Ohne jetzt die, die hysterisch reagieren, in Schutz nehmen zu wollen, kann ich das Zitat, daß Ratzinger da verwendet hat, auch nur äußerst ungeschickt gewählt finden. Zum einen, weil die Kirche in Bezug auf die Verbreitung der Religion mit Feuer und Schwert wirklich selbst absolut im Glashaus sitzt, und zum anderen aus dem folgenden Grund: Daß es einen radikalen Islamismus gibt und daß es sehr viele gewaltbereite Anhänger des Islams gibt, das bezweifelt, denke ich, niemand - auch Leute wie ich, die sich gegen die Dämonisierung des Islams und gegen die allgegenwärtige Kulturkampf-Rhetorik wenden, nicht. Ist es aber der Entspannung der internationalen Lage auch nur im *geringsten* zuträglich, wenn man darauf in einer Weise hinweist, die wiederum gewalttätige Reaktion von diesen Leuten provoziert? Was genau soll das bringen? Der logische Effekt ist doch, daß sich die Fronten dadurch nur noch weiter verhärten, und das ist höchstens dann als 'konstruktiv' anzusehen, wenn man eine - letzten Endes wohl bewaffnete - Eskalation für unausweichlich und überhaupt für eine sinnvolle Lösung internationaler, interreligiöser und interkultureller Probleme hält.
Mir ist durchaus klar, daß es in Ratzingers Rede nur am Rande um den Islam ging; er muß sich aber bewußt sein, daß er als Papst eine extrem große Öffentlichkeit erreicht, und zwar durchaus auch unter Anhängern anderer Religionen, insbesondere auch unter solchen, die den Vatikan in paranoider Erwartung eines Aufrufs zu einem neuen Kreuzzug beobachten. Jeder Mensch, der weiß, daß er eine solche Öffentlichkeit erreicht, muß sich Gedanken um die Wirkung seiner Worte machen. Wenn der Papst sich solche Gedanken gemacht hat, muß ich ihm leider unterstellen, daß er diese Reaktion durchaus beabsichtigt hat, und davon ließe sich ableiten, daß er eine weiter Zuspitzung des Konflikts begrüßt und voll auf der "Kampf der Kulturen"-Schiene ist. Wenn er die Reaktion *nicht* bedacht hat, kann ich ihn nur für gefährlich naiv halten. Gefährlich ist er natürlich in beiden Fällen - im ersten, weil er dann einer Eskalation bewußt in die Hände arbeiten würde, und im zweiten, weil er durch unbeabsichtigte diplomatische faux-pas zu einer solchen beitragen könnte. Leider hat sein Wort ja einiges Gewicht.
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