in unserem "offiziellen sfc-wm-thread" schrieb aphrodite folgendes:
stimmt. die deutschen frauen sind schon weltmeisterinnen. die burschen müssens erst noch werden. überhaupt ist für all jene, die eher auf sauberen, technisch interessanten fußball stehen, die frauenliga derzeit die interessantere.Zitat von Aphrodite
doch der frauenfußball steht noch nicht im mittelpunkt des medialen, kommerziellen und gesellschaftlichen interesses. von daher entscheidet sich die frage, ob deutschland weltmeister wird nach wie vor am siegen oder verlieren der herren.
davon abgesehen interessiert es mich recht wenig, wer gewinnt. eine masse gröhlender, pengbumm machender und rumstehende-gegenstände-umschmeißender türken in bochum und dortmund hauptbahnhof gaben mir gestern schon mal einen kleinen vorgeschmack auf das "mega-event" wm.
allerdings bin ich nicht angetreten, um in meinem beitrag dieses fußballereignis schlecht zu reden. mir sind durchaus die positiven aspekte bewusst, die sich vor allem in wirtschaftlicher hinsicht und in der positiven identifikation der deutschen mit ihrem land bemerkbar machen sollen.
deutschland wird mit riesenschub von der fußball-euphorie überrollt.
doch was passiert, wenn die luft aus dem runden leder raus ist?
die wm als wirtschaftsmotor: wer merkt es nicht in diesen tagen, dass so gut wie jedes unternehmen, jeder laden, sogar ärzte, apotheken und büros das wm-thema nutzen. es gibt keinen werbeblock mehr ohne fußballrelevantes, die aussicht auf einen anstieg der zwangsprostitution (dank vieler bedürftiger papis, die während der spiele ganz doll die mamis vermissen) besteht jetzt schon, in den charts tummeln sich gleich mehrere fußballtitel auf einmal und das derzeit noch eher floppende wm-masskottchen goleo (männlicher löwe mit männlichem ball) wird einem im sekundenrhythmus unter die nase gehalten.
die gesamte welt von einzelhandel, dienstleistungen, werbung und anderen gesellschaftlich relevanten insititutionen scheint sich also darauf eingestellt zu haben: die wm ist der goldscheißende esel 2006.
eins ist aber jetzt schon klar: auch in diesem geschäft wird es gewinner und verlierer geben. doch von dieser allgemeingültigen faustregel mal abgesehen, interessiert mich vor allem folgende frage:
was kommt nach der wm?
oder um es mit dem titel dieses threads zu fragen: wie klingt die ruhe nach dem sturm?
ja, auch ruhe kann klingen...beruhigend, entspannend, verunsichernd, bedrohlich... denn es macht mir schon ein wenig sorgen, zu welchem höhenrausch der "weltmeister"-taumel getrieben wird. unzähligen produkten und slogans reicht es nämlich nicht, einfach nur das ereignis "wm in deutschland" zu zellebrieren. nein, sie werben jetzt schon mit dem status "deutschland wird weltmeister". der druck, der damit auf die nationalmannschaft ausgeübt wird, ist sicher nur mit einem ganz dicken fell (vielleicht deshalb das schrullige pelzmaskottchen?) und intensiver betreuung der spieler zu ertragen.
doch es sind nicht nur die spieler, die diesem druck ausgesetzt werden. auch die deutschen fußballfans beißen sich an der weltmeisterschaft fest wie am letzten stück trockenbrot zur hungersnot (reimt sich!).
deshalb kann man nur schwer sagen "nach der wm ist vor der wm!", denn diese euphorische stimmung, wird dann, je nach ergebnis, entweder im riesigen freudentaumel gipfeln oder in schwerer enttäuschung den bach runter gehn.
da die masse der deutschen nun schon seit jahrzehnten ein volk der resignierenden jammersäcke ist, macht mir vor allem letzteres sorgen: die derzeitige vor allem durch medien und konsumwelt angeheizte wm-euphorie wirkt wie ein kollektiver drogentrip. drogen werden meistens von traurigen frustrierten menschen genommen, womit das bild des durchschnittsdeutschen wieder passt. eine niederlage würde eine große masse aufgeputschter menschen auf entzug setzen. nur wie wirken sich eben diese entzugserscheinungen gesamtgesellschaftlich aus?
und wie sind die auswirkungen auf die wirtschaft? wie steht es dann plötzlich um die geldmaschine wm? ist die produktflut etwa nur für die zeit vor der großen sause kalkuliert? oder würde es auch für die wirtschaft einen großen einbruch bedeuten, wenn ihre fußball-verseuchten artikeln nach einem deutschen wm-flop in den regalen liegenbleiben?
und dann wieder dieses ewige-verlierer-gefühl... und die feststellung, dass einem als "kleiner bürger" sogar noch der letzte spaß und die letzte würde genommen wird. denn die nächsten stimmungs-tiefs stehen schon bevor: die mehrwertsteuererhöhung, zum beispiel.
vielleicht wäre eine niederlage der deutschen ja aber auch eine anregung für die politik, die mehrwertsteuerpauschale doch nicht ganz so hoch anzusetzen. als trostpflaster sozusagen.
für echte fußballkenner ist es zudem interessant zu hinterfragen, wie sich das personalkarussel dann weiterdrehen würde und wie die presse dann mit dem deutschen fußball umgeht.
was da mal direkter und mal zwischen den zeilen abläuft, lässt einem schon jetzt das wm-bier wieder hochkommen:
hier versucht deutschlands schmutzblatt nummer 1 also jetzt schon wieder im manipulieren und eigeninteressen-vertreten ganz vorne zu sein und beim kartenmischen gleich mehrere hände im spiel zu haben. nicht nur im druck-ausüben vor der wm tragen sie springers ihren entscheidenden teil bei, nein, die wollen außerdem ganz klar mitbestimmen, was danach zu passieren hat."Bild" hat Klinsmanns Nachfolger schon positioniert
Die Zeitschrift "RUND" hat in ihrer aktuellen Ausgabe die Geschichte aufgeschrieben, wie "Bild" seit 1984 Fußball-Bundestrainer aus dem Amt und ins Amt geschrieben hat – und erklärt die aktuelle Feindschaft zu Jürgen Klinsmann:
Unter den Spielern der aktuellen Nationalmannschaft hat "Bild" keinen Informanten. Angeblich hat Oliver Kahn für die Zeit nach der Weltmeisterschaft einen Exklusivvertrag mit der Zeitung. Umso blindwütiger greift "Bild" Klinsmann an. Dies geschieht vor allem durch WM-OK-Chef Beckenbauer, der, so hört man, eine Million Euro pro Jahr für seine Tätigkeit bei "Bild" bekommen soll und den uns das ZDF trotzdem als unabhängigen Experten verkauft. Über "Bild"-Kolumnist Günter Netzer, den die ARD als unabhängigen Experten verkauft. Über einige Trainer aus der Bundesliga, die "Bild" brauchen, um ihren Job zu sichern. Und über DFB-Funktionäre der zweiten, Politiker der dritten Reihe und enttäuschte Spieler wie Christian Wörns. (…)
"Bild" hat den Nachfolger [für Klinsmann] schon positioniert: Matthias Sammer. Dessen Medienberater heißt Ulrich Kühne-Hellmessen und war Chefreporter bei "Bild". Sammer wurde, unter Einsatz aller Blätter des Springer-Verlags und der üblichen Trittbrettfahrer, als neuer DFB-Sportdirektor gegen Klinsmanns Kandidaten, Hockey-Nationaltrainer Bernhard Peters, durchgeboxt. Ein Erfolg. Der Ausgang des Kampfes zwischen Klinsmann und "Bild" ist offen. Es ist wie im Fußball. Nicht immer gewinnt der Bessere.
quelle: http://www.bildblog.de
der durchschnittliche deutsche fußballfan schaut dabei wortlos zu oder unterstützt diese mechanismen sogar noch: mit jedem cent, den er in bild-zeitung, sportbild usw. investiert.
eins frage ich mich eh immer wieder, wenn ich die bildleser in der bahn den sportteil lesen sehe: wie kann man als fan des deutschen fußball so eine dreckszeitung lesen? hat man nicht irgendwie eine art solidaritäts-gefühl mit den spielern und fußballmachern? dieses scheint mächtig gestört zu sein. anders kann ich mir die unterstützung dieser meinungsmache gegen den deutschen fußball nicht erklären.
auch hier ist es also interessant zu beobachten: wohin steuern die großen eigeninteressenvetreter nach der wm?
so, nun bin ich über eure meinung gespannt. ich als fußballunkundiger kann in einigen fragen nur spekulieren und gedankenspielerein betreiben und hoffe daher auf die reaktionen fußballkundiger oder zumindest -interessierter fans.
.
Als Lesezeichen weiterleiten