Ja, das sehe ich genauso. Nur, wäre es nicht sinnvoller, einen Mittelweg zwischen Ratzinger und Pop(p)kultur zu finden? So stehen sich jetzt wieder die Extreme gegenüber und am Ende wird genauso viel dabei rauskommen, wie wenn Links- und Rechtsradikale einander auf die Fresse schlagen: nämlich gar nichts, höchstens eine weitere Verschärfung des Konflikts.Zitat von Dr.BrainFister
Ich wiederhole mich, aber es gibt liberalere Kardinäle und ich hoffe, dass sich die katholische Kirche traut, sich nach der Ära Ratzinger dieser Richtung zuzuwenden.
Als ich vor ca. 4 Jahren das letzte Mal eine Kirche von innen gesehen habe, war ich dort so ziemlich die letzte meiner Generation. Der Rest: 35 aufwärts, abgesehen von den Kleinkindern und den ca. 15 Ministranten der Gemeinde. Dann die ständigen Pfarrerwechsel. Nachdem unser "Stammpfarrer" krank wurde, kamen und gingen die alle paar Wochen. Der erste, der länger bleiben sollte, hat einen Ministranten missbraucht (angeblich, das wurde nie wirklich geklärt. Der Mann wurde einfach versetzt, man kennt ja die diesbezügliche Politik der Kirche). Seitdem gehen die fliegenden Pfarrerwechsel fröhlich weiter. Die Gemeindebibliothek musste wegen mangelnden Interesses zumachen.
Wie soll man auch als Gemeindemitglied zu solch einem Saftladen noch Vertrauen aufbringen?
Ich weiß nicht, vielleicht ist unsere Gemeinde ja die einzige, die seit Jahren systematisch vor allem die Jugend vergrault. Die Predigten unseres Stammpfarrers waren a) stinklangweilig und b) reichlich weltfremd und unverständlich (und je kränker er wurde, desto unverständlicher wurden sie). Die nachfolgenden Pfarrer machten es zu großen Teilen nicht besser. Im Religionsunterricht lernen Kinder das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis auswendig, so dass sie es in einer Klassenarbeit niederschreiben können und in der Kirche vor sich hin brummeln können, wann es eben grade vorgesehen ist.
Merkt eigentlich jemand, wie grotesk das ist?
Eine ganze Kirche voller erwachsener Menschen, die das Glaubensbekenntnis denkbar unenthusiastisch und gelangweilt dahergrummeln und man merkt ganz genau, dass sich keiner auch nur den geringsten Gedanken darüber macht, was diese Worte bedeuten?
Wie schwachsinnig – bei aller Liebe zu Ritualen – es ist, ein Gebet auswendig zu lernen, wo Beten doch per definitionem ein ganz persönliches Gespräch mit einem "Vater" darstellen soll?
Und jetzt kommen Leute wie unser Benedikt XVI und fordern allen Ernstes, wieder mehr Latein in der Kirche zu sprechen (siehe 2. Link von BabylonLion – btw, ich liebe die kriecherischen Fragen des Interviewers; ganz großes Tennis!). Wie sollte das in einem der oben erwähnten Punkte die dringend nötige Änderung herbeiführen?
Änderung, auch so ein Reizwort.
Die Menschheit ändert sich. Christen von heute leben in der Welt von heute; während die Kirche am liebsten noch dasselbe praktizieren würde wie vor 1900 Jahren in den Katakomben.
Nicht jeden Mist mitmachen, der gerade Mode ist, ja. Sich an nachweislich veralteten Vorstellungen auf Teufel komm raus festbeißen, nein. Beispiel Homosexualität: Die Kirche hat sich in den letzten 30 Jahren keinen Schritt von der Stelle bewegt. Die Wissenschaft fand heraus, dass Homosexuelle nicht pervers, sondern schlichtweg anders veranlagt sind. Wer aber verschließt Augen und Ohren und hetzt ungerührt weiter?
Nettes Beispiel aus Lion's Links auch hierzu: Hier beschwert sich Ratzinger darüber, dass in Schweden ein protestantischer Priester für einen Monat ins Gefängnis musste, weil er "auf der Basis einiger Bibeltexte über die Homosexualität gepredigt hatte". Soweit, so gut. Tatsächlich hatte der Mann Homosexualität als "schreckliches Krebsgeschwür im Körper der Gesellschaft" bezeichnet. Der Teufel nutze bei Schwulen den Sexualtrieb als "seine stärkste Waffe gegen Gott". Verurteilt dafür wurde er auf der Basis eines Antidiskriminierungsgesetzes. Aufrechte Katholiken *sarkasmustrief* sehen nun die Religionsfreiheit bedroht. (Quelle)
Zum Schluss und um noch einmal zum Thema Änderung zurückzukommen, ein Zitat von Lothar Zenetti, Pfarrer:
Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Kirche.
Sie werden antworten: Die Messe.
Frag hundert Katholiken, was das Wichtigste ist in der Messe.
Sie werden antworten: Die Wandlung.
Sag hundert Katholiken, dass das Wichtigste in der Kirche die Wandlung ist.
Sie werden empört sein: Nein, alles soll bleiben, wie es ist!





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