Stoiber nennt Linkswähler "dumme Kälber"

Wegen seiner Kritik am Osten hat sich Edmund Stoiber eine telefonische Rüge der Kanzlerkandidatin Angela Merkel eingefangen. Jetzt werden weitere Wahlkampfäußerungen des CSU-Chefs bekannt - wie ein Tonmitschnitt belegt, verglich er Wähler der PDS mit Kälbern.
Hamburg - Der bayerische Ministerpräsident hat seine umstrittene Ost-Kritik auch bei einem weiteren, bislang nicht beachteten Wahlkampfauftritt geäußert, der im niederbayrischen Deggendorf stattfand.
Laut einem Mitschnitt seiner Rede am 5. August, der dem SPIEGEL vorliegt, berichtete der CSU-Chef von seinen Auftritten in Jena und Eisenach, wo er die Zuhörer gefragt habe: "Seid ihr euch bewusst: Ihr habt hier Plakate mit Lafontaine. Und der Mann, der im Grunde genommen gegen die Wiedervereinigung war, den feiert ihr jetzt als Helden? Ja, seid ihr denn verrückt geworden? Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber."
Nach einer kleinen Pause, die von Gelächter und Bravo-Rufen gefüllt war, fuhr Stoiber im bayerischen Deggendorf fort: "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob alle das auf dem Marktplatz richtig verstanden haben. In Bayern mit Sicherheit."
In der vergangenen Woche hat sich Stoiber wegen seiner Kritik am deutschen Osten auch eine telefonische Rüge der Kanzlerkandidatin Angela Merkel eingefangen, wie jetzt bekannt wird. Das Telefonat soll laut "Bild"-Zeitung am Donnerstag stattgefunden haben - kurz vor dem Auftritt Merkels in der ZDF-Sendung "Berlin Mitte". Die Kanzlerkandidatin habe Stoiber, der derzeit einige Tage Urlaub in Südfrankreich macht, zu verstehen gegeben, dass er mit seinen Äußerungen über ostdeutsche Wähler zu weit gegangen sei. Stoibers Kommentare seien "nicht hilfreich" gewesen, habe Merkel kritisiert. Die Boulevardzeitung beruft sich in ihrem Bericht auf Informationen aus der CDU-Führung.
Stoiber: Warum nur die Aufregung?
Der Zeitung zufolge soll es sich um ein deutliches, aber im Ton ruhiges Telefonat der beiden Unions-Führer gehandelt haben. Merkel habe Stoiber auch darüber informiert, dass sie sich im Fernsehen von dessen Äußerungen über die Ost-Wähler distanzieren werde.
Stoiber hat seine heftig kritisierten Aussagen nochmals verteidigt und eine Entschuldigung abgelehnt. Er habe mit seinen Äußerungen ausschließlich auf das Erstarken der Linkspartei und ihrer beiden Spitzenpolitiker Gregor Gysi und Oskar Lafontaine abgezielt, sagte Stoiber im ZDF-Sommerinterview. Seine Zitate, die in allen Parteien für helle Empörung gesorgt hatten, seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Ein Sprecher Stoibers bestätigte, dass der CSU-Chef mit "Kälber"-Spruch vor der Wahl der Linkspartei gewarnt hat. Diese Worte seien aber kein Angriff auf die Wähler gewesen, sagte er. Auch der frühere CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß habe früher in Wahlkämpfen immer wieder das Kälber-Zitat verwendet.
Schröder: "Menschlich unanständig"
Gerhard Schröder (SPD) hat Stoibers Äußerungen dagegen als Steilvorlage benutzt und davor gewarnt, im Wahlkampf die Gräben zwischen Ost- und Westdeutschland wieder aufzureißen. Der Bundeskanzler kritisierte in der "Rheinpfalz" auch die umstrittenen Äußerungen des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger über die "Frustrierten" und "Mutlosen" in Ostdeutschland. "Diese Art von Wahlkampf ist politisch fatal und menschlich unanständig", sagte Schröder.
Er wundere sich, dass der baden-württembergische Ministerpräsident Oettinger, den er bisher für einen nachdenklichen Mann gehalten habe, in die gleiche Kerbe geschlagen habe, sagte Schröder. Auch er sei der Meinung, "dass es falsch wäre, PDS und erweiterte PDS zu wählen, aber mit derartigen Sprüchen erreichen Stoiber und Oettinger doch nur das Gegenteil".
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