Ich meinte gar nicht spezifisch Dich, Loser, als ich mich da oben ein bißchen aufregte, sondern den ganzen Trara in den Medien, und daß das Ganze plötzlich *das* Gesprächsthema war, egal, wo man hinschaute - in den Medien, auf der Arbeit, in der Uni, auf der Straße, jeder regte sich plötzlich auf und mußte dringend seine Meinung kundtun. Und die bestand meist in einem wohlig-schaudernden Kopfschütteln über '*die* Moslems', die sich über 'ein paar Karikaturen' so maßlos aufregten - und mein Umfeld, in dem ich diese Reaktion beobachtet habe, ist nicht gerade besonders rechts oder konservativ. Der Konsens über '*die* Moslems' zieht sich also durch die ganze Gesellschaft, wie es scheint.Zitat von Loser
Daß es erlaubt sein muß, auch mal Karikaturen zu veröffentlichen, die jemandem weh tun, und ja, auch jemand Religiösem, das versteht sich für mich von selbst. Es gibt aber dennoch einen Unterschied zwischen einem notwendigen Aussprechen einer Wahrheit und einer bewußten, völlig unproduktiven Provokation. Da muß man, meiner Meinung nach, eben auch den Hintergrund sehen, vor dem die Karikaturen veröffentlicht wurden, und zwar: In einem Land, das in den letzten Jahren einen erschreckenden Rechtsruck erlebt hat, in einer Zeitung, die sich nicht gerade durch große Liberalität auszeichnet. Es ist kein Zeichen übertriebener 'political correctness', denke ich, wenn man darin keinen glorreichen Ausdruck von Meinungsfreiheit sieht, kein mutiges Aussprechen unbequemer, aber wichtiger Wahrheiten, sondern plumpe, populistische Stimmungsmacherei. Natürlich ist diese legal, und muß es auch bleiben - für eine politisch ausgesprochen dumme Entscheidung seitens der Zeitungsmacher darf man die Publikation der Karikaturen aber dennoch halten. Nicht umsonst ist in der Politik die Kunst der Diplomatie von großer Bedeutung - es ist eben meist nicht gerade produktiv zur Lösung von Konflikten, wenn man Fronten mutwillig verschärft - auch, wenn es der Volksseele gut tut, so genau zu definiert zu sehen, wo 'die Bösen' sitzen. Die Karikaturen waren in etwa so hilfreich zur Lösung des bestehenden Konfliktes wie die Predigten bestimmter fundamentalistischer Prediger.
Sind deshalb die gewalttätigen Reaktionen in der islamischen Welt gerechtfertigt? Natürlich nicht. Wenn ich sage, daß die ganze Karikaturen-Affäre hochgradig lächerlich war, schließe ich die überreagierenden, aufgestachelten Fanatiker ausdrücklich mit ein. Aber wir hier im Westen haben uns eben durch unsere Reaktion auf diese Reaktion auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Etwas mehr Gelassenheit, und etwas weniger hysterisches 'Kampf der Kulturen'-Säbelgerassel ("Wir müssen unsere Freiheiten verteidigen!!!") hätte uns gut angestanden.
Für mich paßt diese ganze 'Affäre' mal wieder allzu gut in das allgemeine Bild einer sich immer mehr verfestigenden Frontenbildung zwischen 'dem Westen' und 'dem Islam', die schon seit längerem zu beobachten ist und mich sehr erschreckt. Es kommt mir so vor, als ob die ganze Welt geistig mobil macht, als wenn auf *beiden* Seiten schon lange kein wirkliches Interesse mehr an einer einvernehmlichen Lösung besteht, sondern alle (ja, *nicht* nur die 'andere' Seite, sondern auch 'wir'!) sich mehr oder weniger offen aufputschen für den vielbeschworenen 'Kampf der Kulturen', der ja angeblich unvermeidlich ist. Vielleicht ist es ja wahr, daß wir Menschen einfach nicht ohne ein Feindbild leben können, auf Dauer. Ist aber ziemlich traurig, wenn das so ist.
Deprimierendes Thema.
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