wie der Mond selbst. Dieser verfluchte Mond hatte ihn gefressen, ihn verdaut und wieder ausgeschissen, dieser öde Klumpen Dreck, der von Wölfen angewinselt wurde, die so grau waren wie er selbst.
Mehr noch – der Mond hatte seinem Leben die Farben gestohlen; Er saß in einem grauen Gefängnis, nein in einem Sarg, umschlossen von Kälte und Leere und Dunkelheit. Durch die Sichtluke wirkten selbst die Sterne grau. Sie schienen ihn höhnisch anzugrinsen. Er ballte die Fäuste so wütend, daß sich seine Fingernägel schmerzhaft in die Handflächen gruben.Der Schmerz fühlte sich gut an...lebendig...bunt!
Kichernd öffnete er seine Fäuste und betrachtete die Verletzungen. Tiefes Rot quoll aus seiner grauen Haut hervor. Rot, oh herrliches, süßes Rot! Triumphierend lachte er auf und riss seine Hände empor. „Siehst du das, Gevatter Mond? Ich habe mir die Farbe zurückgeholt, die du mir genommen, habe sie mir aus meinem verdammten grauen Fleisch gerissen!“
Wild sprang er auf und schrie:“Du hast den Versorger verschlungen, wie du auch mich gefressen hast, jetzt wird's mir klar! Dämon, du hast das Schiff zu grauem Staub zerblasen! Aber mich wirst du nicht bezwingen; Ich werde alles mit meinem Rot durchtränken!“
Er fuhr sich mit den Nägeln durch die Wangen und schrie und lachte in Schmerz und irrem Jubel.

„Wir haben seine Sprache entschlüsselt.“
„Offenbar glaubt es, sich auf einem Mond zu befinden.“
„Und es scheint auf etwas zu warten.“
„Außerdem hat es von 'Farben' gesprochen.“
„Wir wissen nicht, was das ist.“
„Vielleicht hat das mit seinen Sinnesorganen zu tun.“
„Möglicherweise kann es damit Lichtwellen wahrnehmen.“
„Ein merkwürdiges Geschöpf.“
„Es hat seine Umhüllung zerkratzt.“
„Es scheint krank zu sein.“
„Vielleicht leidet es darunter, daß wir es so lange eingesperrt haben.“
„Wir werden es wieder freilassen.“


Sathoan, 2005